Tatsache, die somit der Behauptung, daß die Seele nicht immer¬
fort Wille (= Wollendes) sei, entgegenkommt, denn Selbst¬
bewußtsein ist die unabweisliche Bedingung für den Willen
(= Wollen). Wenn aber auch der menschlichen Seele vielfach
Selbstbewußtsein (Sichselbstwissen) fehlt, so fehlt ihr doch
niemals Bewußtsein überhaupt, denn sie ist ja ein Bewußtseins¬
wesen d. i. ein Wesen, dessen Wesen Wissen (Bewußtsein)
ist. Darum erweist sich auch die Rede nicht nur vom „unbe¬
wußten Wollen“, sondern ebenfalls die vom „unbewußten Vor¬
stellen“ und „unbewußten Denken“ als ein Widerspruch in
sich, der eben auf die Behauptung hinausläuft, daß die Seele
etwas habe und auch nicht habe. Wer der menschlichen Seele
ohne „Bewußtsein“ meint gerecht werden zu können und un¬
körperliches Einzelwesen, das nicht Bewußtsein (Wissendes als
Wesenswort) ist oder Bewußtsein (Wissen) als sein Wesen hat,
meint behaupten zu dürfen, der bringe doch, sei es auch nur
eine Wesensbestimmung für „Seele ohne Bewußtsein“
heraus, daß wir für diese uns zunächst leeren Worte doch irgend¬
welchen Inhalt finden. Man greife dann aber nicht zu Worten
wie „unbewußtes Vorstellen“ oder „unbewußtes Wollen“, die
uns ja nur von der Leere in den Widerspruch führen; denn
ein vorstellendes und gar ein wollendes Wesen, das nicht Be¬
wußtsein wäre, ist und bleibt, um mit Hegel zu sprechen, eine
brutale Behauptung, die einen Widerspruch in sich bedeutet.
Noch niemand aber hat der Frage „was ist Seele ohne Bewußt¬
sein?“ irgendeine zureichende Antwort gefunden, und alle ver¬
meintlichen Antworten haben sich als unberechtigte Anleihe
bei dem Bewußtseinswesen „Seele“ erwiesen. Manche aber, die
mit einem Gefühl der Sicherheit dennoch der „Seele ohne Be¬
wußtsein“ das Wort reden, verwechseln „Seele ohne Bewußtsein“
mit „Seele ohne Selbstbewußtsein“; daß der Seele gar viel¬
fach Selbstbewußtsein (Sichselbstwissen) fehle, wird niemand be¬
streiten, die Tatsache „Seele ohne Selbstbewußtsein“ aber
macht den Satz, daß die Seele ein Bewußtsein sei, doch keines¬
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