an der Saar
vom Vorßand des
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Cöllt 1910
Cÿrifitidjer Qewerkftbaffsverlag, öiniradjißraße M7
Zur Lage der Arbeiter
im staatlichen Bergbau
an der Saar
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A/r. <0.000.075
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schule zu
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HUCKEN.
Denkschrift
vom Vorstand des
Gewerkvereins christlicher
Bergarbeiter Deutschlands
Cöln 1010
Christlicher Gewerkschaftsverlag, Eintrachtstrasse 147
MV
Seite
Einleitung........................................................................ 3
Zur Geschichte des Bergbaues im Saar-Revier und seiner Arbeiterverhältnisse ... 4
Die Entwicklung der Bergarbeiterlöhne auf den staatlichen Gruben im Saar-Revier
in den letzten Jahrzehnten................................................... 9
Ist die Leistung der Bergarbeiter auf den Staatsgruben an der Saar zurück-
gegangen? . .................................................................. 18
Die Rentabilität des staatlichen Bergbaues an der Saar................................35
Die Strafe der vorübergehenden Ablegung für eine kürzere oder längere Zeit ... .44
Verlegungen der Arbeiter zu weit von ihren Wohnorten entfernten Gruben ..... 45
Familienkrankenkassen............................................................... 46
Schlusswort....................................................................... 47
(Einleitung.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde in den Parlamenten sehr häufig
der Staatsbergbau und die Arbeiterverhältnisse in ihm einer Besprechung unter-
zogen. Nicht nur bei den alljährlich erforderlich werdenden Etatsberatungen
im hohen Hause der Abgeordneten, sondern auch bei anderen Gelegenheiten.
Ganz natürlich. Der im Besitze des preußischen Staates sich befindende Bergbau
hat eine große Bedeutung für unsere Volkswirtschaft. Wurden doch im Berg-
werksbetrieb des preußischen Staates im, Jahre 1908 89 723 Mann beschäftigt
und betrug der Gesamtwert der gewonnenen Produkte 244 218 764 Mark. Es
entfielen auf die
Art der Werke Zahl der Arbeiter Produktion in Tonnen Wert der Produktion in Mark
Steinkohlenbergwerke 83 391 19 080 126 224 415 068
Braunkohlenwerke 533 401 240 1 257 497
Eisenbergiverke 587 58 885 703 424
Sonstige Erzbergwerke 3 361 114 797 10 614 419
Salzwerke 1 851 561 212 7 228 356
Der Kohlenbergbau des Staates hat für unser Staatswesen aber auch
eine erhöhte Bedeutung, weil er dem Staat bezw. den kohlenverbrauchenden Staats-
betrieben eine gewisse Unabhängigkeit vom Privatbergbau verschafft und ferner
dem, Staat eine gewisse direkte oder indirekte Beeinflussung der Privatindustrie
ermöglicht. Durch einen eigenen genügend großen Grubenbesitz kann der Staat
ungesunden Monopolbestrebungen der Privatindustrie entgegenwirken, deren
Preispolitik beeinflussen usw. Nicht zuletzt aus diesem Grunde war der Staat
ja im letzten Jahrzehnt bemüht, seinen Besitzstand noch zu vergrößern.
Auch für unsere Staatsfinanzen ist der Bergbau des Staates von nicht
zu unterschätzender Bedeutung. Besondere Beachtung verdient dann auch der
Bergbau des Staates wegen seiner Bedeutung für die dabei beteiligten Beamten
lind Arbeiter, deren Angehörige und auch die nur indirekt von ihm abhängigen
oder beeinflußten Bevölkerungsgruppen. Zählen doch die im Staatsbergbau in
Preußen beschäftigten Personen mit ihren Angehörigen nach Hunderttausenden.
Dazu kommen die Kreise, die wieder indirekt hiervon ihren Unterhalt beziehen.
Aus den verschiedensten Gründen verdient der Staatsbergbau im Saar-
revier eine besondere Beachtung. In einem geschlossenen Revier xverden hier
vom Staat über 50 000 Personen beschäftigt. Dem Staat ist hier Gelegenheit ge-
boten zu zeigen, was er als Produzent, Händler und Arbeitgeber zu leisten im-
stande ist. Er kann hier für einige Hunderttausend Angehöi'ige des Volkes
gute Verhältnisse schaffen und außerdem, soivohl in technischer wie sozialpoli-
tischer Beziehung im Interesse der Arbeiter und der Allgemeinheit wünschens-
wert erscheinende Versuche machen. Das ist auch vielfach geschehen und seien,
um das Verständnis für die nachfolgenden Wünsche zu erleichtern, einige Worte
angeführt.
Bedeutung dev
Staatsbergbaues.
Bedeutung des
Staatsbergbaues
im Saarrevier.
— 3
Entwicklung des
Staatsbergbaues
im Saarrevier.
*-1 rbeiterverhält -
niss einheitlich
geregelt.
Geivinnung und
U nterbringung
der A rbeitskräfte.
Zur Qeschichte des ^Bergbaues im Saarrevier
und seiner ZLrbeiterverhältnisse.
Der Steinkohlenbergbau des Saargebiets hat trotz seines Alters erst ver-
hältnismäßig spät eine größere Bedeutung erlangt. Erst in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts begann hier eine planmäßige bergmännische Gewinnung
der Steinkohle, die sich aber bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Grenzen
des Kleinbetriebes hielt. Mit der Entstehung und Entwicklung der Eisenbahnen
und dem allgemeinen gewerblichen Aufschwung entwickelte sich dann der Sctar-
bergbau zu einer bedeutenden Großindustrie.
Ein besonderes Gepräge erhielt der Saarbergbau durch den Umstand,
daß für den ,, Hauptteil seines Gebietes die früheren Landesherren
kraft ihres Regalitätsrechtes die Steinkohle, unter Ausschließung der allgemeinen
Bergbaufreiheit, sich selbst Vorbehalten und auch seit der Mitte des 18. Jahr-
hunderts tatsächlich deren Gewinnung in eigene Hand genommen hatten. In-
folgedessen befindet sich denn auch heute noch der Saarbrücker Steinkohlen-
bergbau der Hauptsache nach in staatlichem Besitze und demgemäß unter ein-
heitlicher Leitung“ J ) Zum größten Teile gehören die Gruben dem preußischen
Staat, ein geringerer Teil dem bayrischen. Während der französischen Herr-
schaft (1793—1815) und unter Geltung der nach Beseitigung der Fremdherrschaft
auf dem linken Rheinufer bis 1865 in Kraft gebliebenen französischen Berg-
gesetzgebung sind aber auch mehrere Privatberechtigungen zur Gewinnung von
Steinkohlen erteilt. Eine größere Bedeutung erlangten von ihnen nur die 1804
verliehene Grube Hostenbach und erst in neuerer Zeit die Privatgruben auf lothrin-
gischem und bayrischem Gebiete. Die größte Bedeutung hat aber nach wie vor
unser Staatsbergbau. Seine Steinkohlenförderung betrug:
im Jahre 1820 101 337 Tonnen im Jahre 1880 5 211 389 Tonnen
„ „ 1840 382 453 „ „ „ 1900 9 397 253
„ „ 1860 1 955 961 „ „ „ 1909 11 063 637
Entsprechend der einheitlichen Leitung des Bergbaues im Saarrevier
sind hier seit langem die Arbeiterverhältnisse einheitlich geregelt. Schon vor der
Besitznahme des Saargebietes und seines Bergbaues durch Preußen. Unter
preußischer Verwaltung wurde die einheitliche Regelung der Arbeiterverhältnisse
beibehalten und weiter ausgebildet. Auch nach der Einführung der neueren
Berggesetzgebung blieb im staatlichen Bergbau alles recht eingehend reglementiert.
Besondere Schwierigkeiten machte der Verwaltung des Staatsbergbaues
an der Saar zeitweise die Gewinnung und Unterbringung der mit der Ausdehnung
des Bergbaues notwendig werdenden Arbeitskräfte. Die Zahl der im staatlichen
Bergbau an der Saar beschäftigten Arbeitskräfte stieg in folgender Weise:
Jahr A rbeiterzahl - ) Jahr Arbeiterzahl<i)
1820 847 1870 15 662
1830 1 245 1880 22 918
1840 2 489 1890 24 904
1850 4 580 1900 40 546
1860 12 159 1909 51 788
Das steigende Bedürfnis nach Arbeitskräften im Bergbau veranlaßte
die früher meist ackerbautreibende Bevölkerung des Saargebiets, sich immer mehr
dem Bergbau zuzuwenden. Die ansässige Bevölkerung konnte aber den steigenden
Bedarf an Arbeitskräften nicht decken und war deshalb die Bergbehörde mehrfach
1) A. Haßlacher: Der Steinkohlenbergbau des Preußischen Staates in der Um-
gebung von Saarbrücken. Berlin 1904, II. Teil, Einleitung.
2) Einschließlich der Aufsichtsbeamten.
4
gezwungen, sich um die Heranziehung von Arbeitskräften aus der weiteren Um-
gebung und aus anderen Bezirken und Ländern zu bemühen. Ganz besondere
Schwierigkeiten machte die Heranziehung der Arbeitskräfte in den 1850er
Jahren.
Die Unterbringung der angeworbenen Arbeitskräfte war ebenfalls nicht
leicht. Um den aus größerer Entfernung Zugezogenen Unterkunft zu verschaffen,
wurden bereits in den 1830er Jahren Schlafsäle in unmittelbarer Nähe der
Gruben errichtet. Damit die oft mit großen Kosten herangezogenen Arbeiter
dem Bergbau dauernd erhalten blieben, suchte die Bergbehörde sie ansässig zu
machen und wurden zu diesem Zwecke seit 1842 Baudarlehen aus der Knapp-
schaftskasse und aus staatlichen Mitteln gewährt.
Mit der Unterbringung der eingewanderten Arbeiter begnügte sich die
Bergbehörde aber nicht. ,,Die zuwandernde Arbeiterschaft setzte sich aus den
verschiedensten Elementen zusammen. Es befanden sich darunter Bayern,
Hannoveraner, Sachsen, Nassauer, Franzosen und Böhmen. Es war eine Masse
ohne Tradition und ohne anderes Interesse, als das der Ausbeutung der Verdienst-
gelegenheit“.1) In dieser zum Teil recht tief stehenden Masse mußten nun ein
besonderes Standesgefühl, der Geist korporativer Zusammengehörigkeit und. die
wünschenswerten Standestugenden entwickelt werden. Die Bergbehörde suchte
das einerseits durch eine gewisse weitgehende Fürsorge für die Arbeiter und
andererseits durch Einführung einer strengen Disziplin und zum Teil außer-
ordentlich weitgehenden Disziplinarstrafen zu erzielen. Sie wollte die Arbeiter
wirtschaftlich und sittlich heben und gleichzeitig eine geduldige und unterwür-
fige Arbeiterschaft erziehen. Als Mittel hierzu dienten: Einführung des berg-
männischen Grußes und bergmännischer Kleidung, Errichtung bergmännischer
Musikkorps, Veranstaltung von Bergfesten, Förderung der Bildung berg-
männischer und patriotischer Vereine, Hebung und weiterer Ausbau der von der
Knappschaftskasse seit langem geförderten Schulen, Einrichtung von Biblio-
theken, Förderung des Genossenschaftswesens und des Spartriebes bei den Berg-
leuten, Erlaß von Vorschriften über das Verhalten der Bergleute (auch außerhalb
der Gruben), Einführung strenger Disziplinarstrafen und die Herausgabe eines
Wochenblattes ,,Der Bergmannsfreund“. Auch die zur Ansässigmachung der
Arbeiter dienenden Bauprämien sollten dem genannten Zwecke dienen. Die
Gewährung von Bauprämien erfolgte von Anfang an in der Erkenntnis der
Zweckmäßigkeit der Vermehrung ,, eines tüchtigen und angesessenen Arbeiter-
standes, der durch sein Eigentum an der Gegend und dadurch an der Gruben-
arbeit gebunden ist.“1 2)
Eine besondere Erwähnung verdienen hier noch die Disziplinarstrafen.
Sie waren außerordentlich reichhaltig und sehr scharf. Schon das Straf regiement
vom 20. März 18203) wies 26 Paragraphen auf, die Strafordnung vom 5. Februar
1842*) hat gar 46 Paragraphen. Als Strafen waren vorgesehen: Geldstrafen,
zeitweise Versetzung in eine geringere Arbeitsklasse, Verlegung auf eine ent-
fernte Grube oder in ein entferntes Revier, und zeitweilige oder dauernde Ab-
legung. Besonders die Verlegung auf entfernte Gruben oder in entfernte Reviere
und die zeitweilige Ablegung waren von den ansässigen Bergleuten sehr gefürchtete
Strafen. Wurden doch durch die Verlegung die Arbeiter oft für lange Zeit außer-
ordentlich schwer geschädigt. Sie mußten weitere Wege und vielfach Bahnfahrten
1) Von Brand: Zur sozialen Entwicklung im Saargebiet. Leipzig 1904. S. 20.
2) Bergaml an das Finanzministerium. Siehe von Brandt: Zur sozialen Entwick-
lung usiv. S. 21.
J) E. Müller: Der Steinkohlenbergbau usiv. V. Teil. S. 150 f.
A) Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 1. S. 250 f.
Erziehung der
Arbeiter.
Disziplinar-
strafen.
5
Gesamtlage der
Bergarbeiter
im Saarrevier.
zur Arbeitsstelle machen, was mit Mühe, Zeit und Kosten verknüpft war. Auch
das Familienleben litt darunter außerordentlich, besonders wenn es dem Mann
unmöglich gemacht war, täglich nach Hause zu fahren. Ebenso war auch die
zeitweilige Ablegung eine sehr empfindliche Strafe, die sehr häufig für Tage,
Wochen oder Monate erfolgte. Der Verdienstausfall brachte die Arbeiterfamilien
in Not. Es war unter Benutzung dieses Disziplinarmittels gar nicht schwer,
einzelne Familien wirtschaftlich vollständig zu ruinieren. Wenn Beamte Arbeiter,
die ihnen untergeben waren, drücken wollten, so waren diese geliefert. Daran
änderte auch das Beschwerderecht nichts. In der Regel glaubte man den Beamten
doch mehr wie den Arbeitern. Selbst bei vorsichtiger Handhabung waren die
genannten Strafen Mittel, um eine geduldige und unterwürfige Arbeiterschaft
zu erziehen.
Die Lage der Arbeiter im staatlichen Bergbau an der Saar war nicht
immer gut; die Arbeiter hatten hier bei dem unter einheitlicher Leitung stehenden
Bergbau noch weniger Einfluß auf die Gestaltung des Arbeitsvertrages wie in
den Privatbetrieben. Auch mußten die Arbeiter der Staatsgruben früher ebenso
wie die in Privatbetrieben unter den Folgen schlechter Konjunkturen leiden.
So z. B., als dem schwindelhaften Aufschwung der Industrie nach dem Kriege
von 1870 ein starker Rückschlag folgte und allenthalben ein Überfluß an Arbeits-
kräften vorhanden war.
Als ein Mittel, um Handel und Industrie zu heben, empfahl damals
der preußische Finanzminister Camphausen im Jahre 1875 die Herabsetzung
der Arbeitslöhne. Dieser Rat fand Anklang sowohl bei der Privatindustrie als
auch bei dem Minister für Handel und Gewerbe Achenbach. Dieser erließ an
die ihm unterstellten fiskalischen Grubenverwaltungen folgendes Rundschreiben :x)
,,Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, daß bei den anhaltend rück-
gängigen Konjukturcn im Bergwerks- usw. Betriebe für die Verwaltungen der fiskalischen
Werke die Notwendigkeit vorliegt, auf die Ermäßigung der Selbstkosten hinzuwirken. Es
bedarf zu diesem Zwecke auch einer allmählichen Herabsetzung der Löhne, insbesondere
der Gedingsätze, sowie einer Erhöhung der Arbeitsleistungen. Tatsächlich sind die letzteren
gegen früher nicht unwesentlich zurückgeblieben, und gerade in den letzten Jahren, wo die
Löhne der Arbeiter eine unverhältnismäßige Steigerung erfahren hüben, sind die Leistungen
der Arbeiter fast ausnahmslos noch geringer ausgefallen. Dieses Mißverhältnis machte sich
in den Jahren 1873 und teilweise auch 1874 weniger geltend, weil die fiskalischen Werke
bei dem hohen Preise ihrer Produkte und Fabrikate und bei den günstigen Absatzverhält-
nissen trotzdem gute finanzielle Resultate zu erzielen vermochten; es stört indessen gegen-
wärtig das Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und Ausgaben und es muß Vorsorge
getroffen werden, daß die Bergwerksverwaltung auch unter den weniger günstigen Verhält-
nissen angemessene Überschüsse erzielt. Es kommt, um dieses Ziel zu erreichen, weniger
auf eine allgemeine Herabsetzung der Arbeitslöhne, als vielmehr darauf an, daß die Arbeits-
leistungen gesteigert werden, wozu in der Ermäßigung der Gedinge ein entsprechender Hebel
zu finden ist. Es wird dabei dem fleißigen Arbeiter Gelegenheit geboten, bei größerer Leistung
sich den gleichen Erwerb wie früher zu verschaffen, so daß die weniger eifrigen Arbeiter
es sich selbst zuzuschreiben haben würden, wenn eine Schmälerung ihres Verdienstes eintritt.
Die Direktoren der Staatswerke werden zwar, wie ich voraussetze, schon bisher bestrebt
gewesen sein, nach dieser Richtung hin das fiskalische Jnteresse zugleich auch mit Rücksicht
auf das Wohl der Arbeiter (7) wahrzunehmen; nichtsdestoweniger halte ich es für angezeigt,
die Erwartung auszusprechen, daß auf die Ermäßigung der Selbstkosten hingewirkt werde.
In den von den Werksverwaltungen für das erste Quartal d. J. zu erstattenden Betriebsbe-
richten erwarte ich Anzeige usw. gez. Achenbach!1
,,Heruntersetzung der Löhne und Erhöhung der Leistungendas war
das Rezept, um den ,,Nationalivohlstand“ zu heben.
1) Christlich-soziale Blätter 1875. S. 440 f.
