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Das Unbelebte und das Lebendige
sehr unbestimmtem Sinne Materie nennen mag, wird es
zwar unseres Erachtens nicht angehen, und das geben
auch manche Physiker, obschon es heute nicht gerade
„modern“ ist, zu. Letzthin nämlich gibt es eben doch Be¬
wegung in der Welt; und Bewegung setzt logisch etwas
voraus, was sich bewegt und dabei doch der Beschaffen¬
heit nach gleich bleibt. Reden wir also ruhig von einer
Materie, welche in Atome zerfällt.
Diese Welt der materiellen Atome ist nun aber auch
noch „Erscheinung“, und nur bestimmte Seiten an ihr
sind in mehr als bloß erscheinungshafter Art von der Wis¬
senschaft erfaßt: nämlich alle ihre quantitativen, zahlen¬
mäßigen Beziehungen. Denn diese bilden einen Teil
ihrer formalen Mannigfaltigkeit, und von dieser neh¬
men wir ja an (S. 35 ff.), daß sie so erfaßt werde, „wie sie
ist“. Wohlverstanden: nur die zahlenmäßigen Beziehun¬
gen im Rahmen des Materiellen gehören hierher, selbst¬
verständlich nicht die absoluten Zahlen der Physik und
Chemie, die ja übrigens stets auf eine willkürlich an¬
genommene Einheit bezogen werden; man denke an das
Gramm und den „Grad“ des Thermometers.
Also manches an der Materie wird erfaßt, wie es ist.
Das Raumhafte, d. h. das „Im-Raume-Sein“, das „Aus¬
gedehntsein“ als solches aber ist in seiner sinnlichen
Ausprägung noch Erscheinung. Es mag sein, daß ihm ein
wirklicher „Raum“ der Qualität nach entspricht, es mag
aber auch anders sein. Das können wir gar nicht wissen.
Was wir wissen, ist nur, daß das, was dem erfahrbaren
Raum im Wirklichen entspricht, drei Dimensionen im
allgemeinsten Sinne des Wortes besitzt und, was für den
mathematischen Leser beigefügt sein mag, daß es ohne
„Krümmung“, also „euklidisch“ ist — (womit die so¬
genannte allgemeine Relativitätstheorie Einsteins, wenn
sie mehr als eine bloß schemenhaft mathematische For¬
mulierung sein will, fällt).
Wie steht es nun im einzelnen mit dieser Welt, die jeden¬
falls als atomistisch gebaute Materienwelt im Raume und
in der Zeit erscheint?