mit Frankreich vorangetrieben220. Schließlich wurde das Problem, als der
Kanadier Stephens Präsident der Kommission und Deutschland Mitglied
des Völkerbundes geworden war, 1927 in einem tragbaren Kompromiß
gelöst. Die lokale Gendarmerie wurde in ihrer Stärke als ausreichend er¬
klärt, und eine international zusammengesetzte Bahnschutztruppe von
höchstens 800 Mann wurde im Saargebiet stationiert und sollte Transport
und Sicherheit auf den saarländischen Eisenbahnen garantieren221.
Seit 1924 vollzog sich außerdem eine Umbesetzung der Regierungskommis¬
sion. 1924 wurde der Saarländer Land durch Bartholomäus Koßmann ab¬
gelöst, Moltke-Huitfeldt durch den Spanier De Los Monteros, der in den
wenigen Monaten seiner Tätigkeit die volle Sympathie der Saarländer er¬
warb. Nach seinem Tode übernahm der Tscheche Vezensky sein Amt. 1926
schied Präsident Rault aus, und die Präsidentschaft fiel hinfort immer an
das kanadische bzw. englische Mitglied der Kommission. 1928 berief der
Rat statt Lambert den Finnen von Ehrnrooth, Nachfolger Raults als fran¬
zösisches Kommissionsmitglied wurde sein Neffe Morize222.
An dieser Entwicklung hatten gleichermaßen die saarländischen Parteien,
die stärkere Konsolidierung des Völkerbundes und die wachsende euro¬
päische Entspannung entscheidenden Anteil. Da der Abbau der ursprüng¬
lichen Positionen der Regierungskommission und Frankreichs sich über
mehrere Jahre erstreckte, wurden die Petitionen der saarländischen Parteien
in den Jahren 1924 und 1925 immer schärfer. Sie begannen manchen Rats¬
mitgliedern und vor allem dem Sekretariat 223 als ungeduldige Wiederholung
derselben Klagen lästig zu werden. Das Sekretariat sah demgegenüber, daß
Rault sich nach 1923 bemühte, das Sekretariat zufriedenzustellen 224. Außer¬
dem erschien die Konzentration der Saarländer auf ihre Nöte bei der relativ
guten finanziellen und wirtschaftlichen Lage des Saargebietes den Vertretern
der großen internationalen Politik einseitig 225. In dieser Situation erreichten
die saarländischen Parteien in der zweiten Grundlinie ihrer Forderungen,
in dem Streben nach der Demokratisierung des Systems, nichts Wesentliches
mehr. Die wiederholt an den Völkerbund gerichteten Petitionen226 um Er-
220 S.D.N. Archives des Sect. du Secrétariat, Sect. Pol. Sarre, Nr. 57,9. Troupes fran¬
çaises — Gendarmerie.
221 S.D.N. J.O. VIII,4 (1927), S. 403—417.
222 Vgl. Übersicht über die Kommissionsmitglieder und ihre Ressorts, Anlage 30, unten
S. 420 ff. Dort bes. auch Vita Koßmanns.
223 S.D.N. Archives des Sect. du Secrétariat, Sect. Pol. Sarre, Nr. 56,2.
224 Ebenda: Das zeigen verschiedene Briefe Raults, z. B. der vom 22. 4. 1924 an das
Sekretariat, in dem er über die Erweiterung der Gendarmerie und über die Ver¬
änderung der Streikpostenverordnung berichtet. Außerdem habe er M. Morize beauf¬
tragt, in Genf beim Internationalen Arbeitsamt sich besonders über die Sozialgesetz¬
gebung zu unterrichten. „J*espère répondre ainsi aux directives du Conseil de la
Société des Nations et montrer aux populations ouvrières que la Commission du Gou¬
vernement se préoccupe de leur bien-être . ..“.
225 So auch R. Donald, A Danger spot in Europe, London 1925, S. 157. Von den
wirtschaftlich guten Verhältnissen an der Saar berichten fast übereinstimmend alle
Journalisten, die an der Saar weilten.
226 S.D.N. Dokumente: C. 231. M. 131. 1923. I.; C. 75. M. 25. 1924. I.; bes, auch die
beiden Denkschriften der Sozialdemokratischen Partei v. Februar 1925 (C. 173. M. 59.
1925. I.) und v. Februar 1926 — C. 124. M. 53. 1926. I.
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