— 6' —
Professor Brentano machte die Auslassungen der Minister zum Gegen-
stand einer für diesen geradezu vernichtenden KritikJ) Er zeigte, daß zwar stets
das interessierte Vorurteil kurzsichtiger Arbeitgeber behauptet habe, Lohner-
höhungen führten zur Verminderung der Leistungen der Arbeiter, daß hiergegen
aber die Volkswirtschaftswissenschaft immer Protest erhoben habe. Ein hoher
Lohn vermehre den Fleiß der großen Masse. Darm seien sich zahlreiche volks-
wirtschaftliche Theoretiker einig und die vorurteilsfreieren Männer der Praxis
bestätigen diese Lehre der Theoretiker. Brentano zeigt dann auf der Grundlage
statistischer Beobachtungen, daß die ministeriellen Ansichten unbegründet und
verkehrt sind. Brentano stellte die Sätze auf: 1. als regelmäßige Folge eines
höheren Lohnes ergibt sich stets eine erhöhte Arbeitstüchtigkeit und 2. mit einer
allgemeinen Verkürzung des Arbeitstages geht eine Steigerung der Leistungen
Hand in Hand, wobei als selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß die Ver-
kürzung der Arbeitszeit eine untere Grenze hat, die für jede Branche der Arbeits-
tätigkeit 'praktisch zu finden ist. Der Herr Handelsminister suchte nachträglich
den Beweis für seine Behauptungen, die Arbeitsleistungen der Bergarbeiter
seien infolge oder mindestens im Zusammenhänge mit der allgemeinen Lohn-
steigerung zurückgegangen, im XXIII. Bande der offiziellen ,,Zeitschrift für
Berg-, Hütten- und Salinen-Wesen im, preußischen Staateil zu liefern. Brentano
zeigte aber, daß nicht die amtliche Zeitschrift, sondern er recht habe.
Den Arbeitern auf den Staatsgruben nützte das allerdings nicht viel.
Die Lohnpolitik der Bergwerksverwaltung schloß sich ebenso wie die in der
Primtindustrie ,,eng an die jeweiligen Absatzverhältnisse an und umrde auf
das einschneidenste von ihnen beeinflußt11,.1 2) Man zahlte auch auf den Staats-
gruben damals nicht mehr als man mußte, um Arbeitskräfte zu erhalten. Während
der Hochkonjunktur zu Beginn der 1870er Jahre stiegen die Löhne recht erheblich,
sie folgten aber ,,nicht annähernd den hohen Kohlenpi" eisen.3)“ Nach Eintritt
der Krise umrde dann auf ministerielle Anweisung sofort eine erhebliche Herab-
setzung der Löhne vorgenommen. Sie hielten sich dann bis gegen Ende der 1880er
Jahre auf einer mäßigen Höhe. Es betrug der Lohn der eigentlichen Gruben-
arbeiter (Hauer und Lehrhauer) einschließlich der Gefälle und Abzüge für Öl A)
im Jahre 1870 pro Schicht 2,64 Mark pro Jahr 719,19 Mark
99 99 1874 99 9 9 3,58 „ 99 99 962,89 „
99 9 9 1880 99 99 3,10 „ 99 99 856,78 „
99 99 1885 99 9 9 3,24 „ 99 99 878,02 „
99 99 1888 99 99 3,31 „ 99 99 893,92 „
Nach Eintritt der wirtschaftlichen Krise in den 1870er Jahren wurde
aber nicht nur der Lohn der Saarbergleute reduziert, es wurden auch die sonstigen
Arbeitsbedingungen zum Teil erheblich verschlechtert. Die Bestimmungen der
Arbeitsordnung vom 15. September 1866 wurden durch die Einführung einer
Arbeitsordnung vom 6. August 1877 in manchen Punkten abgeändert und eine
in der erstgenannten eingeführte Kündigungsfrist von 4 Wochen für unständige
und von 3 Monaten für ständige Bergleute (diese selbst konnten jedoch mit
4 Wochen kündigen) auf 14 Tage herabgesetzt. Die lange Kündigungsfrist hatte
sich ,,als schwer durchführbar erwiesen und war auch nicht geeignet, einen heil-
samen Druck in disziplinärer Hinsicht auszuüben“ b) Zahlreiche Arbeiter wurden
auch beurlaubt oder entlassen.
1) Brentano: Über das Verhältnis von Arbeitslohn und Arbeitszeit zur Arbeits-
leistung. Leipzig, Dunker & Humblot.
2) E. Müller: Der Steinkohlenbergbau usw. VI. Teil. S. 44.
3) Minister Dellbrück im Preuß. Abgeordnetenhause am 2. Mai 1907 (1)8. Sitzung).
*) E. Müller: Der Steinkohlenbergbau usw. VI. Teil. S. 154.
!') E. Müller: Der Steinkohlenbergbau usw. VI. Teil. S. 42.
— 7 —
Im Saarbergbau
vor 1889
herrschende Miß-
stände.
Bergarbeiter-
streiks von 1889
und den
folgenden Jahren
Behandlung
der A rbeiter seit
1893.
Es bildeten sich dann unter dem Drucke der schlechten wirtschaftlichen
Verhältnisse und einer wenig sozialen Leitung des Saarbergbaues manche Miß-
stände aus, die die bedenklichsten Folgen für die Arbeiter hatten und auch dem
Staate als Arbeitgeber einen großen Schaden zufügten. So in Bezug auf die Ar-
beitszeit,1) die Gedingefestsetzung und das Strafwesen.1 2) Das Beschwerderecht
der Bergleute war in der Praxis derart eingeschränkt, daß davon stellenweise
keine Rede mehr sein konnte. So war nachgewiesenermaßen jedem, der sich direkt
beim Direktor beschwerte, durch Anschlag eine Geldstrafe von 6 Mark oder 8 Tage
Ablegung angedroht. Wer sich gegen einen Vorgesetzten beschwerte, setzte sich der
Gefahr aus, auf das Schlimmste bedrückt oder ganz abgelegt zu werden}) Es
bildete sich ein widriges Denunziantenwesen heraus. Weiter waren Durchsteche-
reien die Folgen des herrschenden Systems. Manche Beamte nahmen Geld-
geschenke von den Bergleuten, oder beschäftigten Arbeiter für sich und hielten
sie auf Kosten des Fiskus schadlos. Dadurch wurde der Fiskus nicht nur direkt
sondern auch indirekt schwer geschädigt, weil er einerseits für Arbeiten zahlen
mußte, die nicht für ihn geleistet waren und andererseits auch die Leistung durch
das Schmiersystem ungünstig beeinflußt wurde.
Der große Bergarbeiterausstand von 1889 hatte dann eine Revision und
weitgehende Verbesserung der Arbeiterverhältnisse im Saarrevier zur Folge.
Die zu Tage getretenen Mißstände suchte man zu beseitigen und die Löhne
erfuhren eine recht ansehnliche Erhöhung. Weitergehende Wünsche der Ar-
beiter, ein als Folge des bisherigen Druckes auf die Arbeiter natürlicher unge-
sunder Radikalismus und insbesondere die Unklugheit der Mehrheit der Führer
der im Jahre 1889 gebildeten Bergarbeiter-Organisation im Saarrevier sowie
auch manche nicht zu leugnende Fehler der Bergverwaltung führten dann in
den folgenden Jahren zu einigen weiteren Teilausständen. Sie hatten die Ab-
legung eines Teiles der in Betracht kommenden Arbeiter zur Folge. Der 1889
gebildete Rechtsschutzverein der Saarbergleute ging hauptsächlich infolge der
Unklugheit und der Fehler seiner Führer und des Abschwenkens derselben in
das sozialdemokratische Lager im, Jahre 1893 ein.
Seit dieser Zeit umrden die Saarbergleute mit eiserner Strenge regiert.
Mehr noch wie früher ward jede selbständige Regung unterdrückt, jeder Versuch
der Auflehnung streng geahndet. Eine gewerkschaftliche Organisation wurde
über ein Jahrzehnt lang nicht geduldet. Die nach dem Streik von 1889 einge-
führten Arbeiterausschüsse hatten nur eine theoretische Bedeutung, die Aus-
schußmitglieder durften es gar nicht wagen, ihren Posten gut auszufüllen.
Abweichend von früher war die von der Bergverwaltung betätigte Lohnpolitik.
Während man bisher sich damit eng an die jeweilige Konjunktur anlehnte,
wurde, jetzt für eine längere Zeit eine stetige Lohnpolitik verfolgt. Die
staatliche Bergverwältung ließ bei aufsteigender Konjunktur weder ein schnelles
bedeutendes Steigen der löhne zu, noch bei niedergehender Konjunktur ein ent-
sprechendes Sinken. Wie die Arbeiter hierbei fuhren, sei an anderer Stelle gezeigt.
Das im Saarrevier herrschende System hatte wiederum recht üble Folgen,
die allerdings sich erst voll zeigten, als das System zusammengebrochen war.
Ebenso ivie vor 1889 übte das herrschende System einen ungünstigen Einfluß
auf den Charakter vieler Beteiligten aus, ebenso wie damals fand auch wieder
das Schmiersystem Eingang. Es kamen Durchstechereien in außerordentlich
1 ) E. Müller : Ebenda. S. 4g j. und amtliche ,,Denkschrift über die, Untersuchung
der Arbeiter- und Betriebsverhältnisse in den Steinkohlenbezirken". Berlin 1890.
2) Denkschrift über die Untersuchung usw. und Imbusch : Arbeitsverhältnis und
Arbeiterorganisationen im deutschen Bergbau. Essen 1908. S. 87 u. 367 f.
J) Imbusch : Arbeitsverhältnis usw. S. 367 f.
— 8 —
großem Maße vor. Die in den letzten Jahren dieserhalh geführten Prozesse
zeigten dieses recht deutlich, wenn sie auch noch keine volle Klarheit über den
Umfang der geübten Betrügereien brachten.
In den letzten Jahren paßte sich die Haltung der Bergverwaltung gegen-
über den Arbeitern mehr wie früher den heutigen modernen Zeitströmungen
an. Es wurde den Saarbergleuten der Anschluß an eine auf nationalem Boden
stehende Organisation nicht mehr verboten. Allerdings konnte sich mancher Be-
amte schlecht mit dieser Taktik befreunden und fand die Organisation deshalb
doch 7ioch manche Hindernisse. Die ganze Entwicklung der Saargruben, deren
angeblich mangelnde Rentabilität und der Wunsch nach einer besseren Ver-
zinsung des im Staatsbergbau steckenden Kapitals hatten zur Folge, daß die
Höhe des Lohnes nicht mehr so ist, wie sie im Interesse der Arbeiter und. der
Allgemeinheit gewünscht werden muß.
¿Die (Entwicklung der ¿Bergarbeiterlöhne auf den staatlichen Qruben
im Saarrevier in den letzten Jahrzehnten.
Um ein sachlich ja nicht zu Gunsten der Arbeiter gefärbtes Bild zu zeichnen,
wollen wir mit einem Jahre mit schlechter Konjunktur und niedrigen Löhnen
beginnen. Die durchschnittlichen Nettolöhne sämtlicher Arbeiter auf den staat-
lichen Gruben im Saarrevier betrugen:
Entwicklung der
Löhne aller
Saarhergleute
seit 1888.
Jahr pro Schicht Mark pro Jahr Mark Jahr pro Schicht Mark pro Jahr Mark
1888 2,92 842 1899 3,46 1019
1889 3,24 933 1900 3,56 1044
1890 3,79 1114 1901 3,54 1042
1891 3,89 1137 1902 3,57 1053
1892 3,69 1042 1903 3,60 1068
1893 3,37 925 1904 3,71 1097
1894 3,24 921 1905 3,80 1114
1895 3,27 929 1906 3,88 1146
1896 3,28 966 1907 4,02 1185
1897 3,34 982 1908 4,04 1182
1898 3,40 1015 1909 3,96 1136
1910 im 1. Vierteljahr pro Schicht 3,94 Mark, pro Vierteljahr 274 Mark
„ „ „ „ 3,95 „ „ „ 272 „
„ 3. „ „ „ 3,97 „ „ „ 282 „
Die Entwicklung der Löhne in den letzten 20 Jahren kann, das zeigt
schon der erste Blick, als eine günstige nicht bezeichnet werden; die von der
Bergverwaltung nach der in den Jahren 1892/93 er folgten bedeutenden Herabsetzung
der Löhne beobachtete stetige Lohnpolitik war für die Arbeiter nicht sehr ein-
träglich. Nachdem in den Jahren 1892 bis 1894 eine erhebliche Herabsetzung
der Löhne vorgenommen war, konnte ja sehr leicht eine stetige Lohnpolitik bei-
behalten werden. Der Fiskus hatte den Hauptvorteil davon, denn der Lohn
war infolge dieser Politik stetig niedrig. 15 Jahre lang wurde der im Jahre 1891
durchschnittlich gezahlte Schichtlohn nicht wieder erreicht. Die Hochkonjunktur
zu Ende der 1890er Jahre brachte den Saarbergleuten nicht einmal annähernd
den Lohn, den sie in den Jahren 1890 und 1891 erhalten hatten. Erst bei der
Hochkonjunktur im Jahre 1906 wurde wiederum der Jahreslohn von 1891
erreicht. Er wurde aber nur für wenige Jahre beibehalten. Der Jahresdurch-
schnittslohn von 1909 ist schon um 1 Mark niedriger wie der von 1891. Im Jahre
— 9 —
Entwicklung der
Löhne für die
einzelnen
Arbeiterklassen.
1910 ist der Lolin der Saarbergleute dann weiter zurüclcgegangen. Er betrug
im ersten Halbjahr 1910 nur 546 Mark und wird der Jahreslohn für das laufende
Jahr, wenn das letzte Vierteljahr nicht eine Erhöhung bringt, sogar noch hinter
dem für das Jahr 1890 Zurückbleiben.
Die Entwicklung der Löhne für die einzelnen Arbeiterklassen ist aus
folgender Tabelle zu ersehen. Es betrug der Lohn für:
Jahr U nter beschäftigte Berga pro Schicht Mark Irdisch eigentliche rbeiter pro Jahr Mark Son unterirdisch Arb pro Schicht Mark stige beschäftigte eiter pro Jahr Mark Über Tage erwachsene Arb pro Schicht Mark beschäftigte männliche eiter pro Jahr Mark
1888 3,06 885 2,60 785 2,55 711
1889 3,44 976 2,87 879 2,70 798
1890 4,09 1180 3,23 1013 2,98 906
1891 4,21 1212 3,30 1018 3,01 908
1892 4,23 1167 2,96 868 2,98 869
1893 3,83 1021 2,78 794 2,84 812
1894 3,68 1020 2,65 791 2,79 810
1895 3,70 1030 2,69 796 2,80 826
1896 3,73 1079 2,67 821 2,76 826
1897 3,80 1101 2,69 838 2,77 820
1898 3,90 1146 2,70 855 2,82 839
1899 3,99 1158 2,72 842 2,86 846
1900 4,11 1193 2,83 837 3,00 921
1901 4,09 1191 2,89 855 3,01 929
1902 4,07 1189 2,93 869 3,01 929
1903 4,12 1213 2,94 878 3,04 938
1904 4 92 1230 3,05 911 3,16 988
1905 4,29 1239 3,16 938 3,26 1010
1906 4,40 1283 3,21 960 3,36 1047
1907 • 4,57 1330 3,42 1018 3,53 1094
1908 4,63 1333 3,64 1076 3,59 1104
1909 4,51 1273 3,65 1056 3,59 1085
1910 1. Viertelj. 4,46 3,65 3,60
2. Viertelj. 4,47 3,66 3,60
3. Viertelj. 4,49 3,68 3,58
Auch diese Tabelle zeigt, daß die Entwicklung des Lohnes im Saarbergbau
keine sehr günstige war. Sie läßt die Lohnentwicklung aber noch günstiger
erscheinen, wie sie in Wirklichkeit war. Es darf nämlich nicht übersehen werden,
daß der Anteil der Klasse A (unterirdisch beschäftigte eigentliche Bergarbeiter)
an der Gesamtbelegschaft wesentlich zurückgegangen ist. Im Saarbergbau zählten
im Durchschnitt von 100 Belegschaftsmitgliedern zur Klasse A: im Jahre 1888
71,1 und im Jahre 1909 nur noch 48,2. Der Anteil dieser am höchsten entlohnten
Klasse an der Gesamtbelegschaft ist also ganz bedeutend zurückgegangen.
Nicht vergessen werden darf dann, daß besonders in Klasse A ein erheb-
licher Teil der Arbeiter einen oft weit unter dem Durchschnitt stehenden Lohn
verdient. Das ist nicht immer eine Folge mangelnder Leistungsfähigkeit und
Leistungswilligkeit, sondern hat in der Regel seinen Grund in der Ungunst der
Arbeits- und Gedinge-Verhältnisse. So werden z. B. die Arbeiter, die infolge
eines erlittenen Unfalles eine kleine Rente beziehen, zu sogenannten Renten-
kameradschaften zusammengelegt und wird ihnen dann das Verdienen eines
höheren Tjohnes unmöglich gemacht.
10
Ein Vergleich der Löhne im staatlichen Bergbau an der Saar mit den Löh-
nen der Bergleute im Ruhr- und Wurmrevier ergibt auch kein für den staat-
lichen Bergbau günstiges Bild.
Jahr Durc im Sac pro Schicht Mk hschnit irrevier pro Jahr Mk. tslohn im C Dortr pro Schicht Mk. sämtl. >berb. nund pro Jahr Mk. Bergar bei A pro Schicht Mk. weiter achen pro Jahr Mk. Die Sc mehr die Ruh pro Schicht Mk mrberglei 4- oder rbergleute pro Jahr Mk. te erhielten also weniger — wie die Bergleute bei Aachen pro 1 pro Schicht Jahr Mk. 1 Mk.
