— Aber ich sehe unzählige Pfade und weiß von keinem, wohin er
führt. Die Wege sind schon vorgezeichnet, aber niemand kann mir
sagen, von wessen Hand. Manchmal stehen Wegzeiger da, die ich
zuerst nicht recht entziffern kann; habe ich sie dann entziffert, so
geben sie mir nur die Namen unbekannter Orte an. Ich kann doch
nicht losmarschieren, ohne zu wissen, wohin ich gehe.
— Geh nur vorwärts! Steht es dir nicht frei, zu tun, was du willst?
Du setzt dich in Marsch und wohin du auch gehst, bist du ein
freier Mensch.
— Ich frage dich, wohin ich gehen soll, und du antwortest mir: geh,
wohin du willst. Ist das vielleicht eine Antwort auf meine Frage?
Ist deine Freiheit nicht völlig absurd? Die wahre Freiheit besteht
darin, daß man fragt, was man tun muß. Das ist eine Frage, auf
die es nur eine Antwort geben kann: du mußt.
Aber wer kann mir sagen, was ich tun muß? Die Antwort kann
nicht von mir kommen. Denn jetzt, da ich von der Welt bin, gehöre
ich mir nicht mehr, ich bin nicht mehr mein; da ich nicht mehr bei
mir bin, bin ich nicht mehr. In deiner Welt gibt es alles, nur mich
nicht.
Der Grund dafür ist, daß ich nicht in dieser Welt geboren bin.
Niemand wird außerhalb seiner geboren. Ich bin ein Fremder und
kenne die Gesetze des Landes nicht. Wie soll ich wissen, was alles
bedeuten soll?
Aber daß alles etwas bedeutet, daran kann ich keinen Zweifel
haben. Überall schon vorgezeichnete Wege, überall Städte und
Dörfer, überall Häuser mit ihren Türen und Fenstern. Überall
Leute, die irgendwohin unterwegs sind und ihres Weges gehen,
ohne je zu zögern oder den Schritt zu verhalten.
Es muß also irgendwo einen Plan des Ganzen geben. Es muß ein
Gesetz geben, das alle diese Dinge regelt. Wie lautet dieses Gesetz,
daß ich mich daran halten kann? Wenn ich das wüßte, wäre alles
gut und ich wäre nicht mehr einem ungewissen Schicksal ausge¬
liefert. Ich wäre wie die andern, die mit festem Schritt geradeaus
ihres Weges gehen. Da ich dann wie sie wäre, würde mich niemand
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