II. Von der Pflicht zur Metaphysik
und von den vier Motiven dieser Pflicht.
1. Allgemeiner Teil.
Kein Bereich und keine Gestalt der Kultur gleicht an Spannungs¬
erfülltheit und antinomischer Struktur dem Gebiet der Meta¬
physik. Deshalb begegnet auch in keinem anderen Bereiche des
Geisteslebens dem Blicke so häufig und mit so hoher Notwendigkeit
der Begriff der Dialektik und der Antinomie, der in der Metaphysik
seinen eigentlichen Wurzelboden und das Feld dauernder Anwendung
hat. Dieser Begriff ist ebensosehr eine apriorische Bedingung für
die Metaphysik wie eine ihrer Entdeckungen; er ist ihre Voraus¬
setzung und zugleich ein Gegenstand für ihre Untersuchungen; und
in dieser seiner Doppelbedeutung bekundet sich wiederum seine
Dialektik.
Worauf beruht nun diese ungeheure Spannungserfülltheit und
dialektische Antinomik, die wir als die auszeichnenden Merkmale
der Metaphysik anzusehen haben? In prinzipieller und elementarer
Beziehung hat sie ihren Grund in der einzigartigen Gegensätzlichkeit
und reibungsvollen Verschlungenheit ihrer Motive und auf der nicht
weniger starken Gegensätzlichkeit und Vielheit derjenigen Sinn¬
schichten, aus deren Durcheinanderspiel sich der Bau und die Uni¬
versalität der Metaphysik zusammensetzen. Denn ihr dient zur
Grundlage eine kaum zu überbietende Fülle von Triebkräften, die
ihr aus allen Quellgebieten des Seelenlebens und von allen Feldern
der geschichtlichen Kultur ununterbrochen Zuströmen. Und daraus
geht eine Vielzahl von Wertgebilden und Sinnformen hervor, die
dem Begriff und Wesen der Metaphysik jene außerordentlich hohe
Verwickeltheit verleihen.
Wir wollen den folgenden Ausführungen eine gedrängte Ver¬
gegenwärtigung dieser Sinnformen und Wertgebilde vorausschicken.