1888 2,92 842 2,69 863 — — +0,33 —21,0 — —
1889 3,24 933 3,05 941 2,72 817 +0,19 — 8,0 +0,52 +116,0
1890 3,79 1114 3,49 1067 3,01 878 +0,30 + 47,0 +0,78 +236,0
1891 3,89 1137 3,54 1086 3,10 948 +0,35 + 51,d +0,79 +189,0
1892 3,69 1042 3,28 976 2,90 865 +0,41 + 06,0 +0,79 +177,0
1893 3,37 925 3,14 946 2,81 842 +0,23 - 21,0 +0,56 + 83,0
1894 3,24 921 3,16 961 2,81 848 +0,08 - 40,0 +0,43 + 73,0
1895 3,27 929 3,18 968 2,85 868 +0,09 — 39,0 +0,42 + 61,0
1896 3,28 966 3,29 1035 2,91 899 —0,01 - 69,0 +0,37 + 67,0
1897 3,34 982 3,57 1128 3,12 856 — 0,23 —146,0, +0,22 +126,0
1898 3,40 1015 3,74 1175 3,27 1007 —0,34 —160,0 +0,13 + 8,0
1899 3,46 1019 3,96 1255 3,45 1069 —0,50 —236,0 +0,01 — 50,0
1900 3,56 1044 4,18 1332 3,85 1194 —0,62 —288,o\ —0,29 —150,0
1901 3,54 1042 4,07 1224 3,78 1162 —0,53 —182,0 —0,24 — 20,0
1902 3,57 1053 3,82 1131 3,71 1119 —0,25 - 78,0 —0,14 — 66,0
1903 3,60 1068 3,88 1205 3,79 1151 —0,28 —137,0 —0,19 — 83,0
1904 3,71 1097 3,98 1208 3,89 1169 —0,27 —111,0 —0,18 — 72,0
1905 3,80 1114 4,03 1186 4,08 1225 —0,23 — 72,0 —0,28 —111,0
1906 3,88 1146 4,37 1402 4,41 1354 —0,49 —256,0\ —0,53 —208,0
1907 4,02 1185 4,87 1562 4,64 1455 —0,85 —377,0 —0,62 —270,0
1908 4,04 1182 4,82 1494 4,58 1409 —0,78 —312,0 —0,54 —227,0
1909 3,96 1136 4,49 1350 4,45 1344 —0,53 —214,0 —0,49 —208,0
1910 1. Viertel]. 3,94 4,48 4,44 —0,54 —0,50
2. Viertel]. 3,95 4,51 4,46 —0,56 —0,49
3. Viertel]. 3,97 4,57 4,54 —0,60 —0,57
Der im Jahre 1909 gezahlte Durchschnittslohn war höher gegenüber 1889
(früher sind, die Zahlen aus dem Steinkohlenbergbau bei Aachen nicht zu haben):
im im Oberbergamtsbezirk bei
Saarrevier Dortmund Aachen
Schichtlohn .... . . . . 0,72 Mark 1,44 Mark 1,73 Mark
Jahreslohn .... . . . . 203,- „ 409,- „ 527 —
In Prozenten betrug die Steigerung des Lohnes von 1889 bis 1909:
im im Oberbergamtsbezirk bei
Saarrevier Dortmund Aachen
Schichtlohn .... . . . . 22,22 47,21 63,60
Jahreslohn .... . . . . 21,75 43,46 64,50
Im staatlichen Bergbau an der Saar bleibt die Steigerung des Lohnes
also ganz bedeutend hinter der in den anderen Revieren erfolgten Steigerung
zurück. Auch im Steinkohlenbergbau in Oberschlesien ist die Lohnsteigerung
prozentual bedeutend höher wie im Saarrevier. Es stieg dort von 1889 bis 1909
der Durchschnittschichtlohn von 2,03 Mk. auf 3,48 Mk., der Jahreslohn von
575 auf 986 Mk. Das ist eine Steigerung des Durchschnittsschichtlohnes von
1,45 Mk. oder 71,92 Prozent und eine Steigerung des durchschnittlichen
Jahreslohnes von 411 Mk. oder 71,47 Prozent. Das Zurückbleiben der Berg-
arbeiterlöhne an der Saar ist durch die Verhältnisse nicht gerechtfertigt.
Vergleich der
Löhne der
Saarbergleute
mit denen der
Ruhr- und
Wurmbergleute.
Vergleich der
Lohnsteigerung
in den
verschiedenen
Revieren.
11
Vergleich der
Lohnentwicklung
für Klasse A.
Ein Vergleich der Lohnentwicklung f ür die in der amtlichen Statistik
unter Klasse A geführten eigentlichen Bergarbeiter zeigt ebenso deutlich das
Zurückbleiben der Löhne im staatlichen Bergbau an der Saar.
Klasse A verdiente Die Klasse A erhielt also tmSaar-
Jahr im Saarrevier im Oberb. Dortmund bei Aachen revier mehr + oder weniger — wie XÄXIS II
pro Schicht Mk. pro Jahr ' Mk. pro Schicht Mk. pro Jahr Mk. pro Schicht Mk. pro Jahr Mk. pro Schicht Mk. pro Jahr Mk. < pro Schicht Mk. pro Jahr Mk.
1888 3,06 885 2,96 936 — — +0,10 - 51,0 — —
1889 3,44 976 3,42 1028 3,05 913 +0,02 — 52,0 +0,39 + 65,0
1890 4,09 1180 3,98 1183 3,42 991 +o,n - 3,0 +0,61 +189,0
1891 4,21 1212 4,08 1217 3,56 1062 +0,13 — 5,0 +0.65 +150,0
1892 4,23 1167 3,87 1120 3,28 951 +10.36 + 47,0 +0,95 +216,0
1893 3,83 1021 3,71 1084 3,18 920 +0,12 — 63,0 +0,65 +101,0
1894 3,68 1020 3,73 1102 3,15 925 —0,05 — 82,0 +0,53 + 95,0
1895 3,70 1030 3,75 1114 3,20 951 —0,05 — 83,0 +0,50 + 79,0
1896 .3,73 1079 3,90 1203 3,30 991 —0,17 —124,0 +0,43 + 88,0
1897 3,80 1101 4,32 1328 3,57 1068 —0,52 —227,0 +0,23 + 33,0
1898 3,90 1146 4,55 1387 3,74 1121 —0,65 —241,0 +0,16 + 25,0
1899 3,99 1158 4,84 1491 3,93 1185 —0,85 —333,0 +0,06 — 27,0
1900 4,11 1193 5,16 1592 4,45 1346 —1,05 —399,0 —0,35 —153,0
1901 4,09 1191 4,98 1447 4,34 1298 —0,89 —256,0 —0,25 —107,0
1902 4,07 1189 4,57 1314 4,22 1235 —0,50 —125,0 —0,15 — 46,0
1903 4,12 1213 4,64 1411 4,26 1265 —0,52 —198,0 —0,14 — 52,0
1904 4 22 1230 4,78 1415 4,39 1276 —0,56 —185,0 —0,17 — 46,0
1905 4,29 1239 4,84 1370 4,60 1339 -0,55 —131,0 —0,31 —100,0
1906 4,40 1283 5,29 1664 4,96 1484 —0,89 —381,0 —0,56 —201,0
1907 4,57 1330 5,98 1871 5,28 1599 -1,41 —541,0 —0,71 —269,0
1908 4,63 1333 5,86 1766 5,17 1532 —1,23 —433,0 —0,54 —199,0
1909 4,51 1273 5,33 1556 5,01 1456 —0,82 —283,0 —0,50 —183,0
1910 1. Viertelj. 4,46 5,29 5,00 —0,83 —0,54
2. Viertelj. 4,47 5,33 5,04 —0,86 —0,57
3. Viertelj. 4,49 5,40 5,15 —0,91 —0,66
Von der stetigen Lohnpolitik der Bergverwaltung hatten die Arbeiter,
wie die Tabellen zeigen, hauptsächlich den „Vorteil“, daß sie von den Zeiten der
Hochkonjunktur keinen wesentlichen Nutzen hatten. Die Löhne ivurden immer
auf einer recht bescheidenen Höhe gehalten. Sie entwickelten sich im Saarrevier
auch nicht annähernd, so günstig wie im Oberbergamtsbezirk Dortmund und bei
Aachen. Hierbei verdient besonders erwähnt zu iverden, daß auch im Ober-
bergamtsbezirk Dortmund staatliche Gruben sich befinden, deren Arbeiter an den
besseren Löhnen Teil hatten, obwohl die Gruben nicht wie im Saarrevier mit
Gewinn arbeiten, sondern Zubusse erfordern. Es ist ja wohl ganz schön, wenn auch
die Arbeiter ein sich möglichst gleichbleibendes Einkommen haben und nicht
plötzliche und erhebliche Schwankungen in der Einnahme der Arbeiterfamilien
Vorkommen. Notwendig ist dann aber auch, daß die Preise für die Lebensbe-
dürfnisse auch stetig bleiben, soll die Lebenshaltung der Arbeiterfamilien auf
einer möglichst gleichmäßigen Stufe bleiben. In der Praxis aber herrscht ein auf
und nieder in den Preisen für die Lebensmittel. Nicht selten sind sie in den
Zeiten der Hochkonjunktur, wenn allenthalben das Geld flotter rollt, am teuersten.
Abgesehen von den Schwankungen sind die Preise für die Lebensbedürfnisse
in den letzten Jahrzehnten recht erheblich gestiegen. Auch die Bedürfnisse sind
gewachsen. Sie konnten wachsen und in weiten Kreisen unseres Volkes auch
befriedigt werden.
12
Es hat in Preußen in den letzten Jahren eine bedeutende Steigerung
des gesamten Volkseinkommens stattgefunden, die die Steigerung der Be-
völkerungsziffer weit übertrifft. Die Steigerung der Bevölkerung und des Gesamt-
einkommens der 'physischen Personen betrugen nämlich in Preußen:
Steigerung der Bevölkerung: Steigerung des Gesamteinkommens:
1886 1900 1905 1907 1886 1900 1905 1907
100 106 115 119 % 100 119 137 156%
(Aus dem III. Teil des Denkschriftenbandes zur Reichsfinanzreform.)
An der besonders seit dem Jahre 1900 erfolgten bedeutenden Steigerung
des Gesamteinkommens haben die Saarbergleute nicht in entsprechender Weise
teilgenommen. Ihre Löhne sind nicht so erheblich gestiegen und war es ihnen
deshalb nicht möglich, ihre Lebenslage entsprechend zu verbessern und den auch
bei ihnen vorhandenen größeren Bedürfnissen in der im Interesse der Gesamtheit
wünschenswerten Weise Rechnung zu tragen. Eine Aufbesserung der Löhne
ist deshalb notwendig.
Eine lange Begründung zur Rechtfertigung dieser Forderung ist in der
jetzigen Zeit kaum geboten. Es kann ja zur Begründung der Notwendigkeit
einer Lohnerhöhung für die Saarbergleute auf die Erhöhung der Gehälter der
Beamten im Reich, in Staat und Kommune und die hierüber gepflogenen Ver-
handlungen hingewiesen werden. Bei den Beratungen über die Vorlagen be-
treffend Erhöhung der Beamtengehälter ist ja von allen Seiten auf die Erhöhung
der Preise für die Lebensbedürfnisse hingewiesen worden. Das von einem Mit-
glieds der Zentrumsfraktion herausgegebene Werkchen: „Reichsbeamtenbesol-
dung 1909“1) kann deshalb feststellen, daß niemand bestreiten wird, daß in
den letzten zwölf Jahren „die Lebensverhältnisse sich sehr verteuert haben
Auch der Vertreter der Regierung, Herr Staatssekretär des Reichsschatzamts,
Sydoiv, erklärte bei der Beratung des Beamtenbesoldungsgesetzes im deutschen
Reichstage im Jahre 1908:
„Daß seit dem Abschluß der letzten allgemeinen Gehaltsregelung, die von 1889 bis
1897 stattgefunden hatte, die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die Teuerungs-
verhältnisse, sich sehr verschoben haben, brauche ich nicht weiter auszuführenA (177.
Sitzung. Amtl. Stenogr. Sp. 5998).
Auch die Begründung der dem preußischen Abgeordnetenhause in der
Session 1908/09 zugegangenen Vorlage betr. Lehrerbesoldung weist darauf hin,
„daß sich seit dem 1. April 1897 die Teuerungsverhältnisse erheblich geändert
haben1,1. (S. 10.) Die Begründung zu dem Gesetzentwurf betr. die Bereitstellung
von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen (Mantelgesetz), das dem hohen
Hause der Abgeordneten in derselben Session zur Beratung zuging, führt eben-
falls die „gegenwärtigen Lebens- und Teuerungsverhältnisse^ mit als Grund
für die gemachten Besoldungsvorschläge an und erscheint ihr „die vorgesehene
Erhöhung der Bezüge für unmittelbare Staatsbeamte, Lehrer und Geistliche . . .
in gleichem Maße dringlich“ (S. 6). Auch bei den Beratungen wurde sowohl
in der Kommission wie im Plenum allgemein anerkannt, daß wegen der er-
folgten Änderung der Lebens- und Teuerungsverhältnisse eine durchgreifende
Änderung und Erhöhung der Gehälter gerechtfertigt sei. Ohne Widerspruch
zu finden, konnte in der um 7 Mitglieder verstärkten Budgetkommission bei der
Beratung über die Besoldungsordnung in der 2. Lesung ein Kommissionsmitglied
sogar die Feststellung machen: „Keine Partei habe Zweifel gelassen, daß die
Teuerung ebenso wie bei den mittleren und unteren Beamten so auch bei den
1) Volksvereinsverlag M.-Gladbach.
Saarbergleute
erhielten nicht
den wünschens-
werten Anteil
von der
Steigerung des
Volks-
einkommens.
Begründungen
der in den
letzten Jahren
vorgelegten
Besoldungsord-
nungen recht-
fertigen die Er-
höhung
der Löhne.
13
Steigerung der
Warenpreise.
höheren Beamten Aufbesserungen bedinge(Bericht S. 3). Nur mit Rücksicht
auf die Finanzlage des Staates sah man von einer weiteren Aufbesserung der
höheren Gehälter ab.
Das von einem Mitgliede der Zentrumsfraktion verfaßte Schriftchen:
,,Die Beamtenbesoldung in Preußen 1909“1) weist ebenfalls darauf hin, daß
sich ,,die Einkommensverhältnisse fast aller Volksschichten nicht unwesentlich
gebessert“ haben, fügt jedoch treffend hinzu:
,,aber der wirtschaftliche Aufschwung bedingte auch größere Anspannung aller
Kräfte der am Wirtschaftsleben beteiligten Personen, und somit auch eine bessere Lebens-
haltung derselben, um den an sie gestellten geistigen und körperlichen Anstrengungen ge-
wachsen zu bleiben. Hat sich so naturgemäß eine Steigerung der Lebenshaltung und der
Lebensbedürfnisse gezeigt, so hat aber auch mit ihr gleichen Schritt gehalten die Steigerung der
Preise für die wichtigsten Lebensrnittel, für Wohnung, kurzum für die Befriedigung der
notwendigen Lebensbedürfnisse(S. 1.)
Mit Recht wurde immer wieder auf die Steigerung der Preise für die
Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse hingewiesen.
Eine sehr beachtenswerte Statistik über die Erhöhung der Warenpreise
seit IS95 liegt von Calver vor.1 2) Sie wurde in den weitesten Kreisen als die
beste und zuverlässigste der bis heute zu dieser Frage existierenden Statistiken
anerkannt. Calver ermittelte so weit wie möglich, und zwar für 17 Waren,
die Versorgung des J nlandmarktes und die Warenpreisnotierungen im Gross-
handel. Er berechnete dann den prozentualen Anteil der einzelnen dieser
17 Waren an der Gesamtmengenziffer, und erhielt so für jede einzelne Ware
eine Verhältniszahl, mit der sie an einer Verbrauchseinheit, z. B. an je
100 Tonnen, beteiligt ist. Die Beteiligungsziffer der einzelnen Waren, auf
dieser Grundlage berechnet, sind folgende:
Weizen 3,29 Kälber 0,10 Petroleum 0,59
Roggen 5,24 Hammel 0,04 Roheisen 5,84
Kartoffeln 17,71 Kaffee 0,10 Baumwolle 0,23
Reis 0,09 Zucker 0,52 Jute 0,27
Schweine 0,70 Tabak 0,06 Seide 0,002
Rinder 0,56 Steinkohle 64,84
Ihrem Anteil am Gesamtverbrauch entsprechend sind die einzelnen Waren
hier beteiligt, z. B. Kohlen mit 64,84% und Seide mit 0,002%. Entsprechend
den Verbrauchsanteilen der einzelnen Waren wirken die Preisveränderungen
für diese recht verschieden auf den Konsum ein. Eine geringe Preissteigerung
für eine Ware, die stark am Gesamtkonsum beteiligt ist, kann die Konsu-
menten recht erheblich belasten, während eine absolut starke Preissteigerung für
eine mir wenig konsumierte Ware den Gesamtkonsum nicht erheblich beeinflußt.
Um nun die Preisveränderungen, die sich am Warenmarkt vollzogen,
in ihrer Gesamtwirkung auf den Volkshaushalt festzustellen, errechnete Calver
den Preis, den die Beteiligungsziffer der einzelnen Waren pro Gewichts-
einheit (Tonne) hatte. Die Summe der 17 Posten ergibt dann den Betrag
für die Verbrauchseinheit in Mark. Calver glaubt, daß sich in der Ziffer die
Veränderung eil des Warenpreises auf dem deutschen Markte ziemlich richtig
widerspiegeln, obgleich sie nicht die Preisveränderungen im Kleinhandel aus-
drücken. Seiner Ansicht nach sind mindestens 67% aller für den Arbeiter-
haushalt in Frage kommenden Waren in der so gewonnenen Zahl berück-
sichtigt. Es stellte sich nun der auf Grund der vom kaiserlich-statistischen
1) M.Gladbach, Volksvereinsverlag, G. m. b. H.
2) Sisyphusarbeit oder positive Erfolge? Beiträge zur Wertschätzung der Tätigkeit
der deutschen Gewerkschaften. Berlin 1910. S. 21f.
— 14 —
Amt erfolgten Großhandelsnotierungen errechnete Kostenbetrag pro Verbrauchs-
einheit in Mark wie folgt:
Absolute Ziffer Relative Ziffer (1895=100)
1895 4618,55 100,00
1896 4606,30 99,74
1897 4914,41 106,46
1898 5162,09 111,77
1899 4994,90 108,15
1900 5334,16 115,49
1901 5281,02 114,34
Absolute Ziffer Relative Ziffer (1895=100)
1902 5166,28 111,86
1903 5167,70 111,89
1904 5353,95 115,92
1905 5664,76 122,65
1906 5662,00 122,59
1907 5986,25 129,61
1908 5886,88 127,46
Auch im Saarrevier ist eine erhebliche Erhöhung der Lebensmittelpreise
erfolgt. Mit Recht ivurde auch den dort angestellten Beamten eine Aufbesserung
nicht vorenthalten. Auf dem Marktort St. Johann-Saarbrücken betrugen die
Preise:
für die Tonne1) für 1 Kilogramm1)
Entwicklung der
Lebensmittel-
preise
im Saarrevier.
Jahr £ .8 § Mk. & I5 Mk. Hiilsen- || fruchte (Erbsen ) 1? Kartoffeln ¿ ^ ■<s> Js £ Mk. £ © « ö? Mk. nospjf -pui# 1 1 > Schweine- fleisch 1 § g ö. Mk. I I co Mk. i ■§ ff Ü «£ ►£ o o «0 CO Mk.
