sen. In Pfalz-Zweibrücken setzte, nachdem durch den Augsburger Religionsfrie¬
den jeder Landesfürst das Recht zur eigenen Konfessionsbestimmung erhalten
hatte, nun auch eine Zeit entscheidender Reformen ein, die wesentlich von
Sitzinger vorbereitet wurden. So entwarf er die Kirchenordnung von 1557 und
fügte ihr ein von ihm selbst verfaßtes Kapitel über das Kirchengericht bei106.
Zur Durchführung dieser Ordnung wurde eine Generalkirchenvisitation durch
eine Instruktion von Sitzinger eingeleitet und durch ebenfalls von ihm abge¬
faßte Generalartikel abgeschlossen. Nach dem im März 1556 vollendeten Ent¬
wurf schuf er mit seiner Denkschrift über die Verwendung der Klostergefälle
die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der damals geplanten
Landesschule107. Es folgte Anfang 1559 die bereits mehrfach zitierte, von ihm
entworfene Kanzleiordnung. Neben seiner Tätigkeit im pfalz-zweibrücki-
schen Dienst wirkte Sitzinger auch in der Reichspolitik mit. Als Schüler Me-
lanchthons redigierte er den „Frankfurter Rezeß” von 1558108, der die Landes¬
fürsten der Augsburger Konfession einigen wollte. Sitzingers Dienstobliegen¬
heiten vermehrten sich im selben Jahr noch dadurch, daß ihn der pfälzische
Kurfürst Ottheinrich zum Kanzler von Pfalz-Neuburg bestellte, wobei
er aber auch nominell noch Kanzler von Pfalz-Zweibrücken blieb109. Bald aber
brachte ihn dort der innerprotestantische Streit wegen der Durchführung eines
strengeren lutherischen Standpunktes110 zu Fall. Er wurde in die Affäre des
Prinzenerziehers Conrad Marius111 verwickelt, der calvinistischer Gesinnung
verdächtigt112, im April 1561 verhaftet und schließlich entlassen wurde. Da man
Sitzinger die Schuld an der Einstellung von Marius gab113, fiel er in Ungnade; er
mußte zwar seinen Abschied nehmen, wurde aber 1561 zum Landrichter und
106 koch, Die Vorgeschichte der Zweibrücker Kirchenordnung. Über die Redigierung der
Zweibrücker Kirchenordnung siehe schneider, Der Entwurf der Zweibrücker Kir¬
chenordnung.
107 Siehe dazu koch, Die Gründung der Zweibrücker Landesschule; ders., Das Straßbur¬
ger protestantische Gymnasium, S. 29-48; finkel, Pädagogik und Musikunterricht, S.
39-52; SCHINDLING, Humanistische Hochschule, S. 39-44.
108 Abschrift im BayHStA München Pfalz-Neuburg, Nr. 1274. Abdruck in Corpus Refor¬
matorum IX, S. 489-507; vgl. dazu menzel, Wolfgang von Zweibrücken, S. 175, Anm.
2: kurze, Pfalzgraf Wolfgang; Drescher, Sitzinger.
109 Sitzingers Dienstgeschäfte in Pfalz-Zweibrücken wurden nunmehr von Johannes
Stieber übernommen; vgl. dazu crollius, Commentarius de cancellariis, S. 74, Anm. q.
110 Vgl. dazu menzel, Wolfgang von Zweibrücken, S. 277; koch, Der Übergang von Pfalz-
Zweibrücken, S. 24-26; Drescher, Sitzinger, S. 198 (54) f.
111 Dessen Bestallung bei schmitt, Geschichte der Erziehung, S. 21-25.
112 Siehe dazu menzel, Wolfgang von Zweibrücken, S. 280-284, undNEY, Pfalzgraf Wolf¬
gang, S. 56-58.
113 Marius war vor seiner Anstellung 1558 von Sitzinger bezüglich seines Glaubens ge¬
prüft worden, besonders über seine Auffassung vom Abendmahl; seine diesbezüg¬
lichen Aussagen haben offensichüich den der melanchthonischen oder philippisti-
schen Richtung der Theologie nahestehenden Sitzinger befriedigt (vgl. dazu koch,
Das Testament des Zweibrücker Kanzlers Dr. Ulrich Sitzinger, S. 60 f, sowie Drescher,
Sitzinger, S. 199 (55)).
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