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wieder, jedoch in ganz anderer Form. Das Recht der Selbst¬
gestaltung und der Selbstverwaltung hatten sie verloren, sie
standen nun unter Aufsicht der kurfürstlichen Verwaltungs¬
behörde und befanden sich damit in einem fühlbaren Ab-
hängigkeitsverhältnis.30)
Die mit der Zunftaufsicht beauftragte Verwaltungs¬
behörde war das Vizedomamt.40) Leiter und Vorsitzender des
Amtes war der Vizedom, der im Aufträge des Kurfürsten für
die öffentliche Sicherheit in der Stadt zu sorgen hatte.
Für die genaue Durchführung der kurfürstlichen Ver¬
ordnung sorgten die Stadtratsverwandten, die „Vorgesetzte“
der Zünfte. Sie gehörten fast alle dem Handelsstande an und
wurden vom Kurfürsten auf Lebenszeit ernannt. Über ihre
Zahl unterrichtet das Zunftverzeichnis vom 2. Januar 1778. Es
führt die einzelnen Stadträte und die ihnen zugeteilten Zünfte
auf. Nach dieser Aufstellung gab es 16 Stadtratsverwandte.
Nur wenige waren einer, die meisten mehreren Zünften vor¬
gesetzt. Eine genaue Formulierung der Stadtratspflichten»
gegenüber den Zünften findet sich in dem Artikel 1 der Schuh-
flickerzunft-Artikel aus dem Jahre 1781.41) Die Stadträte
mussten die erforderlichen Gebote ansagen lassen. Bei den
Zusammenkünften hatten sie Ordnung zu halten. Die er¬
lassenen Verordnungen mussten sie der Zunft mitteilen und
deren Erfüllung und Befolgung überwachen. Geringe Zunft¬
zwistigkeiten hatten sie zu schlichten. Bei der Zunftrechnungs¬
legung war ihre Anwesenheit unbedingt erforderlich. Sie
hatten, kurz gesagt, „alles dasjenige, was zum Wohl der Zunft,
und gemeinsamem Besten dienlich seyn mag, zu besorgen“.
Neben den Stadtratsverwandten dienten noch die beiden
Polizeikommissare dem Zwecke der Zunftbeaufsichtigung. Sie
waren die Berichterstatter für das Vizedomamt, und in dem
Mainzer Stadtarchiv sind noch eine ganze Anzahl Berichte und
persönliche Äusserungen der beiden letzten Kommissare Macke
und Klingenbiel vorhanden.
c) Zunftorganisation und Zunftleben.
Unter kurfürstlicher Aufsicht führten die Mainzer Zünfte
ihr Eigenleben. Ihre Organisation gründete sich auf die Zunft¬
statuten und auf die die einzelnen Artikel abändernden und
ergänzenden Verordnungen. Die Zunftstatuten, die unter Be¬
rücksichtigung der Zunftwünsche von dem Vizedomamt ver-
3U) Eckert: Das Mainzer Schiffergewerbe S. 3 ff.
4n) Bockenheimer: Franz Konrad Macke, Bürgermeister von Mainz
S. 8 f. Schrohe: Die Stadt Mainz unter kurfürstlicher Verwaltung S. 30.
41) Anlage 1, Art. 1.
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