1888 204,2 158,3 240,8 65,2 0,46 0,34 1,15 1,26 1,75 2,24 1,69
1889 209,6 171,3 263,3 54,8 0,50 0,36 1,18 1,47 1,80 2,39 1,89
1890 213,3 175,0 242,5 53,2 0,49 0,38 1,30 1,60 1,92 2,39 1,85
1891 236,3 216,8 269,1 86,4 0,46 0,36 1,25 1,34 1,80 2,43 1,66
1892 208,5 192,5 307,9 80,0 0,45 0,35 1,19 1,37 1,77 2,43 1,67
1893 165,0 147,1 303,3 58,3 0,43 0,32 1,16 1,37 1,80 2,60 1,61
1894 151,5 122,3 274,0 54,7 0,36 0,25 1,31 1,44 1,80 2,49 1,67
1895 145,4 123,7 266,5 58,1 0,32 0,20 1,32 1,39 1,66 2,25 1,66
1896 155,7 134,7 270,0 52,1 0,32 0,20 1,32 1,22 1,60 2,11 1,60
1897 175,5 142,6 263,3 54,7 0,33 0,21 1,20 1,26 1,42 2,18 1,60
1898 200,2 165,1 263,3 67,8 0,39 0,26 1,21 1,47 1,60 2,24 1,60
1899 184,0 163,7 262,5 68,6 0,36 0,26 1,20 1,43 1,60 2,28 1,60
1900 183,6 163,3 262,5 62,5 0,35 0,27 1,18 1,40 1,57 2,26 1,56
1901 192,6 167,3 262,5 66,6 0,35 0,27 1,22 1,51 1,67 2,37 1,63
1902 197,0 166,9 340,6 67,9 0,35 0,27 1,29 1,63 1,80 2,45 1,76
1903 178,4 155,4 341,3 73,0 0,35 0,27 1,29 1,51 1,77 2,25 1,80
1904 178,0 150,3 319,8 68,3 0,35 0,27 1,48 1,51 1,70 2,30 1,76
1905 190,6 157,3 274,4 72,8 0,35 0,27 1,56 1,69 1,75 2,29 1,78
1906 194,3 177,1 290,4 75,2 0,36 0,28 1,64 1,81 1,85 2,42 1,80
1907 200,5 192,0 349,4 77,9 0,39 0,30 1,63 1,69 1,80 2,34 1,80
1908 204,9 196,7 350,4 78,3 0,41 0,36 1,63 1,63 1,80 2,51 1,80
1909 213,1 179,1 318,8 71,8 0,41 0,35 1,60 1,75 1,86 2,35 1,85
19102) 227,1 167,0 333,0 75,7 0,42 0,36 1,56 1,83 1,93 2,59 1,88
igiO gegenüber 1888 mehr + | +22,9 + 11,21 +8,7 +92,2 +10,5 —0,02 +0,02 0,46 0,57 0,18 0,35 0,19
weniger — In Prozent +5,49 +38,28 +16,10 —4,34 +5,88 +40,00 +45,23 +10,28 +15,66 +11,24
Abgesehen von den Schwankungen ist eine recht erhebliche Erhöhung Lebensmittel-
der Lebensmittelpreise eingetreten. Die prozentuale Steigerung der Preise für sind^erheblich
die im Arbeiterhaushalt so wichtigen nahrhaften Hülsenfrüchte beträgt fast gestiegen,
das Doppelte der Steigerung der Ijöhne. Ebenso auch die Steigerung des Preises
1) Die Zahlen sind bis einschließlich 1903 dem VI. Teil des Werkes „Der Stein-
kohlenbergbau des Preußischen Staates in der Umgebung von Saarbrücken, die späteren dem
Amtsblatt für den Regierungsbezirk Trier entnommen.
2) Durchschnitt der ersten 9 Monate.
— 15 —
Die Saarberg-
leute haben heute
für mehr Kinder
zu sargen wie
früher.
Zahlung niedri-
ger Löhne, weil
Arbeiter vielfach
Eigentum haben,
ist unberechtigt.
für Rindfleisch. Die Steigerung des Preises für Schweinefleisch ist gar mehr
ivie doppelt so hoch wie die Steigerung der Löhne. Auch die übrigen Artikel
sind mit einer Ausnahme nicht unerheblich im Preise gestiegen. Es unterliegt
gar keinem Zweifel, daß bei den Bergleuten im Saarrevier von einer Verbesserung
der Lebenshaltung, wie sie sonst in weiten Volkskreisen erfolgte, keine Rede sein
konnte. Auch die Tatsache, daß ein erheblicher Prozentsatz der Saarbergleute
ein Eigentum hat und nicht alle Lebensmittel kaufen muß, ändert hieran nichts.
Denn das war auch früher der Fall. Damals war der Prozentsatz der Haus-
besitzer sogar noch etwas größer wie heute. Sollen die Saarbergleute den an sie
zu stellenden Ansprüchen gewachsen bleiben, so muß eine Aufbesserung der
Löhne erfolgen.
Berücksichtigt werden muß auch, daß ein ständig größer werdender Teil
der Belegschaft der Saargruben gezwungen ist, zur Erreichung der Arbeitsstätte
die Eisenbahn zu benutzen. Das ist auch immer mit Kosten verknüpft, die von
dem verdienten Lohn in Abzug gebracht werden müssen.
Die Erhöhung des Lohnes der Saarbergleute ist auch wünschenswert
und notwendig, iveil sie heute, so weit sie verheiratet sind, durchschnittlich für
mehr Kinder zu sorgen haben, wie früher. Nach einer vom Herrn Bergassessor
Herbig1) auf gemachten Statistik waren von der Gesamtbelegschaft verheiratet
und entfielen auf einen Verheirateten im Durchschnitt an Kinder:
Von der Belegschaft Auf einen Verheirateten
waren verheiratet . entfielen Kinder
1875 1905 1875 1905
0/ /О 0/ /0
59,00 60,28 2,92 3,46
In diesen Zahlen kommt eineauch imlnteresse des Staates sehr zu begrüßende
Entwicklung zum Ausdruck. Sie ist aber von recht einschneidendem Einfluß
auf die Lebenshaltung der Arbeiter und rechfertigt, ja verlangt eine Erhöhung
der Löhne auch vom nationalen Gesichtspunkte aus. Mehr wie einige Millionen
Mark ist dem preußischen Staate eine gesunde sich stark vermehrende Arbeiter-
schaft wert. Sie gibt dem Vaterlande Verteidiger, der sich weiter entwickelnden
Industrie gute Arbeitskräfte und verbürgt die Zukunft des deutschen Volkes.
Vielfach wird ja nun zur Rechtfertigung der niedrigen Löhne der Saar-
bergleute darauf hingewiesen, daß diese im allgemeinen in guten Verhältnissen
leben, vielfach ein Eigentum haben und etwas Landwirtschaft betreiben und
deshalb mit den Löhnen auskommen kennen. Grundsätzlich ist diese Ansicht
nicht zu billigen. Der Lohn ist kein Almosen, das dem Arbeiter gegeben wird,
um ihn und seine Familie vor Hunger zu schützen, sondern das Entgelt für
geleistete Arbeit. Es muß dem Arbeiter deshalb das gegeben werden, was ihm
für die Arbeit unter den gegebenen Verhältnissen zusteht, ohne Rücksicht darauf,
ob der Einzelne nun finanziell gut steht oder nicht, ob er dank der Sparsamkeit
der Eltern und sonstigen Vorfahren oder der eigenen Sparsamkeit etwas Ver-
mögen hat oder nicht. Die Vorfahren der Arbeiter oder der Arbeiter selbst haben
doch nicht für die Arbeitgeber gespart, sondern für sich und ihre Familie. Auch
sonst wird ja auf das Privatvermögen bei der Bezahlung der Arbeit keine Rücksicht
genommen. Reich, Staat und Gemeinde zahlen ihren Beamten nach bestimmten
Grundsätzen Gehalt ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob der Einzelne sonst
noch etwas in die Suppe zu brocken hat. Man sollte auch bei den Arbeitern keine
Ausnahme von dieser Regel macken.
1) „Glück auf“ 1910. S. 1397.
~~ 16 —
In Wirklichkeit ist aber auch die Lage der Arbeiter im Saarrevier gar
nicht so glänzend., wie oft behauptet wird. Es soll gar nicht geleugnet
iverden, daß ein recht ansehnlicher Teil der Saarbergleute gar nicht
so schlecht gestellt ist und ein für Arbeiter recht erhebliches Vermögen
besitzt. Meist die Folge eines ererbten Besitzes, großer Bedürfnislosigkeit und
Sparsamkeit der Vorfahren und zum Teil persönlichem besonderen Glück und
auch eigener weitgehender und allgemein nicht möglicher Bedürfnislosigkeit und
Sparsamkeit. Der größte Teil der Saarbergleute ist aber nicht gut gestellt. Die
Zahl der Hausbesitzer ist ja im Vergleich zu manchen anderen Revieren recht groß.
Im Jahre 1905 waren von 46 489 Belegschaftsmitgliedern 18 223 Hausbesitzer.1)
Das sind 39,20 Prozent der Gesamtbelegschaft. Von den Verheirateten (60,28
Prozent der Gesamtbelegschaft) waren im genannten Jahre 65,02 Prozent Haus-
besitzer gegenüber 67,74 Prozent im Jahre 1875. Ein recht erheblicher Teil der
Saarbergleute, auch der Verheirateten, hat also kein eigenes Haus oder
Häuschen. Dazu kommt dann, daß die Hausbesitzer zum größten Teil eine
recht erhebliche Schuldenlast zu tragen haben. Herbig schätzt den durchschnitt-
lichen — seiner Ansicht nach niedrig gegriffenen — Wert der Häuser auf
4500 Mark und die Durchschnittsschuldenlast pro Haus auf 1500 Mark.
Nach einer von uns in verschiedenen Orten vorgenommenen privaten
Erhebung stellte sich die Durchschnittsschuldenlast bedeutend höher. So waren
z.B. für das Dörfchen Quierschied von 109 Hausbesitzern Angaben gemacht.
Die durchschnittliche Schuldenlast stellte sich hier auf rund 3200 Mk. Dabei
waren, wie uns Kenner der dortigen Verhältnisse versichern, manche Waren-
schulden nicht angegeben. — In manchen Orten steht der Prozentsatz der Haus-
besitzer auch weit unter dem allgemeinen Durchschnitt. Außer den auf den
Besitzungen ruhenden Hypotheken sind' im Saarrevier vielfach recht erhebliche
Warenschulden vorhanden. Siehaben,ivie von uns vorgenommene privateErhebungen
bei den Geschäftsleuten ergaben, in den letzten Jahren bedeutend zugenommen.
Auch Nieder, dem eine eingehende Kenntnis der Verhältnisse im Saar-
gebiet nicht abzusprechen ist, hält die Lage der Saarbergleute nicht für günstig.
Er führt hierzu aus:2)
„Ich gebe vorerst einmal mit Vorbehalt folgendes zu auf Grund der von Müller
vorgelegten Preistabellen für Lebensmittel: die LebensmitteIpreise entwickelten sich in dem
fraglichen Zeitraum nicht so stark, daß die Kaufkraft des Lohnes sehr stark alteriert worden
wäre; zudem wurde das Konsumvereinswesen gut entwickelt. Auch die Anzahl jener Berg-
leute, die etwas Land besitzen und auch etwas Vieh, ist bemerkenswert. . . . Gleichwohl sind
im Laufe dieser fraglichen Jahre besonders für die immerhin zahlreichen Familien ohne
Ar und Halm und Vieh auf dem Gebiet der Ernährung ganz fraglos berechtigte Bedürfnisse,
z. B. nach Fleischnahrung, Milch, Butter und Eiern, durchaus nicht außer Spannung
gesetzt worden, weder für den hart arbeitenden Bergmann selbst, noch auch für die heran-
wachsende Jugend und die Mütter. Die durchgearbeiteten Budgets dürften Überraschungen
bringen. Ein starkes Beispiel kann bereits angeführt werden: das peinlich, lückenlos ge-
führte Haushaltungsbuch (pro 1907/08) einer anerkannt soliden Bergmannsfamilie mit
neun Kindern unter 14 Jahren zeigt folgendes Schlußergebnis: der Mann verdiente als
Hauer 1421 Mark. Zur vollständigen Bedarfsdeckung mußte er durch Nebenarbeit noch
1220 Mark mühsam hinzuverdienen.11
Seit 1903 — die späteren Zahlen lagen Nieder nicht vor — haben sich
die Lebensmittelpreise recht ungünstig entwickelt, so daß das Ergebnis der Füh-
rung des Haushaltungsbuches wohl erklärlich ist. Der angeführte Fcdl, wenn er auch
nur ein Einzelfall ist, wirft ein recht bezeichnendes Licht auf die Verhältnisse.
Ein ähnliches Ergebnis hatte die Führung eines Haushaltungsbuches in
einer anderen sehr sparsamen Familie, dessen Ergebnis von der „Neunkirchener
Vf Herbig, Glückauf 1910, S. 1381 f.
■) Nieder, Die. Arbeitsleistung der Saarbergleute S. 19 Anmerkung.
— 17 —
Lage der Saar-
bergleute ist nicht
so glänzend wie
oft behauptet
wird.
Im Interesse der
Rentabilität des
Saarbergbaues
müssen höhere
Löhne gezahlt
werden.
Zeitung“ (Nr. 177 vom (i. August 1909) veröffentlicht wurde. Es handelt sich
hier um eine Familie aus 9 Köpfen mit eigenem Häuschen. Der Vater und
ein 17 Jahre alter Sohn verdienten. Erster er verdiente in der Berichtszeit (vom
1. September 1907 bis zum 31. August 1908) 1147,31 Mk., der Sohn 613,87 Mk.
Dazu kamen noch eine Unfallrente von 205,20 Mk. und eine Miet-Einnahme
von 72,00 Mk. Die Gesamteinnahme betrug 2038,38 Mk., die Gesamtausgaben
jedoch 2119,00 Mk. Außergewöhnliche Ausgaben für Krankheiten, Familien-
zuwachs, größere Neuanschaffungen an Bettzeug und Wäsche, für Reparaturen
am Haus usw. waren nicht vorgekommen. Sie sind aber immer nicht zu ver-
meiden.
Die Erhöhung des Lohnes der staatlichen Bergarbeiter ist nicht nur
notwendig und möglich, es muß auch im Interesse der Rentabilität unseres
staatlichen Bergbaues eine Erhöhung der Bergarbeiterlöhne im Saarrevier er-
folgen. Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die staatliche
Bergverwaltung unter der Abwanderung tüchtiger Arbeitskräfte zu leiden hatte.
In den dem Hause der Abgeordneten in der 21. Legislaturperiode II. Session
1908/09 vorgelegten Nachrichten von dem Betriebe der unter der preußischen
Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung stehenden Staatswerke während des
Etatsjahres 1907 wird schon darauf hingewiesen, daß der Rückgang der Förderung
,,seinen Hauptgrund in den Arbeiterverhältnissenil habe und hinzugefügt:
„Es erfolgte zeitweise eine starke Abwanderung jüngerer leistungsfähiger Arbeits-
kräfte nach anderen Bergbaubezirken und nach den benachbarten industriellen Werken, wo
bei der damaligen wirtschaftlichen Hochflut vorübergehend außergewöhnlich hohe Löhne
gezahlt wurden
In der Zukunft wird die Gefahr der Abwanderung tüchtiger Arbeitskräfte
immer größer, wenn es nicht gelingt, auch im Saarbergbau für die Arbeiter
befriedigende Verhältnisse zu schaffen. Der benachbarte Lothringische Bergbau
gewinnt eine immer größere Ausdehnung. Er gebraucht eine größere Zahl von
Arbeitskräften und wird dem staatlichen Saarbergbau viele der für diesen wert-
vollsten Arbeitskräfte entziehen, wenn nicht rechtzeitig vorgebaut ivird. Die
Entziehung vieler tüchtiger Arbeitskräfte würde aber die Durchschnittsföiderung
im staatlichen Bergbau herabdrücken und die Rentabilität desselben mehr herab-
mindern, wie eine Erhöhung der Arbeiterlöhne. Weitblickend sollte man sich
deshalb schon jetzt für das Letztere entscheiden. Man wird daran doch nicht
vorbeikommen. Im Interesse der Rentabilität des Staatsbergbaues muß die
Lohnerhöhung rechtzeitig erfolgen und nicht erst, wenn eine große Zahl der
intelligentesten und leistungsfähigsten Arbeitskräfte verloren gegangen ist. Doppelt
notwendig ist das aber, wenn der unter anderem von der Handelskammer Saar-
brücken1) erhobenen Forderung entsprochen und erhebliche Mittel zur Be-
schleunigung der Erschließung von Gruben des staatlichen Saarberg-
baues verwandt werden und, eine starke Belegschaftssteigerung vorgenommen wird.
Nun zu der Frage:
üst die Xeistung der ¿Bergarbeiter auf den Staatsgruben an der Saar
zurückgegangen ?
Vorwürfe gegen
die Arbeiter.
Überall begegnet man der Behauptung, die Leistung der Bergarbeiter
an der Saar sei zurückgegangen. Sie wird auch angewandt, um nachzuweisen
daß die Löhne der Arbeiter im staatlichen Saarbergbau nicht höher sein dürfen
') Die Forcier- und Preispolitik des staatlichen Saarkohlenbergbaues 1902 —1910:
Denkschrift der Handelskammer Saarbrücken. Saarbrücken 1910.
— 18 —
und können. Mit der Erhöhung der Löhne gehe die Leistung zurück, wird aus-
gejührt. Ebenso soll jede Verkürzung der Arbeitszeit einen Rückgang der Lei-
stungen im Gefolge haben. Besonders deutlich wird diesen Ansichten von dem
Königlichen Berginspektor E. Müller Ausdruck gegeben in dem VI. TeilS. 72 des
Werkes: ,,Der Steinkohlenbergbau des Preußischen Staates in der Umgebung
von Saarbrücken“. Er behauptet hier, daß mit der Aufwärtsbewegung der
Löhne nach dem Jahre 1888 ein gleichzeitiger Rückgang der Leistungen der
Arbeiter ,,infolge ihrer unbotmäßigen Haltung und der Verkürzung der Schicht-
dauer“ eingetreten sei. Nach der Herabsetzung der Löhne in den Jahren 1892/93
und nach dem der zur Abwendung dieser Verschlechterung unternommene Streik
verloren gegangen sei, habe ,,sich bei der Belegschaft allmählich eine größere
Arbeitswilligkeit“ eingestellt, ,,die in einer anhaltenden Steigerung der Leistung
bis zum Jahre 1898 zum Ausdruck kam, der dann allerdings ivieder mit den
besseren Löhnen der Jahre 1899 bis 1902 ein Nachlassen der Arbeitsleistung
folgteGanz allgemein wird dann festgestellt:
,,Die graphischen Darstellungen auf Tafel 2 sind ein beredtes Bild davon, wie sich auf
den Steinkohlenbergwerken des Saarreviers Arbeitsleistung und Lohnhöhe bezw. Kohlen-
preise ergänzen und wie jedesmal, von geringfügigen Abweichungen abgesehen, mit dem
Steigen der Kohlenpreise ein Herabgehen in der Arbeitsleistung verknüpft ist. Es soll dies
hier besonders betont werden, weil anderweitige außerhalb des Wirkungskreises der Arbeiter
liegende Momente auf die Höhe der Arbeitsleistung keinen oder nur unmerklichen Einfluß
gehabt haben. , .
