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Hier interessieren vielmehr die Bemühungen der Gemeinden, die aus der spezifischen Grenzlage, den
gemeinsamen Folgelasten des Niedergangs der Eisen- und Stahlindustrie sowie aus Fragen der künftigen
Siedlungsentwicklung und des Umweltschutzes erwachsen. Dabei ist zunächst auf den PED als
„Wegbereiter“ für die heutigen kommunalen grenzüberschreitenden Aktivitäten einzugehen.
5.3 Institutioneller Rahmen der Kooperation
5.3.1 Die Neuorientierung des PED-Konzeptes
Wie bereits angedeutet, führten die Erfahrungen der ersten Phase des PED zu einer grundlegenden
Neuorientierung des Projektes. Neben den schon erwähnten inhaltlichen Schwächen fehlte dem - von den
Nationalstaaten eingesetzten - Programm insbesondere auch die nötige Akzeptanz auf lokaler Ebene.
Auf französischer Seite saßen zwar fünf Gemeindebürgermeister im Verwaltungsrat, gaben ihre Infor¬
mationen jedoch nur sporadisch an die ebenfalls betroffenen Kollegen weiter, was zu erheblichen Kom¬
munikationsproblemen führte. In Belgien war zwar mit IDELUX ein Gemeindezweckverband maßgeb¬
lich an der Gestaltung des PED beteiligt, ob seiner stark privatwirtschaftlichen Orientierung war dessen
Politik jedoch auch zu einseitig ausgerichtet. In Luxemburg lenkten der ARBED-Konzem sowie das
Wirtschaftsministerium die Entwicklung des Projektes; in der staatlichen Ansiedlungspolitik spielte der
PED allerdings keine Sonderrolle gegenüber anderen Standorten von nationaler Bedeutung. Das Interes¬
se seitens der Gemeinden war hier sehr gering. Hinzu kommt, daß es trotz einer trilateralen Organisati¬
onsstruktur nicht zu einer wirklichen grenzüberschreitenden Kooperation kam. Zwar hatten Absprachen
im Bereich der Verkehrs- sowie der Ver- und Entsorgungsinffastruktur Erfolg, doch blieb der eigentli¬
che Kern des Projekts, nämlich die Werbung um ansiedlungswillige Unternehmen, wegen der fortbeste¬
henden Konkurrenzsituation zwischen den Partnern eine jeweils nationale bzw. regionale Angelegenheit.
Hierunter litt die Kohärenz des PED erheblich, die Projektträger müssen sich gar den Vorwurf gefallen
lassen, lediglich wegen der von Brüssel in Aussicht gestellten Gelder ein grenzüberschreitendes Projekt
konzipiert zu haben (SCHULZ 1996; RETTZ 1996, fidi. mdl. Mitt.).
Im Jahre 1992 gründeten sechs französische Gemeinden das Observatoire de l'Urbanisme (s.u.) im
Rahmen des Projet de l'habitat local (PHL), eines staatlichen Förderprogramms für Wohnungsbau und
Stadtentwicklung. Sie zeigten sich unzufrieden mit den im Rahmen des PED entwickelten städtebauli¬
chen Gutachten und Entwicklungsszenarien (TMO 1993) und entschlossen sich, diesen Sektor durch
interkommunale Kooperation stärker selbst zu bestimmen. Etwa zeitgleich änderten sich auch die Rah¬
menbedingungen auf belgischer und luxemburgischer Seite: Während IDELUX in den belgischen
Grenzgemeinden lokale opérateurs für Aktivitäten suchte, die über den eigentlichen Aufgabenbereich
des Zweckverbandes hinausgehen, wechselte in Luxemburg die Zuständigkeit für den PED vom Wirt¬
schaftsministerium zum Raumordnungsministerium (Ministère de l'Aménagement du Territoire
(MAT)), das fortan stärker auf eine Einbeziehung der Kommunen bedacht war.
Angesichts sich derart wandelnder Rahmenbedingungen sowie des wachsenden politischen Drucks
der Kommunalpolitiker kam es im Oktober 1993 zu einer gemeinsamen Resolution der drei nationalen
Träger des PED, die eine Kommunalisierung sowie eine breitere thematische Ausrichtung des Projektes
einläutete. So entschlossen sich die Regierungen unter anderem dazu, „de s'attacher à soutenir les élus
locaux dans l'objectif qu'ils se sont fixés de structurer une agglomération dite du PED, destinée à réunir
les communes dont les liens transfrontaliers et la volonté exprimée justifieront qu'elles s'intégrent à cette
entité nouvelle“ (RÉSOLUTION 1993:2). REITZ (1995:2) bezeichnet diese Phase als „phase décisive dans
l'évolution du PED, du concept économique vers un projet de territoire“. Auch im Nachfolgeprojekt des
PED werden die Wirtschaftsförderung und das Management von Gewerbeflächen eine wichtige Stellung
einnehmen, stärker jedoch als in der ersten Phase will man auch endogene Entwicklungspotentiale för¬
dern und nicht nur auf mehr oder weniger spektakuläre Großansiedlungen weltweit agierender Unter¬
nehmen setzen (RÉGION LORRAINE / PRÉFECTURE DE LA RÉGION LORRAINE 1994:55f.).
Für die kommunalen Initiatoren der Agglomération war diese Grundsatzentscheidung deshalb von
sehr großer Bedeutung, da sie die staatliche Unterstützung bei der Akquisition europäischer Fördergel¬