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So schon in der ganzen pisanischen Skulptorenschule. Nur der weiße
Marmor fordert zu beständiger Veredlung der Formen auf, nur er
konnte mit den antiken Marmorsachen in Wetteifer treten.
Andere Steingattungen, gebrannter Ton (auch mit Glasierung),
Stukko, Erz, edle Metalle, Holz und selbst dekorative Malerei empfan¬
den nur wohltätige Folgen von der Führerschaft dieses unvergleich¬
lichen Stoffes.
Im stärksten Gegensatz hiezu ist der spätgotische Dekorationsstil
des Norden wesentlich Holzschnitzerei, auch wenn die Ausführung in
Stein geschieht und wenn die Formen alle ursprünglich vom Stein ab¬
geleitet sind.
§ H4
Die Arabeske
Wenn auch jede Gattung ihr eigenes Gesetz hat und wenn selbst jedes
einzelne Werk'von höherer Bedeutung einen besondern Maßstab des Ur¬
teils verlangt, so wird doch die Erkenntnis der Geschichte des Ornamen¬
tes sich speziell an das in Stein, zumal in Marmor Gemeißelte halten müs¬
sen, und innerhalb desselben vorzüglich an die Arabeske.
Rabeschi im engem Sinne sind nur die aufsteigenden Füllungszier¬
arten der Pilaster, wie aus dem Zusammenhang bei Lomazzo, trattato
deW arte,p. 421 (vgl. § 137) hervorgeht, wo sie von den Friesen (fregi)
unterschieden werden. Doch bezeichnen schon die Italiener damit jede
Art von ausfüllendem, zusammenhängendem Zierart, von Verherr¬
lichung der Fläche.
Die Aufgabe war: die mehr idealen oder mehr realen Pflanzen sowohl
in betreff der Blätter als der Verschlingungen und Windungen edel zu
bilden, sie mit belebten sowohl als leblosen Gegenständen richtig zu
vermischen, oder wenn das Grundmotiv statt einer Pflanze mehr eine
Trophäe ist, dieselbe aus schönen und unter sich anmutig zusammen¬
hängenden Gegenständen zu komponieren.
Die Pflanzen, die idealen, meist dem Akanthus und dem Weinlaub
sich nähernd, die realistischen, allen möglichen Blättern und Früchten
nachgebildet, beginnen unten gerne mit einem Kandelaberfuß oder Ge¬
fäß, ja bisweilen bildet der Kandelaber mit Zwischenschalen und andern
reichen Absätzen bis oben den Stamm, um welchen die Blätter spielen.
An Kirchenpforten erklärt sich das Gefäß als ideales Nachbild der
Wassereimer, in welchen die bei Festen an die Türpfosten gelehnten
Baumzweige zu stehen pflegen. Nistende und pickende Vögel beleben
oft das Ganze. (Benv. Cellini I, 31 bemerkt, daß in der lombardischen
Dekoration Epheu und Zaunrübe, in der toscanischen und römischen
der Bärenklau, d. h. der Akanthus herrsche.)
Die mehr trophäenartigen Arabesken bestehen zum Teil aus Waffen,
die an einem Stabe befestigt sind (so vorherrschend an den Türpfosten
im Pal. von Urbino), meist aber aus einer originellen Mischung aller