wurde ein Weistum des Oberhofes Tholey aufgezeichnet, das längste saar¬
ländische Weistum überhaupt. Als Grund für die Niederschrift wird die Schaf¬
fung von Rechtssicherheit für die Untertanen angegeben, der eigentliche Anlaß
war aber, daß sich der Abt gegen Übergriffe des lothringischen Amtmannes von
Schaumburg absichern wollte. Der Hinweis in der Quelle, daß früher häufiger
Weistümer erfragt worden seien, kann bedeuten, daß die erhaltenen Salbuch-
inserte nur zufällige Relikte einer größeren Weisungsaktion um die Mitte des
14. Jahrhunderts waren. Nach einer Pause von 85 Jahren wurden 1535 und
1541 wieder Oberhofweistümer aufgezeichnet, die teilweise auf dem Fragen¬
katalog von 1450 beruhen, aber auch einige Veränderungen sichtbar machen.
1535 entstand das Weistum des Hochgerichtes Schaumburg, das zwar
dem lothringischen Amtmann als Hochgerichtsherrn gewiesen wurde, aber die
Tholeyer Klosterweistümer inhaltlich ergänzt und auch in der klösterlichen
Weistumssammlung überliefert wurde.
Nicht im Klosterarchiv erhalten ist ein Jahrgedingsprotokoll von 1555, das auf
dem alten Fragenkatalog aufbaut, aber noch stärkere Veränderungen aufweist.
Auf Grund der Überlieferung kann man annehmen, daß diese Weisung auf
lothringische Anregung hin aufgezeichnet und vielleicht auch abgehalten wurde,
während es dem Kloster offenbar nicht wichtig genug erschien, um es in das
„Schwarze Buch“ aufzunehmen.
Danach verändert sich der Stil der Weisungen. Zwischen 1579 und 1604 wurde
15mal das Protokoll des Geschworenen Montags auf gezeichnet, eines jährlichen
Dings der Oberhof Schöffen und der elf Zender, auf dem Bezirksrügen, z. B.
über verfallene Grenzzeichen, behandelt wurden, anschließend kam es zu
Sprüchen der Schöffen über gerade aktuelle Fragen, die man als Weistum be-
zeichnete. Bei Fragen über die bäuerliche Wirtschaft und andere Bereiche des
dörflichen Lebens wurde der Katalog von 1450 zugrunde gelegt. Neue Weisungen
über Erb- und Güterrecht sind inhaltlich nur mit den späten Ottweiler Land-
gerichtsweistümern zu vergleichen. Die Aufzeichnung setzt 1579 unvermittelt ein
und bricht ebenso plötzlich Anfang des 17. Jahrhunderts wieder ab. Nach der
Einleitung zum Protokoll von 1579 scheint es sich um einen alten Brauch zu
handeln, der damals erneuert wurde, da die Zender aufgefordert wurden, alte
Mißstände zu rügen, und also nicht nur die neu entstandenen vorzubringen
hatten wie in den späteren Jahren.
Die letzten fünf Tholeyer Weistümer aus den Jahren 1618 und 1621 sind wie
die ältesten wieder für einzelne Höfe erfragt worden und in einem Salbuch
inseriert. Es läßt sich an einzelnen Bestimmungen nachweisen, daß sie gegen
den übermächtigen Landesherrn Lothringen gerichtet waren182.
Außerhalb des Oberhofbezirkes Tholey sind Klosterweistümer entstanden, die
sich teilweise zu den vorgestellten Zeitschichten in Relation setzen lassen. So
gehört das Selbacher Weistum von 1454 zu dem Tholeyer von 1450. Das lothrin¬
gische Hochgerichtsweistum von Oberkirchen (Katharinostem) aus dem
Jahr 1463183 ergänzt das Tholeyer Weistum um Gerichtsverfassungsfragen. Das
182 Vgl. unten Kap. 4.3.
183 Benutzt nach Grimm II, 93/94; die Vorlage ist wohl StAK IC/12928, 526—531.
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