2. Das intellektuelle Motiv
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frei machen, ohne dennoch ihre tatsächlich unlösliche Beziehung zur
positiven Wissenschaft preiszugeben und uns zur Behandlung der
eingangs des vorigen Absatzes aufgeworfenen Frage wenden. Wir
denken bei der Behandlung dieser Frage an eine Beziehung zwischen
dem metaphysischen Rationalismus und der konkreten Forschung,
die, wie gesagt, einen viel intimeren Charakter als jede Art von
enzyklopädischer Synthesen trägt. Behalten wir dabei im Auge,
daß beide, sowohl der metaphysische Rationalismus (wie der ratio¬
nalistische Idealismus) als auch die konkrete Wissenschaft, aus einer
und derselben Quelle stammen, Kinder derselben dialektischen
Spontaneität der Vernunft sind. Was sich dort in der Form des
reinen Begriffs und als ein ideeller Zusammenhang vernünftiger
Gedanken darstellt, das weist hier den Charakter konkreter und
gegenständlicher Beziehung auf die Welt der Erscheinungen auf.
Dort entfaltet sich der Logos in der Reinheit und Absolutheit seiner
Dialektik, hier verwendet er die Kraft seiner dialektischen Sponta¬
neität zur Erfassung und zu dem in dieser Erfassung sich voll¬
ziehenden Aufbau der Wirklichkeit. Höchstens kann von einer
relativen Verschiedenheit in der Entwicklungs- und Bezugsrichtung
des Logos bei dem metaphysischen Rationalismus und bei der posi¬
tiven Wissenschaft die Rede sein. Aber diese Verschiedenheit be¬
dingt nicht eine reale Trennung des Logos, nicht ein Auseinander¬
treten seiner ursprünglichen Kraft in zwei voneinander geschiedene
Strömungen, etwa so, daß in der Metaphysik der Hauptstrom und
in der positiven Forschung nur ein abgeleiteter Nebenarm des Logos
fließe. Es handelt sich vielmehr nur um verschiedene Stufen
in der dialektischen Selbstentfaltung des vernünftigen
Geistes, und zwar dergestalt, daß in der Metaphysik die Sponta¬
neität des Logos von keinem anderen Gesetze als von dem Spiel der
ihr immanenten Dialektik geführt und beherrscht wird, während
in der positiven Wissenschaft diese Dialektik aus ihrer Tiefe hervor¬
tritt und in dem Prozeß dieses Hervortretens die Konstituierung der
Gegenstandswelt bewerkstelligt.
So besteht die Beziehung, die wir im Auge hatten, und nach deren
Wesen wir fragten, in der sie beide, Metaphysik und positive
Forschung, gemeinsam erzeugenden und sie beide dauernd tragenden
Dialektik der Vernunft. In jedem ihrer Schritte ist die konkrete
Wissenschaft durch diese in ihr arbeitende Dialektik metaphysisch
unterbaut und metaphysisch gesichert. In beiden, in der Meta¬
physik und in der konkreten Wissenschaft, waltet die übergreifende