auch im Landesrat, die „Vereinigung für Hausbesitz und Landwirtschaft“,
seit 1932 „Wirtschaftspartei des Mittelstandes“13.
Der auffallendste Zug im Parteileben an der Saar, der letztlich auch die
Stabilität der Verhältnisse garantierte, war das Fehlen jedes Rechtsradika¬
lismus, eine einzigartige Erscheinung gegenüber allen deutschen Wahlkreisen.
Selbst wenn man den Ausgleich der Prozentzahlen durch die größeren
Wahlkreise Deutschlands mit einrechnet, bleibt das uneingeschränkt ein
wesentlicher Unterschied zu allen deutschen Gebieten. Das Zentrum und die
sozialistischen Parteien erhielten an der Saar bei der Wahl zur Weimarer
Nationalversammlung 84 Prozent der Stimmen, bei den Landesratswahlen
ab 192414 wieder 77 Prozent, und ihr Stimmenanteil stieg bis 1932 auf über
80 Prozent. Zunächst beruhte diese Erscheinung darauf, daß in der saar¬
ländischen Bevölkerungsstruktur für die konservative Deutschnationale
Volkspartei keine Voraussetzungen gegeben waren. Dann konnten aber
auch bei der Steigerung des Nationalismus in Deutschland für das Saar¬
gebiet keine anderen konkreten Forderungen erhoben werden, als sie die
drei großen saarländischen Parteien seit Jahren vertreten hatten. Man be¬
saß keine Agitationsbasis gegenüber der geschlossenen nationalen Front der
saarländischen Parteien und der saarländischen Bevölkerung. Außerdem
waren gegenüber dem Nationalsozialismus die religiösen Bedenken der
Katholiken von Bedeutung. Als 1932 die NSDAP 6,7 Prozent der Stimmen
erhielt, zeigte sich, daß sie die Wählerschaft der Deutsch-Nationalen fast
ganz absorbiert hatte und einen Teil der Wählerschaft der Deutsch-Saar¬
ländischen Volkspartei, deren Stimmenanteil auf 6,6 Prozent sank. Der
Gesamtgewinn der Parteigruppierung von der Deutsch-Saarländischen Volks¬
partei nach rechts bis zur NSDAP betrug aber nur 2 Prozent. Der Stimmen¬
anteil der Deutsch-Saarländischen Volkspartei lag zudem noch wesentlich
höher als derjenige der Deutschen Volkspartei bei der Reichstagswahl vom
31. Juli 1932. Nur in drei deutschen Wahlkreisen erreichte die Deutsche
13 Das hing mit der Wohnungsnot und der Wohnungszwangswirtschaft im Saargebiet
zusammen. Am Anfang erhielt die Partei wohl zwei Mandate, weil sie eine Wahl¬
möglichkeit außerhalb der straff organisierten nationalen Einheitsfront darstellte.
Diese Partei wandte sich wegen der Wohnungspolitik der Regierungskommission mit
zwei Eingaben an den Rat des Völkerbundes [Dokumente: C. 498. M. 211. 1923. I.
(24. 5. 1923) u. C. 798. (1). M. 267. 1924. I. (10. 11. 1924)]. Sie war keine eigentlich
fiolitische Partei, sondern stellte stärker eine Interessenvertretung dar. Deshalb
ehnten die anderen Parteien sie ab und verdächtigten besonders in den ersten Jahren
diese Partei als national unzuverlässig (Material dazu bes. in A.A. II Bes. Geb.,
Saargeb., Pol. Parteien, Bd. 1). Ganz entzog sich aber auch diese Gruppe nicht der
allgemeinen Politisierungstendenz im Saargebiet. Sie war nicht an den Genfer Dele¬
gationen und den gemeinsamen Erklärungen des Landesrats beteiligt, gab aber im
Landesrat bei politischen Anlässen auch nationale Erklärungen ab (vgl. z. B. die
Erklärung bei Eröffnung des saarl. Landesrats 1922, in Anlage 5 unten S. 342 f.) und
strebte danach, in den Genfer Delegationen und im Saarausschuß der Reichsregierung
vertreten zu werden. Der Vorsitzende der Partei, Architekt Schmoll gen. Eisenwerth,
versuchte deshalb 1928 in persönlichen Schreiben und in einer Besprechung im A.A.
in Berlin eine Beteiligung seiner Partei an den Genfer Delegationen und im Saar¬
ausschuß zu erreichen (A.A. II Bes. Geb., Saargeb., Pol. Parteien, Bd. 2).
14 Die Ergebnisse der Landesratswahl 1922 können in diese Betrachtung nicht mit ein¬
bezogen werden, da die Sozialisten ihre Aufforderung zur Wahlenthaltung fast bis
zum letzten Augenblick; aufrechterhalten hatten.
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