Mit der Erhöhung der Löhne ist, so behauptet Müller klipp und- klar,
jedesmal ein Herabgehen in der Arbeitsleistung verknüpft. Zur Begründung
seiner Behauptung verweist er auf die im Durchschnitt auf den Kopf der Beleg-
schaft entfallende Fördermenge, die er — ebenso wie es auch in der amtlichen
Statistik bis zum Jahre 1908 geschah — als Leistung pro Kopf bezeichnet.
Es ist jedoch irreführend, wenn die Förderung pro Kopf als Leistung
pro Kopf bezeichnet wird, weil ja die Förderung nicht allein von der aufge-
wendeten Arbeitskraft, sondern auch von den, natürlichen Verhältnissen und
vielen anderen Umständen abhängt. Deshalb ist auch in der amtlichen Statistik
die alte irreführende Bezeichnung verlassen 'und bemerkt die amtliche ,,Zeit-
schrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen“ (Jahrgang 1910, 1. statistische
Lieferung S. 47) zu den mitgeteilten Übersichten über die Jahresförderung auf
den Kopf der Belegschaft,
,,daß die in ihnen mitgeteilten Zahlern keineswegs ohne weiteres einen Maßstab
bilden für die von dem einzelnen Arbeiter aufgewendete Arbeit. Vielmehr müssen bei der
Beurteilung dieser Zahlen neben der persönlichen Leistungsfähigkeit und Arbeitswilligkeit
der Arbeiter auch die — außerhalb des Wirkungskreises der Arbeiter liegenden — natürlichen
und betrieblichen Verhältnisse in Betracht gezogen werden. In letzterer Beziehung mag
namentlich auf den Einfluß hingewiesen werden, den die Inangriffnahme einer größeren
oder geringeren Zahl neuer Gruben, stärkere oder schwächere Belegung der Aus- und Vor-
richtungsarbeiten gegenüber den eigentlichen Gewinnungsarbeiten, stärkere oder schwächere
Belegung von mächtigen gegenüber weniger mächtigen Lagerstätten, Änderung der Abbau-
methoden, Änderung der Betriebsmittel (vor allem der Ersatz menschlicher Arbeitskraft
durch tierische oder maschinelle Arbeitskräfte) verschärfte Vorsichtsmaßregeln gegenüber
den dem Bergbau eigenen Gefahren u. a. m. auf die Höhe der Förderung und damit auch
auf die auf einen Arbeiter berechnete Förderziffer haben müssen
Welchen Einfluß die natürlichen Verhältnisse auf die Durchschnitts-
tonnenförderung pro Kopf ausüben, zeigt ein Vergleich der im preußischen
Steinkohlenbergbau in den verschiedenen Bergbaubezirken auf den Kopf der
Gesamtbelegschaft entfallenen Fördermenge. Es wurden auf den Kopf der Ge-
samtbelegschaft pro Jahr gefördert in Tonnen:
Bezeichnung der
F örderung pro
Kopf als Lei-
stung pro Kopf
ist falsch.
F örderziffern der
einzelnen Berg-
baureviere zeigen
Einfluß der
natürlichen
Verhältnisse.
19
Vergleiche mit
nackten Förder-
zahlen beweisen*
jede Ansicht.
Jahr Oberschlesien Nieder achíes i en Dortmund Saarbrücken Staatsberqwerke
1887 328 228 306 246
1888 354 228 325 256
1889 365 225 302 237
1890 349 202 286 226
1891 331 203 278 221
1892 305 197 267 210
1893 323 209 271 214
1894 329 213 274 219
1895 345 217 274 226
1896 359 221 286 238
1897 366 220 283 241
1898 382 224 274 245
1899 379 219 274 237
1900 363 215 271 233
1901 327 795 247 224
1902 309 190 245 226
1903 307 200 261 230
1904 305 207 258 231
1905 314 208 252 233
1906 334 215 284 232
1907 341 216 273 219
1908 324 211 254 221
1909 299 202 251 214
Die durchschnittlich auf den Kopf der Belegschaft in den einzelnen Re-
vieren entfallende Fördermenge ist, wie die Tabelle zeigt, stets recht verschieden.
Obenan steht Oberschlesien. Nicht, weil dort die Arbeiter viel fleißiger und
leistungsfähiger sind wie in den anderen Revieren, sondern weil die natürlichen
Verhältnisse die Erzielung einer höheren Fördermenge ermöglichen. Mit Recht
sagt Bosenick* 1), nachdem er einen Vergleich zwischen den durchschnittlichen
Förderziffern der verschiedenen Bergbaureviere angestellt hatte:
„Dürfen wir aus diesen Zahlen für die Leistung der Arbeiter eitlen Schluß ziehen,
so ist die Leistung in allererster Linie durch die Gunst der natürlichen Verhältnisse, d. h.
also besonders durch die Masse der jeweils anstehenden Kohle bedingt . . . so erklärt es sich,
daß der oberschlesische Hauer trotz der niedrigen Lebenshaltung, . . . trotz der geringsten
Schichtenzahl pro Jahr infolge der riesigen Flöze am meisten in Kohle leistet
Alle Reviere zeigen aber recht erhebliche Schwankungen in der auf den
Kopf der Belegschaft entfallenden Tonnenzahl, und, abgesehen von den Schivan-
kungen meist einen Rückgang der Tonnenzahl in der in der vorstehenden Tabelle
angeführten Zeit. Daraus darf nun auch nicht geschlossen werden, die Berg-
arbeiter seien allgemein weniger leistungsfähig und leistungswillig geworden.
Wenn man nur mit den nackten Förderzahlen Vergleiche anstellen will,
so läßt sich jede Ansicht ,,beweisen“. Man braucht nur ein entsprechendes
Anfangsvergleichsjahr zu benutzen. Ein ,,Beweisii gegen die Arbeiter läßt sich
gut mit dem Jahr 1888 als Anfangsvergleichsjahr führen, weil im genannten
Jahre die höchste Förderziffer pro Kopf der Belegschaft erreicht wurde; ein
„Beweis“ für die Arbeiter ist mit einem früheren Jahr als Anfangsvergleichs-
jahr möglich. Es betrug z. B. im gesamten preußischen Steinkohlen-Bergbau die
Förderung pro Kopf (einschließlich Aufsichtsbeamte):
Jahr 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1905 1906 1907 1908 1909
Tonnen 114,5 132,1 156,5 216,3 272,0 275,3 270,9 250,6 273,9 267,1 253,5 245,9
Es darf aber nicht vergessen werden, daß unser Bergwerksbetrieb in der
genannten Zeit eine Umwandlung erfahren hat. Früher wurde der Kohlen-
1) Bosenick: Über die Arbeitsleistung beim Steinkohlenbergbau in Preußen. Stuttgart
und Berlin 1906, S. 110.
20
bergbau fast überall nur in geringerer Teufe betrieben. Heute muß die Kohle
durchweg in großen Teufen unter Anwendung langwieriger und kostspieliger
Aufschlußarbeiten gewonnen werden. Auf der einen Seite sind dann die Erfindung
und Aiisnutzung der Maschinen, die zahlreichen technischen Erfindungen und
Verbesserungen der Vergrößerung der Durchschnittstonnenleistung günstig und
auf der anderen Seite üben viele mit zunehmender Entwicklung und größerer
Gefährlichkeit des Bergbaues notwendig gewordene N ebenarbeiten — wir nennen
hier nur den Transport der Kohle, Bewetterung, Berieselung und Bergeversatz,
die mit größerer Teufe zunehmende Hitze, die durch die gewaltige Ausdehnung
des Bergbaues erzwungene Einstellung großer Massen ungeübter Arbeiter, der
Beschäftigung vieler Arbeiter bei der Gewinnung von Nebenprodukten usw. —
einen ungünstigen Einfluß auf die Durchschnittstonnenförderung aus.
Ein Vergleich der in den verschiedenen Jahren auf den Kopf der Beleg-
schaft entfallenden Fördermenge zwecks Beurteilung der Leistung der Arbeiter
in den einzelnen Jahren kann nur mit großer Vorsicht unternommen werden, weil
eben die Förderung nicht nur von der aufgewendeten menschlichen Arbeitskraft
abhängt und weil weiterhin nicht alle Arbeiter bei der Kohlengewinnung be-
teiligt sind und auch der Prozentsatz der für die Kohlengewinnung in Betracht
kommenden Arbeiten an der Gesamtbelegschaft nicht immer derselbe ist.
In den letzten Jahren sind nun diese Zahlen für das Saarrevier zweimal
wissenschaftlich untersucht, zuerst von Dr. Alfred Bosenickl) und dann noch
einmal eingehender von Dr. Ludwig Nieder.'1) Beide Untersuchungen zeigen,
das sei hier vorweg bemerkt, daß die Behauptung, die Leistung, — d. h. die aufge-
Jahr Förderung t Zahl der Arbeiter Im ganzen verfahrene Schichten Pro Kopf verfahrene Schichten Förderung pro Jahr t Entwickelungder , Produktion, Ar- pr° Kopf beUerzahh Zahl der Schichten u. pro Schicht Förderung pro t Kopf im Saar-
1886 5 822 010 25 739 7 009 483 284 226 0,830 Crg aU'
1887 5 973 068 25 269 6 863 315 283 236 0,870
1888 6 238 191 24 402 7 044 511 289 256 0,886
1889 6 083 514 25 666 7 402 343 288 237 0,822
1890 6 212 540 27 528 8 099 128 294 226 0,767
1891 6 389 960 28 897 8 447 211 292 221 0,756
1892 6 258 890 29 823 8 416 568 282 210 0,744
1893 5 883 177 27 536 7 544 148 274 214 0,780
1894 6 591 862 30 070 8 537 175 284 219 0,772
1895 6 886 098 30 531 8 691 261 285 226 0,792
1896 7 705 671 32 396 9 538 614 294 238 0,808
1897 8 258 404 34 248 10 085 126 294 241 0,819
1898 8 768 582 35 856 10 700 054 298 245 0,819
1899 9 025 072 38 049 11 207 967 295 237 0,805
1900 9 397 253 40 303 11 822 059 293 233 0,795
1901 9 376 023 41 923 12 345 184 294 224 0,759
1902 9 493 667 42 036 12 399 577 295 226 0,766
1903 10 067 337 43 811 13 020 041 297 230 0,773
1904 10 363 720 44 949 13 296 829 296 231 0,779
1905 10 638 560 45 737 13 421 104 293 233 0,793
1906 11 131 381 47 891 14 154 440 296 232 0,786
1907 10 693 314 48 895 14 412 548 295 219 0,742
1908 11 070 647 49 998 14 638 931 293 221 0,756
1909*) 11 063 637 51 788 14 860 156 287 214 0,745
x) Dr. Alfred Bosenick: Über die Arbeitsleistungen beim Steinkohlenbergbau in Preußen,
Stuttgart und Berlin. 1906.
2) Ludwig Nieder: Die Arbeitsleistung der Saarbergleute, Stuttgart und Berlin. 1909.
3) Ausschließlich 10 299 t Steinkohlen, die auf Tongruben mit deren Arbeitern und
1346 t, die nicht von Bergarbeitern geivonnen wurden.
— 21 —
Gründe für die
Schwankungen
in der Durch-
schnittstonnen-
förderung.
Die
Verteilung der
Belegschaft auf
die verschiedenen
Arbeiterklassen
hat sich geändert.
wendete Arbeitskraft, Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit — sei zurückge-
gangen, zum mindesten jeder Beweiskraft entbehrt.
Im Saarbergbau entwickelten sich die Produktion, die Zahl der Arbeiter
und der verfahrenen Schichten sowie die Förderung pro Kopf wie in der vor-
stehenden Tabelle, deren Zahlen der der amtlichen Zeitschrift für Berg-, Hütten-
und Salinenwesen entnommen sind, angegeben ist.
Die Förderung pro Kopf der Belegschaft war, wie die Tabelle zeigt, in
den einzelnen Jahren verschieden hoch, die Förderzahlen weisen nach dieser
Richtung hin außerordentlich große Schwankungen auf. Eine allbekannte Er-
scheinung, die aber nicht durch die Arbeiter bezw. deren größere oder geringere
Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit in den einzelnen Jahren hervor ge-
rufen wird. Die Schwankungen sind vielmehr in der Natur des Bergwerks-
betriebes begründet. Bei eintretender Hochkonjunktur ist fast immer eine erheb-
liche Steigerung der Durchschnittstonnenförderung zu verzeichnen. Dauert die
Hochkonjunktur längere Jahre, so läßt die Durchschnittstonnenförderung nach.
Mehr noch bei niedergehender Konjunktur.
Hierfür ist die Erklärung sehr einfach. Bei eintretender Hochkonjunktur
verlegt man sich mit aller Macht auf die Kohlengewinnung. Die Vorrichtungs-
arbeiten werden soweit wie möglich eingestellt und die eigentlichen Gewinnungs-
arbeiten um so stärker betrieben. Dazu werden vielfach Überschichten verfahren:
die Arbeitszeit wird, wenn möglich, verlängert oder doch recht stark ausgenutzt
und außerdem werden alle Nebenarbeiten nach Möglichkeit beschränkt und die
hiermit beschäftigten Arbeiter zur Kohlengewinnung verwandt. Da muß ja die
Durchschnittstonnenförderung steigen. Andererseits wirkt die V er Wendung der
mit der Kohlengewinnung weniger vertrauten Arbeiter und die Einstellung von
völlig bergfremden Arbeitern wieder ungünstig auf die Durchschnittsförderung
ein. Es kommt aber trotzdem eine ,,Mehrleistung“ heraus, obwohl in Wirklichkeit
die mit der Kohlengewinnung beschäftigten Arbeiter im Durchschnitt oft nicht
mehr leisten, iveil eben hier viele ungeübte Arbeiter mit durch geschleppt werden
müssen.
Hält die Hochkonjunktur längere Zeit an, so geht die Durchschnitts-
tonnenförderung wieder zurück, weil wieder mehr Vorrichtungsarbeiten not-
ivendig sind. Die Unternehmerpresse schreibt dann selbstverständlich, das sei
eine Folge der höheren Löhne und der größeren Faulheit der Arbeiter. Bei ein-
tretender Krise wird wieder ein großer Teil der Arbeiter zu Vorrichtungsarbeiten
verwandt, die Über schichten fallen weg, die in der Hochkonjunktur vielfach
zurückgebliebenen Nebenarbeiten werden nachgeholt, von den Hauern werden
wieder mehr Nebenarbeiten verlangt usiv. Die Durchschnittstonnenförderung
muß jetzt wieder zurückgehen, ohne daß die Arbeiter fauler werden.
Diese Erscheinung ist auch beim staatlichen Bergbau im Saarrevier zu
verzeichnen. Auch hier finden wir eine Steigerung der Durchschnittstonnen-
förderung in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre, als die Konjunktur anzog.
Ebenso von 1895 bis 1898 und nach 1902.
Ein klares Bild gibt die vorstehende Tabelle mit ihren Durchschnitts-
berechnungen aber nicht. In der in Betracht kommenden Zeit hat sich nämlich
die Verteilung der Belegschaft auf die einzelnen Arbeiterklassen wesentlich ge-
ändert. Die Belegschaft verteilte sich in folgender Weise auf die einzelnen
Klassen:
Es betrug der Anteil der einzelnen Gruppen an der Gesamt-
belegschaft :
22
Jahr Gesamt- belegschaft K lasst absolut A O/o der 1 Gesamt beleg,- \ Schaft i Klasse absolut B °/o der Gesamt- beleg- schaft j Klasse absolut C O/o der Gesamt- beleg- schaft Klasst absolut D o/o der Gesamt- beleg- schaft
1886 24 714 20 622 4092
1887 24 240 17 113 70.6 3 135 12,9 3910 16,1 i 82 0,4
1888 24 402 17 338 71,1 3\010 12,2 3949 16,2 105 0,5
1889 25 666 18 460 71,9 3 194 12,5 3853 15,0 159 0,6
1890 27 528 19 851 72,1 3 574 13,0 3930 14,3 173 0,6
1891 28 897 20 730 71,7 3 748 13,0 4228 14,6 191 0,7
1892 29 823 17 767 59,6 7 370 24,7 4448 14,9 238 0,8
1893 27 536 16 177 58,8 6 826 24,8 4261 15,5 272 0,9
1894 30 070 17 734 59,0 7 410 . 24,6 4488 14,9 438 1,5
1895 30 531 18 057 59,2 7 475 24,5 4563 14,9 436 1,4
1896 32 396 19 308 59,6 7 774 24,0 4795 14,8 519 1,6
1897 34 248 20 497 59,8 8 035 23,5 5129 15,0 587 1,7
1898 35 856 21 493 59,9 8 392 23,4 5261 14,7 710 2.0
1899 38 049 22 911 60,2 8 687 22,8 5507 14,5 944 2,5
1900 40 303 24 047 59,7 9 607 23,8 5368 13,3 : 1281 3,2
1901 41 923 24 517 58,9 10 322 24,2 5610 13,4 1474 3,5
1902 42 036 24 973 59,4 10 017 23,8 5935 14,1 1111 2,7
1903 43 811 25 908 59,1 10 589 24,2 6073 13,9 1241 2,8
1904 44 949 26 917 59,9 10 742 23,9 6100 13,3 1190 2,8
1905 45 737 27 330 59,8 11 062 24,2 6283 13,7 1062 2,3
1906 47 891 28 367 59,2 11 746 24,5 6459 13,5 1319 2,8
1907 48 895 27 812 56,9 12 916 26,4 6612 13,5 1555 3,2
1908 49 998 25 059 50,1 16 314 32,6 6723 13,5 1902 3,8
1909 51 788 24 942 48,2 17 740 34,2 6936 13,4 2170 4,2
Wie die Tabelle zeigt, ist der Anteil der Klasse A (also die Klasse der
mit der Kohlengewinnung beschäftigten eigentlichen Bergarbeiter) an der Gesamt-
belegschaft, abgesehen von den Schwankungen, prozentual sehr stark zurück-
gegangen. Während er im Jahre 1887 70,6 und im Jahre 1890 gar 72,1 Prozent
betrug, zählte er im Jahre 1909 yiur noch 48,2 Prozent. Der Anteil der Klasse B
(der sonstigen unterirdisch beschäftigten Arbeiter) stieg jedoch bedeutend und zwar
von 12,9 auf 34,2 Prozent. Klasse C nahm etwas ab und Klasse D um ungefähr
4 Prozent zu.
Berginspektor Müller erklärt den Rückgang der Klasse A im Jahre 1892
mit dem Ausscheiden der Werksbeamten aus der genannten Klasse.1) Dieser
Grund bietet aber keine ausreichende Erklärung für die genannte Tatsache.
