Arbeitsrechtlich kam es zu drei wesentlichen Verbesserungen. Die Streik¬
postenverordnung wurde am 15. Juli 1924 durch eine neue Verordnung
ersetzt, die zwar nicht die alte Gesetzgebung wiedereinführte, aber Streik¬
posten unter bestimmten Bedingungen erlaubte; die Verordnung lehnte sich
an das englische Vorbild an62. Ein zweites Anliegen der Arbeiterschaft wurde
aufgegriffen, als sich vor der Schließung des Röchlingschen Stahlwerkes im
September 1924 eine scharfe Kontroverse zwischen den Gewerkschaften und
Röchling ergab. Röchling hatte zur Aufrechterhaltung des Betriebes den
vorübergehenden Übergang zum alten Zweischichtsystem mit der entspre¬
chenden Erhöhung der Arbeitszeit vorgeschlagen63. Die Regierungskommis¬
sion benutzte diese Gelegenheit, die seit Jahren geforderte gesetzliche Rege¬
lung des Achtstundentags nun zu vollziehen. Durch Verordnung vom 8. No¬
vember 192464 legte sie unter Berufung auf die Vorschläge der internatio¬
nalen Arbeiterorganisation des Völkerbundes vom 28. November 1919 die
tägliche Arbeitszeit von 8 und die wöchentliche von 48 Stunden fest. Die
Regelung der Arbeitszeit war seitdem im Saargebiet eindeutiger und einheit¬
licher als in der Weimarer Republik, wo man zu derselben Zeit in der Stahl¬
industrie wieder zum alten Arbeitssystem übergegangen war65. Eine weitere
Berücksichtigung der Wünsche der Parteien und der Arbeiterschaft brachte
die Errichtung einer saarländischen Arbeitskammer durch Verordnung vom
18. September 192566. In der Beratung des Arbeitskammergesetzes zeigten
sich scharfe Gegensätze zwischen der Regierung und dem Landesrat, vor
allem in der Auffassung über die Berufung der Mitglieder der Kammer. Der
Regierungsentwurf sah nur ein Vorschlagsrecht der einzelnen Verbände und
Gewerkschaften vor, während der Landesrat verlangte, daß die Arbeits¬
kammer auf demokratische Weise, also durch Wahl, zu erstellen sei67. Die
endgültige Verordnung berücksichtigte diesen Wunsch der Parteien und
Gewerkschaften; nur in der Ernennung und Finanzierung der Geschäfts¬
träger hielt die Regierungskommission an ihrer ursprünglichen Konzeption
fest.
Auch auf anderen Sektoren der Sozialpolitik kam es in den Jahren 1924
und 1925 zu einer Reihe gesetzlicher Regelungen nach den Wünschen der
Bevölkerung. Vor allem gestaltete sich mit der Berufung Koßmanns 1924
das Verhältnis zur Wohlfahrtsabteilung zunächst durchaus günstig. Beson¬
ders die Zentrumspartei und in ihrem Gefolge auch die Deutsch-Saarlän¬
dische Volkspartei wollten Koßmann keine unnötigen Schwierigkeiten
machen. Die Vertreter beider Parteien betonten in der Landesratssitzung
vom 27. Juni 1924, als eine Kriegsbeschädigtenverordnung verabschiedet
4,2 Amtsblatt der Reg.-Kom. 1924, Nr. 388; S.D.N. J.O. V,12 (1924), S. 1783.
63 S.D.N. J.O. V,12 (1924), S. 1783; Röchling, Wir haken die Saar, S. 108; Borck,
a. a. O., S. 110.
64 Amtsblatt der Reg.-Kom. 1924, Nr. 642.
65 B o r c k, a. a. O,, S. lllf.
66 Amtsblatt der Reg.-Kom. 1925, Nr. 484; über die Vorverhandlungen vgl. S.D.N. J.O.
V,8 (1924), S. 1049, und V,12 S. 1732.
67 Landesrat des Saargeb., Sten. Ber. v. 16. 3. 1925, S. 3ff.; vgl. auch Borck, a. a. O.,
S. 66—71; K a r i u s, a. a. O., S. 374 f.; Katsch, a. a. O., S. 146.
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