Sechstes Kapitel
BESTREBUNGEN ZUR VERBESSERUNG DER
LANDWIRTSCHAFT IN DER ZWEITEN HÄLFTE
DES 18. JAHRHUNDERTS
Die Reformen der Fürsten Wilhelm Heinrich und Ludwig zur Verbesserung der
Landwirtschaft hielten sich trotz der überschwenglichen Bewunderung mancher
Zeitgenossen1 in Grenzen. Sie zeichneten sich allerdings dadurch aus, daß sie
sich nicht darauf beschränkten, eine verbesserte Felderwirtschaft einzuführen,
sondern sie zielten auch auf Fortschritte in der Viehwirtschaft und eine rechtliche
und wirtschaftliche Besserstellung der bäuerlichen Untertanen2.
1. Hindernisse einer verbesserten Landwirtschaft
Zahlreich war die Schar der Zeitgenossen, die nicht müde wurden, den schlechten
Zustand der deutschen Landwirtschaft in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu schil¬
dern. Es gab eine ganze Reihe von Gründen dafür, die aber nach Justi auf einen
grundlegenden Fehler zurückzuführen waren: Es ist ein lächerlicher Grundsatz,
daß die Äcker der Ruhe nötig haben. Ein jeder Acker kann unausgesetzt alle
Jahre Früchte tragen, wenn man ihm nur Mist genug gibt. Wir sehen ja dieses
offe?ibar an unseren Gärten, davon die meisten Beete jährlich zweimal ihre darauf
gepflanzte Gewächse vortrefflich wachsend machen, wenn sie nur wenigstens
alle zwei Jahr gemistet iverden. Allein dieser Mangel des Mistes ist in Deutschland
so stark, daß ich viele Gegenden kenne, wo man nicht einmal dieses Mangels
halber die Sommer- und Winterfelder besäen kann ..., sondern man muß noch
viele Äcker ... brach liegen lassen3. Die Betrachtung der Betriebssysteme zeigte
diesen Düngermangel. Die schwach gedüngten Felder und die so gut wie nie
gedüngten Wiesen erbrachten mäßige Ernten, und diese wiederum reichten nicht
aus, das Vieh, besonders über die Wintermonate, ausreichend zu füttern. Von den
schlecht gefütterten Tieren konnte man während der drei bis vier Monate, die
sie in der kalten Jahreszeit im Stall standen, weder einen nährstoffreichen Mist4
erwarten noch größere Mengen davon. Er reichte — und so schließt sich der
Kreis — im nächsten Jahr nur für einen Teil der Felder, folglich mußte die Brache
den geringen Dünger „ersetzen“.
1 Z. B. F, Rolli, a.a.O., S. 15.
2 LA SB, Best. OW 57.
3 J. H. G. Justi, a.a.O., S. 33 und Th. v. d. Goltz, a.a.O., S. 288 f.
4 Vgl. R. Krzymowski, a.a.O., S. 159 und R. Berthold, a.a.O., S. 117.
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