Denn die Klasse B nimmt um etwa soviel zu, wie Klasse A abnimmt. Absolut
fällt die Zahl der zur Klasse A gehörenden Arbeiter von 20 730 im Jahre 1891
auf 17 767 im Jahre 1892 oder um 2963. Die Zahl in Klasse B stieg jedoch
in derselben Zeit von 3748 auf 7370 oder um 3622. Da die Werksbeamten nicht
aus der Klasse A ausschieden um in Klasse B untergebracht zu werden, so ist
wirklich eine Ver Schiebung innerhalb der Arbeiter erfolgt. Sie läßt sich übrigens
in der Zeit auch zwanglos mit der Änderung der Betriebsverhältnisse erklären.
Bei Eintritt einer schlechteren Konjunktur findet fast immer eine solche Ver-
schiebung statt.
Handgreiflich klar wird durch die Tabelle bewiesen, daß es falsch ist,
wenn die Gesamtförderung auf alle Arbeiter verrechnet wird, um nachzuweisen,
wie die Leistung der Arbeiter sich gestaltet hat. Ein sehr großer Prozentsatz der
Arbeiter ist ja gar nicht an der Kohlengewinnung beteiligt. Die Klasse der mit
der Kohlengewinnung beschäftigten eigentlichen Bergarbeiter hat in den letzten
1) E. Müller: Der Steinkohlenbergbau des Preußischen Staates in der Umgebung
von Saarbrücken. VI. Teil. S. 73.
Die Klasse der
eigentlichen
Bergarbeiter ging
prozentual be-
deutend zurück.
Verrechnung der
Förderung auf
die ganze Beleg-
schaft ist falsch.
23
Schichtenzahl
der Klasse A
ist geringer
wie die der Ge-
samtbelegschaft
Vergleich der
Fördermengen
pro Kopf und
Schicht der Ge-
samtbelegschaft
u n d der K la sse A
20 Jahren um % abgenommen. Das muß ja auf die Durchschnittstonnenf&r-
derung ungünstig einwirken, wenn man bei ihrer Berechnung die Zahl aller
Arbeiter zu Grunde legt.
Weiter muß bei der Berechnung der Durchschnittsleistung pro Schicht
auch berücksichtigt werden, daß die einzelnen Arbeiterklassen nicht durchschnittlich
die gleiche Anzahl von Schichten verfahren. Es betrug nämlich die Zahl der auf
den Kopf entfallenden Schichten im Saarbergbau:
Jahr bei der Gesamtbelegschaft bei Klasse A Jahr bei der Gesamtbelegschaft bei Klasse A
1887 283 285 1899 295 290
1888 289 285 1900 293 290
1889 288 284 1901 294 291
1890 294 289 1902 295 292
1891 292 287,8 1903 297 295
1892 282 275,9 1904 296 292
1893 274 266,2 1905 293 289
1894 284 277,4 1906 296 291
1895 285 278,5 1907 295 291
1890 294 289,1 1908 293 288
1897 294 289,5 1909 287 282
1898 298 294
Die der Klasse A angehörenden Arbeiter haben, wie die Tabelle nachweist,
fast immer weniger Schichten verfahren, wie im Durchschnitt die Gesamtbeleg-
schaft. Es können, wenn man die F ör der-Leistung der Arbeiter fest stellen will,
vernünftigerweise nur die wirklich bei der Kohlengewinnung und Förderung
verfahrenen Schichten berücksichtigt werden. Nachfolgend sei nun das Ergebnis
der gewöhnlichen Durchschnittsberechnung der Förderung pro Kopf der Ge-
samtbelegschaft und der Gesamtzahl der von allen Arbeitern verfahrenen Schichten
verglichen mit der im Durchschnitt auf einen Arbeiter der Klasse A p'o Jahr
und Schicht zu verzeichnenden Fördermenge. Es betrug die Förderung pro Kopf:
Jahr der Gesamlt pro Jahr t Belegschaft pro Schicht t der Kl pro Jahr t isse A pro Schicht t
1886 226 0,796
1887 236 0,835 349 1,224
1888 256 0,886 360 1,246
1889 237 0,822 330 1,160
1890 226 0,767 313 1,083
1891 221 0,756 308 1,071
1892 210 0,744 352 1,276
1893 214 0,780 364 1,366
1894 219 0,772 372 1,340
1895 226 0,792 381 1,369
1896 238 0,808 399 1,379
1897 241 0,819 403 1,391
1898 245 0,819 408 1,387
1899 237 0,805 394 1,356
1900 233 0,795 391 1,345
1901 224 0,759 382 1,311
1902 226 0,766 380 1,301
1903 230 0,773 389 1,318
1904 231 0,779 385 1,320
1905 233 0,793 389 1,348
1906 232 0,786 392 1,346
1907 219 0,742 384 1,322
1908 221 0,756 442 1,535
1909 214 0,745 444 1,570
Diese Tabelle zeigt, daß sich das Bild über die Entwicklung der Durch-
schnittsförderung ganz anders gestaltet bei der Verrechnung der Fördermenge
auf die Klasse A, als wenn man die Verrechnung auf die gesamte Belegschaft
vornimmt. Während bei der Verrechnung auf die ganze Belegschaft ein Rückgang
der Durchschnittstonnenförderung herauskommt, zeigt die Verrechnung auf die
Klasse der eigentlichen Bergarbeiter eine ganz erhebliche Steigerung der Durch-
schnittstonnenförderung. Wenn man allein die geförderte Tonnenzahl als Maß-
stab für die Leistung der Arbeiter ansehen will, muß man logischer Weise aner-
kennen, daß die Leistung der mit der Kohlengewinnung beschäftigten Arbeiter
ganz bedeutend gestiegen ist.
Wie die Tabelle zeigt, kann es Vorkommen, daß die Durchschnittstonnen-
förderung auf den Kopf der Gesamtbelegschaft zurückgeht, jedoch gleichzeitig pro
Kopf der Klasse A steigt. In den Jahren 1891 und 1892 geht die Durchschnilts-
förderung auf den Kopf der Gesamtbelegschaft zurück, verrechnet auf die Klasse A
ist aber im Jahre 1892 eine bedeutende Steigerung gegenüber den Vorjahren
zu verzeichnen. Dasselbe Bild zeigt sich auch nach 1906.
Auch bei der Klasse A zeigen sich recht erhebliche Schwankungen in der
Tonnenförderung pro Schicht. Das ist aber kein Beweis, daß die Arbeiter der
Klasse A in dem einen Jahre fleißiger waren wie in dem anderen. Für eine
dahingehende Behauptung müßten schon Beweise beigebracht werden. Bis heute
sind solche aber noch nicht geliefert. Die angeführte Tatsache der Schwankung
der Durchschnittstonnenförderung läßt sich aber zwanglos auf andere Weise
erklären. Sie ist in den Arbeiter- und Betriebsverhältnissen begründet.
Bei ansteigender Konjunktur nimmt in der Regel die Zahl der Arbeiter
in der Klasse A zu. So im Saarrevier deutlich erkennbar in den Jahren 1888
bis 1891 und nach 1894. Eine solche plötzliche Vermehrung der Arbeiter der
Klasse A wirkt günstig auf die Durchschnittstonnenförderung pro Kopf der
Gesamtbelegschaft ein — nach 1888 wirkten die Streiks und die Schichtverkürzung
dem entgegen — jedoch ungünstig auf die Durchschnittstonnenförderung pro
Kopf der Klasse A. Je grösser der Anteil der Klasse A an der Gesamt-
belegschaft ist, umso größer kann die auf den Kopf der Gesamtbelegschaft
entfallende Fördermenge sein. Die starke Vergrößerung der Klasse A
muß jedoch ungünstig auf das Durchschnittsergebnis für diese Klasse
einwirken, da die dieser zugeführten frischen Kräfte sich erst einarbeiten
müssen und fürs erste trotz größter Arbeitswilligkeit nicht die Arbeitsleistung
aufweisen können, wie die schon länger der Klasse A angehörenden Arbeiter.
Werden dann bei eintretender Krise viele weniger tüchtige Kräfte aus der Klasse A
in die Klasse B abgeschoben, so kann die Durchschnittsförderung auf den Kopf
der Klasse A steigen und trotzdem pro Kopf der Gesamtbelegschaft zurückgehen.
Ein Beispiel hierfür bietet die Entwicklung nach 1890 im Saarrevier. Es zählte:
Klasse A Klasse B Förderung pro Kopf
Jahr Gesamtbe- legschaft insgesamt in insgesamt ■ ^ v i« J E* ^ « 5j der Gesamt- belegschaft der Klasse A
*c> insgesamt pro Schicht insgesamt pro Schicht
1891 28 897 20 730 71,7 3748 13,0 221 0,756 308 1,071
1892 29 823 17 767 59,6 7370 24,7 210 0,744 352 1,276
D urchschnitts-
förderung geht
zurück pro Kopf
der Gesamtbeleg-
schaft, steigt pro
Kopf der
Klasse a.
Warum die
Schwankungen
in der Durch-
schnittstonnen-
förderung?
Arbeiterver hält-
nisse führen
Schwankungen
in der Durch-
schnitts-
förderung herbei.
Während also im Jahre 1892 gegenüber 1891 die Klasse A um etwa
3000 Mann abnimmt und die Durchschnittstonnenförderung pro Kopf der Ge-
— 25 —
Natürliche
geologische
Verhältnisse,
W echsel zwischen
Aus- und Vor-
richtungsarbeiten
Natürliche Ver-
hältnisse sind
auf den Saar-
gruben nicht
gleich.
Samtbelegschaft von 221 auf 210 Tonnen zurückgeht, ist bei Klasse A eine bedeu-
tende Steigerung der Durchschnittstonnenförderung zu verzeichnen.
Auch die natürlichen Verhältnisse bringen im Bergbau, selbst eines Revieres,
eine Schivankung in der Durchschnittsförderung und eine verschieden hohe
Förderung auf den einzelnen Gruben mit sich. Die Flözstärke ist recht verschieden.
Ebenso auch die Festigkeit und die Verarbeitungsmöglichkeit der Kohle und des
Nebengesteins. Auch im Saarrevier. Genügend klar zeigt das die Arbeit des
Königlichen Bergrats Nasse ,,Geologische Skizze des Saarbrücker Steinkohlen-
gebirges“ im Band 32 der amtlichen Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinen-
wesen. (Abt. B. S. 1. f.) Nicht selten werden die schönsten Berechnungen der
Grubenverwaltungen durch nicht vorherzusehende Änderungen in den Flözver-
hältnissen umgestoßen.
Der in jedem Grubenbetriebe unvermeidliche Wechsel zwischen den Aus-
und Vorrichtungsarbeiten und dem eigentlichen Abbau bringt ebenfalls Schwan-
kungen in der Durchschnittstonnenförderung mit sich. Es müssen beim Gruben-
betriebe, um Kohlen gewinnen zu können, viele unproduktive Aus- und Vor-
richtungsarbeiten gemacht werden. Die Beschäftigung zahlreicher Arbeiter mit
solchen Arbeiten wirkt ungünstig auf die Durchschnittsförderung pro Kopf der
Gesamtbelegschaft ein, während die starke Belegung der Abbauarbeiten die ent-
gegengesetzte Wirkung hat. Durch den Wechsel zwischen den Aus- und Vorrich-
tungsarbeiten und dem, eigentlichen Abbau kann trotz gleichbleibenden Fleißes
und gleichbleibender Arbeitsleistung der Arbeiter eine außerordentlich große
Verschiebung in der Durchschnittstonnenförderung eintreten. In der Regel
werden, wie schon angeführt, in Zeiten schlechteren Geschäftsganges mehr die
Aus- und Vorrichtungsarbeiten und bei starker Nachfrage nach Kohlen mehr
die Abbauarbeiten betrieben; die Folge ist meist ein Steigen der Durchschnitts-
tonnenförderung bei einsetzender Hochkonjunktur. Eine solche ist trotz Hoch-
konjunktur nach 1888 im Saarrevier nicht erfolgt. Damals traf aber die gün-
stige Konjunktur zusammen mit dem ersten großen Streik im Jahre 1889 und
der dann erfolgenden starken Herabsetzung der Arbeitszeit, worauf die Werke
nicht eingerichtet waren.
In den dem Preußischen Abgeordnetenhause zugegangenen Nachrichten
von dem Betriebe der unter der preußischen Berg-, Hütten- und Salinenver-
waltung stehenden Staatstoerke während des Etatsjahres 1908 wird der Einfluß
des Wechsels zwischen Abbau und Vorrichtungsarbeiten recht deutlich gekenn-
zeichnet und zu diesem Punkte gesagt:
,,Außerdem ist zu berücksichtigen, daß seit Beginn des Jahrhunderts an die Leistungs-
fähigkeit der staatlichen Steinkohlenbergwerke an der Saar und in Oberschlesien außerge-
wöhnlich hohe Anforderungen gestellt worden sind, die zu einer stärkeren Belegung der
Abbaue zwangen. Seitdem der Rückgang der Konjunktur eingesetzt hat, müssen daher die
Aus- und Vorrichtungsarbeiten wieder in größerem Umfange betrieben werden, wodurch
naturgemäß die eigentliche Kohlengewinnung beeinträchtigt wird.“
Da die natürlichen Verhältnisse in den verschiedenen Gruben nicht gleich
sind, so kann auch die Höhe der Durchschnittstonnenförderung nicht gleich
sein. Ebenso ist ein gleichmäßiges Schwanken der Höhe der Durchschnitts-
förderung nicht immer möglich. Im Saarrevier waren die Ergebnisse in den ver-
schiedenen Inspektionen auch recht verschieden. Sowohl in den einzelnen Jahren
wie auch im Durchschnitt der letzten 2l Jahre. Folgende Tabelle über die in den
einzelnen Jahren auf den Kopf der mittleren Belegschaft entfallende Fördermenge
in Tonnen zeigt das: Es wurden gefördert pro Kopf der mittleren Belegschaft
einschließlich der Aufsichtsbeamten und Pferdeknechte jedoch ausschließlich der
Gießereiarbeiter:
26
in der
Berginspektion1)
Jahr
Os OS »*1 o» eo OS » Os 1-1 O'! , OS K GO
GO OS OS Os Os Os Os OS Os OS Os OS <0s OS 05 o> o> 'S. Oi OS
go <*> GO GO GO “0 GO oo >5 cs OS OS OS Os Os Os Os OS
1-1 *"t 1-1 >1 1*1 *1 1-1 1-1 1-1 1-1 1-1 *1 1-1 - 1-1
Kronprinz 265 264 243 224 215 219Ì230 232 234 229 226 244 216 208 215 213 199 205 206 194 214 224
Gerhard . . 236 216 205 211 201 2021199 210 219 238 256 244 243 242 247 262 260 255 258 238 243 233
Von der Heydt . 253 240 233 238 215 210 205 209 248 249 253 254 242 229 235 241 238 234 236 214 209 233
Dudweiler 224 210 203 207 201 204 213 214 220 246 243 239 235 216 214 219 2171220 222 209 206 218
Sulzbach . . 263 234 225 235 232 230,240 238 241 241 234 226 224 222 216 217 221245 240 234 241 233
Reden .... 230 ili 202 194 191 183 197 203 234 237 239 216 205 199 208 211 212,217 222 187 196 209
Heinitz . 291 245 240 246 235 222\231 224 232 226 230 224 235 233 236 241 244 245 249 242 236 238
König 279 275 244 245 238 246 237 233 229 225 225 213 209 199 203 212 2161215 213 204 207 227
Friedrichsthal . 225 230 228 223 220 210223 202 211 215 211 213 213 196 198 201 214211 209 201 208 212
Göttelborn 48 72 91 157 180 200 211 263 295 278 275 257 258 221 210 210 208 214 205 219 207 204
Kamphausen 213 209 203\217 216 231 229 254 248 253 257 251 242 236 226 219 211 210 228
Fürstenhausen . 276| 173 173
C <u
•S k
V) 7*
■B’S»
Insgesamt . . \253j 233 223\224 215 *14 219 219{231 234\237\237 228 219 221 223 223 227 227\214\216\226
In der Tabelle sind die Höchst- und Mindestergebnisse der einzelnen Jahre
durch senkrechte Ziffern hervorgehoben. Sie gehen fast immer sehr weit auseinander.
Deutlich ist aus der Tabelle zu ersehen, daß nicht der größere oder geringere
Fleiß der Belegschaften in den einzelnen Inspektionen das verschiedenartige
Ergebnis herbeigeführt haben kann. Es wird vielmehr in der verschiedenartigen
Leistungsmöglichkeit zu suchen sein. Die Schwankungen des Ergebnisses für
die Gesamtbelegschaft ist auch in den schon angeführten Gründen zu suchen.
Zwischen den verschiedenen Inspektionen sind solche verschiedenartigen
Ergebnisse der natürlichen Verhältnisse wegen möglich. Ja mehr noch. Selbst
in einem und demselben Flöz wechseln nicht selten auf engem Raum die Stärke,
Festigkeit und Gewinnungsmöglichkeit der Kohle und des Nebengesteins sehr
erheblich. Mit Recht weist z. B. Herr Bergassessor Herbig in einem Artikel
,,Schwierigkeiten des Lohnwesens im Bergbau“1 2) darauf hin, daß ,,die Grund-
bedingungen für die Leistung auch in nächster Nachbarschaft verschieden sein
könnenHierfür bringt Nieder3) ein recht lehrreiches Beispiel von einer nicht
preußischen Saargrube. Dort wurden drei an Kraft und Fleiß möglichst gleiche
Hauerkameradschaften ausgewählt und im gleichen Flöz mit ziemlich gleich-
mäßiger Entwicklung in einem Strebenbau beschäftigt in den Arbeitspunkten
b, b 1, b 2. Man ließ sie ganz unbeeinflußt unter sorgfältiger unauffälliger Be-
obachtung 8 Monate lang arbeiten, und zwar vom 1. Mai bis Ende Dezember
1907. Das Ergebnis war folgendes:
Auf eine wirklich verfahrene Schicht treffen pro Mann:
Am Arbeits- punkt Mai Ztr. Juni Ztr. 19 Juli Ztr. 97 in de August Ztr. n Monat Sept. Ztr. en Oktbr. Ztr. Novbr. Ztr. Dezbr. Ztr. Durch- schnitt
b 1 25,8 29,4 22,9 26,7 3,7*) 14,5 20,9 21,8 19,7
b 2 29,0 22,7 33,3 30,1 24,6 24,1 15,2 19,8 23,5
b 26,5 25,0 27,4 29,0 26,1 30,8 32,0 33,4 28,7
Auf Grund dieser Ergebnisse berechnet sich eine Jahresleistung a 300
Schichten:
Wechsel der
natürlichen Ver
hältnisse in dem
selben Flöz.
1) Die bei den Zahlen vorhandenen Bruchteile sind, soweit sie mehr wie 1ft betrugen zu
Ganzen nach oben abgerundet und sonst weggelassen-
2) Soziale Praxis. Nr. 9 vom 28. November 1907.
3) Die Arbeitsleistung der Saarbergleute. S. 26.
*) Haben eine Flözverdrückung gehabt.
— 27 —
Art des Abbaues
übt Einfluß auf
die Durch-
schnittstonnen-
förderung aus.
hei bl = 295,5 t
bei b 2 — 352,5 t
bei b — 430,5 t
Also selbst in diesem engen Rahmen, bei der unmittelbaren Kohlenge-
winnung weist die Fördermenge bei jeder einzelnen Kameradschaft in den ver-
schiedenen Monaten und dann zwischen den verschiedenen Kameradschaften
außerordentliche große Schwankungen auf. Die Arbeiter waren daran nicht
schuld. Der auf sichtführ ende Beamte bemerkte nämlich zu dem Ergebnis unter
anderem:
„Hier könnte man leicht die Behauptung auf stellen, daß die Leute in der Arbeit b
recht fleißig gewesen wären und die anderen träger. Nach unserer Überzeugung haben die
sämtlichen Arbeiter in den drei Arbeiten ihre Schuldigkeit getan, d. h. gleich viel gearbeitet.
Es war darauf Bedacht genommen, gleichwertige Arbeiter in jeder Arbeit zu verwenden
Von großem Einfluß auf die Durchschnittsförderung ist auch die Art
des Abbaues. Einige charakteristische Beispiele für die verschiedenartige Er-
giebigkeit mehrerer Abbauarten teilt die Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinen-
wesen im 48. Band mit.1) Auf Grube Dudweiler waren in Flöz 13 Versuche
mit verschiedenen Abbauarten angestellt. Das mit 15 Grad nach Norden ein-
fallende Flöz hatte in dem in Betracht kommenden Teile eine Mächtigkeit von
3,50 Meter Kohle in 4 Bänken ohne Zwischenmittel. Es betrugen bei den ver-
schiedenen Abbauarten:
Art des Abbaues Gewinnungs- und Förderkosten pro Tonne Mk. Material- kosten pro Tonne Mk. Unterhal- tungskosten pro Tonne Mk. Gesamte Selbstkosten pro Tonne Mk. Durchschnitts- förderung pro Monat und Schicht t
Stoßbau 2,04 0,73 0,56 3,33 2,59
Pfeilerrückbau. . . Abbau in zwei Lagen 2,10 0,47 0,45 3,02 2,11
(Streb- u. Rückbau) 1,92 0,36 0,00 2,28 2,99
Ähnliche Erfahrungen wurden, wie an derselben Stelle berichtet wird,
in Flöz 6 im Ostfeld der Grube Dudweiler gemacht. Das genannte Flöz hatte
dort eine Mächtigkeit von 3,19 Meter mit 2,31 Meter Kohle in 5 Bänken, die
durch 4 Bergmittel von insgesamt 0,88 Meter getrennt waren. Es betrugen hier:
Art des Abbaues Gewinnungs- und Förderkosten pro Tonne Mk. Unterhal- tungskosten pro Tonne • Mk. Material- kosten pro Tonne Mk. Kosten insgesamt Mk. Förderung pro Mann und Schicht t
Stoßbau 1,94 0,56 0,26 2,76 2,11
Pfeilerbau Strebbau mit Pfeiler- 1,84 0,42 0,84 3,10 2,11
rückbau 2,32 0,12 0,19 2,63 2,13
Ebenso lehrreiche Beobachtungen machte man bei Versuchen in Flöz
Viktoria auf Grube Itzenplitz im Saarrevier}) Es betrugen dort die Kosten
für eine Tonne in den Versuchsarbeiten:
1. beim Scheibenbau (schwebender Strebbau in der Unterbank, Pfeilerrückbau
in der Oberbank)........................................................ 3,41 Mark
2. beim Scheibenbau (gleichzeitiger Strebbau in beiden Bänken, sodaß der
Abbau in der Unterbank 10 Meter Vorsprung hat).......................... 3,22
0 Versuche und Verbesserungen im Bergwerksbetriebe in Preußen während des Jahres
189g. Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 48. B. S. 116 f.
2) Versuche und Verbesserungen usw. Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 51, B. S. 221.
— 28 —
3. beim schwebenden Pfeilerbau.......................................... 3,25 Mark
4. beim schwebenden Strebbau ............................................ 3,86 „
5. beim streichenden Strebbau............................................. 3,68 ,
6. beim schwebenden Strebbau ........................................... 4,16 „
7. beim streichenden Strebbau............................................ 3,99 ,,
Es sind zwischen den Ergebnissen der einzelnen Abbauarten, wie die
angeführten Beispiele zeigen, außerordentlich große Verschiedenheiten möglich.
Die Arbeiter haben aber auf die Art des Abbaues keinen Einfluß. Unter Berück-
sichtigung der natürlichen Verhältnisse wird von der Betriebsleitung bestimmt,
wie abgebaut werden soll. Recht häufig kann auch sie mit Rücksicht auf das
Leben und die Gesundheit der Beamten und Arbeiter nicht die im Augenblick
rentabelste Abbauart zur Anwendung bringen lassen. Da aber die Arbeiter
absolut keinen Einfluß auf die Art des Abbaues haben, ist es auch aus diesem
Grunde falsch, sie für das mehr oder minder günstige Ergebnis verantwortlich
zu machen, und, sofern irgendwo das Ergebnis ungünstiger wird, einfach zu
sagen, sie hätten weniger gearbeitet.
Auch die Maßnahmen zur Sicherung von Leben und Gesundheit der Ar-
beiter üben einen großen Einfluß auf die Höhe der Durchschnittsförderung aus.
So z. B. die Einrichtungen zur Unschädlichmachung des Kohlenstaubes. Auf
den staatlichen Gruben im Saarrevier wurden nach der am 17. März 1885 er-
folgten Schlagivetter- und Kohlenstaubexplosion auf Grube Camphausen in
ständig größerem Maßstabe Versuche nach dieser Richtung hin angestellt und
immer mehr derartigeEinrichtungen direkt vorgeschrieben. Es ist selbstverständlich,
daß dadurch ein ungünstiger Einfluß auf die Durchschnittstonnenleistung aus-
geübt und auch das direkte finanzielle Ergebnis der Gruben ungünstig beein-
flußt wurde.
Die Nebenarbeiten nahmen erheblich zu. Manche Arbeitskraft wurde
gebraucht, um die Riesel-Leitungen zu legen und in Ordnung zu halten, das
Rieseln zu besorgen und mehr noch, um die infolge der Einwirkung des Wassers
auf das Nebengestein zunehmenden Verbauerarbeiten zu erledigen. Abgesehen
von den Auslagen für Materialien.
Zur Herabminderung der Gefahr von Schlagwetter- und Kohlenstaub-
explosionen wurde dann auch die Schießarbeii auf den Staatsgruben möglichst
eingeschränkt und allerlei Versuche zur Verbesserung der Geschoßmaterialien
gemacht, um der Schießarbeit ihre Gefährlichkeit zu nehmen. Das kostete manche
sich nicht oder doch nicht sofort rentierende Arbeit und ivar auch von großem,
Einfluß auf die Leistungsmöglichkeit, wie einige Beispiele zeigen werden. Nach-
dem im Jahre 1885 auf Grube Camphausen die Schlagwetter-und Kohlenstaub-
explosion erfolgt war, wurde hier das Schießen in dem in Betracht kommenden
Flöz verboten. Die Einstellung der Schießarbeit ivar von großem Einfluß auf die
Durchschnittsförderung und die Gedinge. Es schwankten die Hauptgedinge-
sätze für eine Tonne Kohlen1):
vor Einstellung der Schiessarbeit
unmittelbar nachher
im Herbst 1888
in den Abbaustrecken
zwischen 1,60 und 2,00 Mk.
„ 3,50 „ 3,60 „
„ 1,80 „ 2,20 „
in den Pfeilern
zwischen 1,35 und 1,70 Mk.
» 2,00 „ 2,10 „
» L20 „ 1,50 „
Unmittelbar nach Einführung des Schießverbots mußte also das Ge-
dinge bedeutend erhöht werden. Später ging es infolge der Gewöhnung der Ar-
beiter wieder ungefähr auf die alten Sätze zurück. In den Abbaustrecken blieb
es etwas höher wie früher und in den Pfeilern sank es gar unter den früheren
Maßnahmen zur
Sicherung von
Leben uiul Ge-
sundheit beein-
flussen die
Durchschnitts-
förderung.
Einschränkung
der Schießarbci
U Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 37 B. S. 126.
— 29 —
Stand, hauptsächlich deshalb, weil die Strecken jetzt sehmaler, die Pfeiler hin-
gegen stärker genommen ivurden.
Auch auf anderen Gruben ivurden ähnliche Erfahrungen gemacht. So
machte inan in den 1890er Jahren auf den Saargruben König und. Wellesweiler
den Versuch, die Schießarbeit durch Keilarbeit zu ersetzen. Das Ergebnis war
folgendes1):
Es betrugen in pro Hau aufgefahrene m der Grundstre er schickt Tonnen- förderung cke Kosten für i m Grundstrecke beim Strebbau Tonnen- Kosten für förderung pro r Tonne Hauerschicht Kohlen
bei Keilarbeit .... bei Schießarbeit . . . 0,094 0,168 0,486 1,180 46,28 | 31,07 1,07 1,68 3,90 2,49
Keilarbeit ist teuerer um n 48,95% 56,62%
Auf Grube Maybach wurden bei einem ähnlichen Versuche in den Ab-
baustrecken des Flözes 4 erzielt* 2):
Arbeitsart Leistung Stück- kohlen Gries Stückkohlen- fall in % Gedinge für 1 Tonne Leistung pro Hauerschicht
t t t Mk. t
mit Schießerlaubnis 29,5 11,54 17,96 39 2,40 1,6
mit Schießverbot . 18 10,24 7,76 56,9 4,00 0,95
Der höhere Stückkohlenfall bei der Arbeit mit Schießverbot wiegt bei
weitem nicht den gegenüberstehenden Verlust auf.
Im Anschluß an vorstehendes Ergebnis bringt die amtliche Zeitschrift
noch das Ergebnis einiger weiterer Versuche. In einer Grundstrecke in Flöz
Thielemann der Grube König betrug:
Arbeitsart Ged pro Meter Mk. inge pro Tonne Mk. Ijeis pro Hai in m tung lerschicht an Kohlen t Verdienter Bruttolohn pro Schicht Mk. Kosten des laufenden Meter Mk.
bei Schießarbeit mit hiesigen Bergleuten 17 2 0,168 1,180 4,69 31,07
bei Keilarbeit mit Fran- coisschen Keilen und bel- gischen Arbeitern . . . 25 2 0,120 0,944 4,79 39,44
Bei der Keilarbeit wurde die Strecke 20 Zentimeter breiter aufgefahren.
Wird dies berücksichtigt, so war die Keilarbeit um 28,5 Prozent teurer. In einer
schwebenden Strecke in Flöz Wrangel erwies sich die Keilarbeit sogar um 47,5
Prozent teurer als die Schießarbeit und betrugen hier:
Gedinge Leistung pro Hauerschicht Verdienter Kosten des
Arbeitsort pro m Mk. pro t Mk. in m an Kohlen t Bruttolohn pro Schicht Mk. laufenden m Mk.
bei Schießarbeit 13 2 0,213 1,12 4,65 25,25
bei Keilarbeit . . 26 2 0,117 0,625 4,18 37,19
x) Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 44 S. 167 f.
2) Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 45 S. 193.
— 30 —
Für Grube Maybach berechnet Dröge1) den durch die Beschränkung
der Schießarbeit für das Jahr 1894/95 entstandenen Minderuberschuß auf
0,136 Mark für jede Tonne der Gesamtförderung von 402 600 Tonnen. Dazu
kommen noch 6500 Mark Kosten für die Maßregeln zur Herabminderung der
Gefahren der Schießarbeit und dann die durch die Benetzung des Kohlenstaubes
entstandenen Kosten von 46 950 Mark. Die gesamten Kosten der Maßregeln
zur Erhöhung der Sicherheit betrugen in dem genannten Jahre für die Grube
Maybach 106 086 Mark, oder 0,263 Mark für die Tonne.
Eine Vermehrung der Nebenarbeiten wurde auch dadurch herbeigeführt,
daß im Vergleich zu früher im Interesse der Sicherheit in den Gruben höhere
Ansprüche an die Einrichtungen zur Bewetterung, insbesondere auch an die
unterirdischen Wetterwege gestellt wurden.
Durch Einführung des systematischen Ausbaues suchte man die Arbeiter
mehr wie früher gegen die Gefahr des Stein- und Kohlenfalles zu schützen, was
wiederum nicht zur Erhöhung der Durchschnittstonnenförderung beitrug.
Die zunehmende Teufe der Gruben übte auch einen ungünstigen Einfluß
auf die Durchschnittstonnenförderung aus. Ebenso die Einführung des Abbaues
mit Bergeversatz.
Auch die in den letzten Jahren erfolgte schärfere Beobachtung der berg-
polizeilichen Vorschriften trug außerordentlich zur Herabminderung der Durch-
schnittstonnenförderung auf die Gesamtbelegschaft bei. Am 28. Januar des
Jahres 1907 fanden auf der Saargrube Reden bei einer Schlagwetter- und Kohlen-
staubexplosion 150 Mann ihren Tod, am 14. März desselben Jahres forderte eine
Explosion auf der im benachbarten Lothringen liegenden Grube Kleinrossein
etwa 80 Opfer. Sofort nach den Unfällen schrieb das Organ des Gewerkvereins,
„Der Bergknappein seiner Nr. 13 vom 28. März 1908, die Durchschnitts-
förderung werde zurückgehen und führte zur Begründung u. a. an:
„Als Hauptgrund hierfür kommen die letzten großen Bergunglücke im Saarrevier in
Frage. Solche Unglücke beeinflussen nicht nur vorübergehend die Förderung der be-
troffenen Grube, sie bilden ein Menetekel für die gesamten Gruben desselben Reviers. Durch
eine plötzliche Katastrophe wird jedesmal bewirkt, daß man alle Einrichtungen und Ver-
hältnisse, die auch nur vorübergehend den Bergpolizeiverordnungen nicht oder nicht ganz
entsprechen, sofort abzuändern sucht. Das ganze Bestreben aller leitenden Personen geht
dann nur dahin, den Betrieb in allen Teilen mit den Bergpolizeiverordnungen in Einklang
zu bringen, ganz ohne Rücksicht auf die Kohlenförderung. Mit aller Schärfe wird nun auf
die Ausführung der Arbeit nach dem Buchstaben des Gesetzes gedrängt; der Bergmann wird
angehalten, alle seine Arbeiten und Verrichtungen peinlich genau auszuführen. Dem
Ausbau vor dem Kohlenstoß, dem Streckenausbau, dem Berieseln des Kohlenstaubes, der
Untersuchung auf schlagende Wetter wird die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Der Berg-
mann braucht zur recht gründlichen Ausführung dieser Verrichtungen natürlich sehr viel
mehr Zeit, als wenn er sie nur mittelmäßig oder gar oberflächlich besorgt. Die auf diese
Nebenarbeiten verwendete Zeit ist für die Kohlengewinnung verloren; die Kohlenförderung
geht zurück, während die eigentliche Leistung des Bergmannes dieselbe geblieben ist oder
sich gar erhöht hat. Die eigentliche Leistung der Bergleute bleibt also dieselbe, während die
Tonnenleistung zurückgeht. Es zeigt sich, daß man unter den angeführten Verhältnissen
nicht von einem Rückgang der Kohlenförderung ohne weiteres auf einen Rückgang der Leistung
der Bergleute schließen darf. Viel eher könnten aus der vorübergehend verminderten Kohlen-
förderung schließlich ganz andere Schlüsse gezogen werden: die Differenz zwischen der
ehemaligen Kohlenförderung und der nach der Katastrophe erreichten bildet einen Grad-
messer für die Arbeit, die zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter früher
versäumt wurde. Niemand wird es wohl bestreiten wollen, daß das Verhältnis ideal ist,
wenn mit allen, auch mit den schärfsten Mitteln auf den Schutz des Lebens der Arbeiter
hingewirkt wird. Ein Rückgang der Förderung durch die angegebenen Ursachen bedeutet
daher keinen Verlust.
') Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 45 B. S. 195 f.
— «37 —
Systematische r
Ausbau.
Zunehmende
Teufe der Grüben
Bergeversatz.
Schärfere Beob-
achtung der berg-
polizeilichen
Vorschriften.
Nach den Schlagwetterexplosionen im Saarrevier ging man dem Kohlenstaub ganz energisch
zu Leibe. Die Zahl der mit der Befeuchtung des Kohlenstaubes beschäftigten Leute wurde
verdoppelt, es wurden Spritzmeister angestellt. Diese wurden aus älteren zuverlässigen
Hauern ausgewählt; der eigentlichen Kohlengewinnung wurden dadurch viele Leute ent-
zogen. Die neuen Spritzenmeister sparten nicht an Wasser, die Strecken schwammen.
Der Kohlenstaub wurde mit aller Gründlichkeit beseitigt, wodurch aber andere Übelstände
erzeugt wurden. Die Seitenstöße der Strecken bröckelten durch das intensive Naßmachen
los, die Bergemauern der Strebestrecken usw. brachen herein, das Liegende quoll auf. Für
die Unterhaltung der Strecke wurden mehr Leute erforderlich, die wiederum der Kohlen-
gewinnung entzogen wurden, aber- trotzdem wurden die Störungen der Kohlenförderung,
die durch das Hereinbrechen von Felsmassen und Heben des Liegenden entstanden, größer.
Nun der nicht gerade seltene Fall, daß an irgend einer Stelle die Spritzwasserleitung
bricht. Geschossen darf nicht werden, bevor die Schußstelle in einem Umkreise von zehn
Metern berieselt wird. Ein Bruch der Wasserleitung, dessen Beseitigung unter Umständen
mehrere Stunden dauern kann, bedingt bei strenger Handhabung der Bergpolizeiverordnungen
das Einstellen der Schießarbeit für den Feldesteil, dem kein Spritzwasser zugeführt werden
kann. Muß der Bergmann aber ohne Schießarbeit auskommen, so kann er auch bei größter
Anstrengung nicht das übliche Kohlenquantum fördern. Hier wie früher wieder das gleiche
Bild: die Kohlenförderung und damit auch die Tonnenleistung geht zurück, während die
eigentliche Leistung der Bergleute dieselbe bleibt oder gar steigt.
Nach den großen Grubenunglücken wurde eine Befahrungskommission ins Saarrevier
entsandt, um Mängel und Mißstände aufzudecken und Vorschläge zu machen, wie jenen
abzuhelfen ist. Am besten wäre es gewesen, wenn diese Kommission bei ihrer offiziellen
Ankündigung bereits im Saarrevier angelangt war und dort innerhalb weniger Tage alle
Gruben befahren hätte. Wie war nun die Sache in Wirklichkeit? Die Kommission war
vor ihrer Ankunft avisiert. Zwischen der Befahrung der ersten und letzten Grube lagen
Monate, zudem waren die Grubenfahrten genau bestimmt und festgelegt, man wußte be-
stimmt, wohin die Kommission fuhr und wohin sie nicht fuhr. Die Folgen dieser Maß-
nahmen war naturgemäß die, daß die Gruben sich vorbereiten und die von der Kommission
befahrenden Baue herrichten konnten, daß es nirgends etwas auszusetzen gab. Doch das
fällt nicht in den Böhmen dieses Aufsatzes. Was hier interessiert, ist der Umstand, daß die
Gruben, die noch den Besuch der Kommisson erwarteten, ihr ganzes Augenmerk auf eine
den Vorschriften entsprechende Zurichtung ihrer Betriebe richtete. Das kostet Geld und
Zeit. Und die darauf veruxmdte Zeit geht bei der Kohlengewinnung verloren. Hier handelt
es sich nicht um Hunderte, sondern um Tausende von Tonnen Kohlen, die plötzlich weniger
gefördert werden. Ein solcher Rückgang muß selbstverständlich auf die Tonnenleistung
der Gesamtbeleg schaß ungünstig einwirken.
Die bisher angeführten Gründe für den Rückgang der Förderung wurden durch die
furchtbaren Katastrophen gegeben; je weiter die Begebnisse in die Vergangenheit rücken,
je mehr treten die früheren Verhältnisse, die normale Handhabung derVorSchriften wieder
in den Vordergrund, und in demselben Verhältnisse steigt die Kohlenförderung wieder. Wenn
man an den Schutz des Lebens und die Gesundheit der Bergleute denkt, muß man die Stei-
gerung der Kohlenförderung durch diese Ursache bedauern.1'’
Der Vorhersage des ,,Bergknappen“ entsprechend ging dann auch die
Durchschnittstonnenförderung auf den Kopf der Gesamtbelegschaft um 13 Tonnen
zurück. Und das in einer Zeit der Hochkonjunktur. Daß wirklich das Unglück
und seine Folgen zu dem Rückgang der Durchschnittsförderung zum mindesten
mit beitrug, geben auch die dem Hohen Hause der Abgeordneten (21. Legislatur-
periode II. Session 1908/09) zugegangenen Nachrichten von dem Betriebe der
unter der preußischen Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung stehenden Staats-
werke während des Etatsjahres 1907 zu. Dort wird der Rückgang der Förderung
an der Saar zum Teil auf die Arbeiterverhältnisse und die Abwanderung jüngerer
leistungsfähiger Arbeitskräfte zurückgeführt und hinzugefügt:
,,Ferner machte sich der Einfluß des Redener Massenunglücks am 28. Januar 1907
in einem Rückgänge der Leistungen stark bemerkbar. Zu der Abnahme der Arbeitsleistung
trugen auch nicht unwesentlich die aus Anlaß dieses Unglücks gesteigerten Sicherheits-
maßnahmen und die Verschärfung der bergpolizeilichen V or Schriften bei." (S. 4.)
Ähnlich spricht sich auch der amtliche Bericht über ,,Die Bergwerks-
industrie und Bergverwaltung Preußens im Jahre 1907“ in der Zeitschrift für
— 32 —
Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung (Bd. 56, B. B. 546) aus und fügt noch
hinzu:
„Auch das finanzielle Ergebnis des staatlichen Steinkohlen-Bergbaues im Saarbezirk
litt unter diesen Verhältnissen, zumal erhebliche Mehrausgaben für Löhne und Materialien
erforderlich waren.1'
Die dem Preußischen Abgeordnetenhause zugegangenen Nachrichten
von dem Betriebe der unter der 'preußischen Berg-, Hütten- und Salinenver-
waltung stehenden Slaatsiverke während des Etatsjahres 4908 schreiben ebenfalls:
„Bei den Steinkohlenbergwerken haben die Massenunfälle der letzten Jahre, sowie
die auf mehreren tiefen Gruben des Saarbezirks und Westfalens in neuerer Zeit erfolgten
Gasausbrüche zu einer Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen genötigt. Diese hat die
Arbeitsleistung beeinträchtigt, eine Vermehrung der lediglich im Sicherheitsinteresse er-
forderlichen Arbeitsschichten und einen gesteigerten Verbrauch an Materialien zur Folge
gehabt.“ (S. 10.)
Trotzdem diese sachlichen Gründe den Rückgang der Durchschnitts-
tonnenförderung und auch das ungünstige finanzielle Ergebnis verschuldeten,
erlaubte sich die Handelskammer Saarbrücken in ihren Jahresbericht für 1907
die christlichen Gewerkschaften dafür verantivortlich zu machen. Wörtlich
schrieb sie:
„Für die Saareisenindustrie bedeutet dsa Zurückbleiben der Fettkohlenförderung
und infolgedessen der verfügbaren Kokskohlenmengen hinter den Erfordernissen der Kon-
junktur einen schweren stetig wachsenden Schaden, welcher an die Grundlage ihres Daseins
zu rühren beginnt. Wenn auch das Redener Unglück, die schärfere Handhabung der berg-
polizeilichen Vorschriften und die starke Steigerung der Pensionierung von Bergleuten infolge
der höheren Sätze des neuen Knappschaftsstatuts auf ein Zurückbleiben der Kohlenförderung
1907 mit eingewirkt haben, so sind doch offenbar auch noch andere Kräfte dabei mit wirksam
gewesen. An erster Stelle scheint hier die Tätigkeit der christlichen Gewerkschaften zu
stehen, welche auf eine, Einschränkung der Leistung des einzelnen hinarbeiten !! Dies ist
bereits 1906 deutlich in die Erscheinung getreten. Nach den Berichten des preußischen
Handelsministers an den preußischen Landtag über die Förderung der Saarkohlengruben
entwickelten sich Jahreslohn und Jahresleistung bei den eigentlichen Grubenarbeitern des
staatlichen Saarkohlenbergbaues:
1902 1189 Mark 4,07 Mark 307,7 Tonnen
1903 1213 Mark 4,12 Mark 309,8 Tonnen
1904 1230 Mark 4,22 Mark 312,6 Tonnen
1905 1239 Mark 4,29 Mark 314,4 Tonnen
1906 1283 Mark 4,40 Mark 303,4 Tonnen
Während, 1905 also die Jahresleistung auf den Kopf des Bergmannes noch 314,4
Tonnen Kohle betrug, so belief sie sich 1906 nur noch auf 303,4 Tonnen Kohle, war also
um 11 Tonnen oder rund um die Arbeitsleistung von elf Arbeitstagen gefallen. Der Durch-
schnittsbergmann hatte so lässig gearbeitet, als hätte er elf Arbeitstage gar nichts getan
und die übrige Zeit nur ebensoviel wie im Vorjahre.“
Offen werden hier die Bergleute der Faulheit geziehen und die christlichen
Gewerkschaften verdächtigt, auf eine Einschränkung der Leistung hinzuarbeiten.
Ein Beweis für diese die Bergleute beleidigende und die christlichen Gewerk-
schaften beschimpfende Behauptung ivird nicht erbracht. Er ist auch nicht zu
erbringen, weil die Behauptung der Wahrheit widerspricht. In Bezug auf den
Vorumrf der Faulheit wird sie ja schon durch die amtlichen Berichte widerlegt.
Aber auch in Bezug auf die christlichen Gewerkschaften stimmt sie nicht. Auch
hier ist das Gegenteil richtig. Nieder1) versuchte über diese Frage Klarheit zu
schaffen. Er richtete deshalb ganz unvermittelt, ohne den Grund hierfür anzugeben
an die Bezirksleitung des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter die Anfrage,
in welchen Gruben der Gewerkverein die meisten Mitglieder hatte. Er erhielt
die Antwort: ,,Die meisten in Grube Dudweiler, von der Heydt, Gerhard, Sulz-
l) Die Arbeitsleistung der Saarbergleute. S. 83.
— 33 —
Unbegründeter
Vorwurf d. Saar-
brücker Handels-
kammergegen die
christl. Gewerk-
schaften.
Versuchsarbeiten
beeinflussen auch
d. Durchschnitts-
förderung.
Manche Aender-
ungen wirkten
leistungs-
mehrend.
Leistungs-
mindernde
Aenderungen
überwiegen die
leistungs-
mehr enden.
bach“. Gerade diese Gruben aber hatten mit Ausnahme von Sulzbach im Jahre
1906 noch eine Steigerung der Förderleistung pro Kopf der Gesamtbelegschaft
zuwege gebracht, während für das gesamte Revier ein Sinken zu verzeichnen
war. Es kann also keine Rede davon sein, daß die christlichen Gewerkschaften
an dem Rückgang der Leistungen die Schuld tragen.
Von welchem Einfluß die strenge Beobachtung der bergpolizeilichen Vor-
schriften auf die Durchschnittsförderung sein kann, dafür noch ein Beispiel.
In einer im Oktober 1910 abgehaltenen Sitzung des Grubenausschusses der Berg-
inspektion V wies ein Ausschußmann darauf hin, daß an dem betreffenden
Tage etwa 50 Tonnen weniger gefördert seien wie sonst, weil alle Sicherheits-
männer gefahren hätten.1)
Es darf dann auch nicht vergessen werden, daß die zahlreichen Versuchs-
arbeiten, die auf den Staatsgruben vorgenommen werden, einen ungünstigen Ein-
fluß auf die Durchschnittstonnenförderung ausüben müssen. Damit soll nichts
gegen diese Versuchsarbeiten gesagt iverden. Im Gegenteil. Sie sind im Interesse
des gesamten, auch des Privatbergbaues, notiuendig und ist zu wünschen, daß auch
in Zukunft der Staatsbergbau auf diesem Gebiete vorbildlich bleibt. Es muß
aber diese Arbeit bei der Beurteilung der Arbeitsleistung berücksichtigt werden.
Man kann, wenn durch solche Arbeiten die Durchschnittstonnenleistung ungünstig
beeinflußt wird, nicht die Arbeiter dafür verantwortlich machen. Notwendig
ist aber eine Aenderung des bisher herrschenden Systems, welches dem Staats-
bergbau die ganzen Lasten der Versuche auf ladet, ohne ihm den entsprechenden
Vorteil zu bringen. Der Hauptnutzen, den solche Versuche bringen können,
geht dem staatlichen Bergbau infolge des starken Wechsels in den höheren
Beamtenstellen verloren.
Nicht verschwiegen werden soll, daß auch manche Änderungen, die in den
letzten Jahrzehnten zur Einführung gelangten, die Durchschnittstonnenförderung
günstig beeinflußten. Wir nennen nur die Verbesserung der Fördereinrichtungen,
der Schießmaterialien, des Gezähes usw. Wie weit solche Verbesserungen
die Durchschnittsförderung erhöhten, läßt sich nicht nachweisen. Ebenso ist
auch nicht genau abzuschätzen, welchen Einfluß die erfolgten Änderungen, die
im entgegengesetzten Sinne wirkten, hatten. Eines aber steht fest: Die in den
Arbeiterverhältnissen und im ganzen Grubenbetriebe erfolgten leistungsmindernden
Änderungen überwiegen in ihrer Wirkung offensichtlich weit die leistungsmeh-
renden. Besondere Beobachtung verdient insbesondere die erhebliche Abnahme
des Prozentsatzes der eigentlichen Bergarbeiter, die mit der Aus-und Vorrichtung,
dem Abbau und der Förderung beschäftigt und die Zunahme des Prozentsatzes
der Arbeiter, die mit den Nebenarbeiten betraut sind. Es kann nicht die Spur
eines Beiveises für die Behauptung erbracht werden, die Arbeitsleistung, d. h.
die Arbeitsfähigkeit und Arbeitsiuilligkeit und die infolgedessen aufgewendete
Arbeitsenergie sei zurückgegangen. Das Sinken der Durchschnittstonnenförderung
auf den Kopf der Gesamtbelegschaft beweist nach dieser Richtung hin nichts.
Ihm gegenüber kann mit Recht auf die veränderte Gesamtlage im Bergbau und die
bedeutende Steigerung der Durchschnittstonnenförderung auf den Kopf der Klasse
A hingewiesen werden. In diesem Zusammenhänge muß einmal ganz entschieden
gegen den immer wiederkehrenden Vorwurf, die Saarbergleute würden weniger
leistungswillig, protestiert werden. Ein solcher unberechtigter Vorwurf ist nicht
geeignet, die Berufsfreudigkeit zu heben und die Bergleute zufrieden zu erhalten.
Um das Unberechtigte des Vorwurfes der Minderleistung nachzuweisen, haben
viele Arbeiter sich in der letzten Zeit angeboten, unter Beamtenaufsicht zu arbeiten.
1J Bergknappe Nr. 44, 1910.
34
Da man seitens der Grubenverwaltungen hierauf nur sehr selten einyegangen ist,
kann angenommen werden, daß auch in Beamtenkreisen bekannt ist, daß eine
absichtliche Minderleistung erfunden ist, um die außergewöhnlich schlechten
Löhne einigermaßen begründen zu können und eine höhere Tonnenförderung
zu erzielen. Man sollte aber solche Vorwürfe unterlassen. Mit Recht sagt der im
Staatsbergbau beschäftigte Bergassessor Herbig, daß im Bergbau sicherlich nicht
mehr faule oder sonst minderwertige Arbeiter beschäftigt sind als in irgend einem
andern Gewerbe.1) Es ist deshalb auch unberechtigt, die Bergleute in ihrer Ge-
samtheit der absichtlichen Zurückhaltung der Leistung zu zeihen. Durch
ihre Arbeitsleistung haben sich die Saarbergleute einer Aufbesserung der Löhne
nicht unwürdig gemacht.
¿Die ¿Rentabilität des staatlichen ¿Bergbaues an der Saar.
In den letzten Jahren wurde ganz außerordentlich über mange'nde Ren-
tabilität des staatlichen Bergbaues an der Saar geklagt. Sowohl von Vertretern
der Königl. Staatsregierung als auch von Mitgliedern des Hohen Hauses der
Preußischen Abgeordneten. Auch den Arbeitern gegenüber ist seit Jahren
immer wieder auf die mangelnde Rentabilität des Staatsbergbaues hingewiesen
worden, wenn diese den Wunsch nach höheren Löhnen aussprachen. Vielfach
wurden auch, wie schon im vorigen Abschnitt erwähnt, die Arbeiter für die an-
geblich vorhandene mangelhafte Rentabilität verantwortlich gemacht. In weiten
Kreisen des Volkes sind durch die Klagen ganz falsche Vorstellungen über die
wirkliche Sachlage geschaffen, sowohl über den Fleiß der Saarbergleute als auch
über die Rentabilität des staatlichen Bergbaues überhaupt. Über die erste Frage
ist bereits im vorigen Abschnitt das Nötige gesagt worden. Hier soll nun noch
einiges zu der Frage der Rentabilität der Saargruben angeführt werden.
Es ist grundsätzlich falsch, unter allen Umständen vom Staatsbergbau eine
vom kapitalistischen Gesichtspunkte aus genügende Rente zu verlangen, weil
ja der Bergbau des Staates nicht allein von kapitalistischen Gesichtspunkten
aus verwaltet werden soll und wird. Immer wieder ist bei der Beratung des Etats
der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung und auch bei anderen passenden
Gelegenheiten im Preußischen Landtage verlangt worden, der Staat solle sich
bei der Verwaltung seines Bergwerksbesitzes nicht allein von dem Streben nach
einem möglichst hohen Überschuß, sondern auch von anderen Rücksichten leiten
lassen. Man verlangte eine möglichst weitgehende Rücksichtnahme auf die
Interessen der Landwirtschaft, der landwirtschaftlichen und sonstigen Genossen-
schaften beim Verkauf der Kohlen, wünschte eine im Interesse der Allgemeinheit
liegende Preispolitik der Staatsgruben und forderte insbesondere in Zeiten der
Kohlenknappheit die Bevorzugung der inländischen vor den ausländischen
Konsumenten.
Die Folgen waren für den Staatsbergbau nicht sehr erfreulich und trugen
außerordentlich dazu bei, seine Rentabilität herabzusetzen. Hierfür einige Beweise.
In seiner Arbeit über ,,Die Absatzverhältnisse der Königlichen Saarbrücker
Steinkohlengruben in den letzten 20 Jahren (1884 bis 1903)“ führt Herr Bergrat
R. Zörner1 2) z. B. an, daß im Jahre 1889 eine Kohlenknappheit bestanden habe
und fährt wörtlich fort:
„Im Jahre 1890 dauerte dieser Zustand der Kohlenknappheit noch fort, die Berg-
werksdirektion bevorzugte als staatliche Verwaltung besonders den deutschen Markt und
1) Soziale Praxis Nr. 9 1907 und Glückauf 1907. S. 1751.
2) Der Steinkohlenbergbau des Preußischen Staates in der Umgebung von
Saarbrücken, 4. Teil.
Klagen über
mangelnde Ren-
tabilität des
Staatsbergbaues.
Staatsbergbau
braucht keine
vom rein kapita-
listischen Stand-
punkt aus genü-
gende Rente
bringen.
35
deckte zunächst den Bedarf ihrer alten Kunden, so daß sich diese, genau wie 1899/1900,
gegenüber den Verbrauchern anderer Herkünfte sehr im Vorteil befanden.
Die großen Anforderungen der Eisenbahnverwaltung, welche infolge des westfälischen
Kohlenarbeiterausstandes ihren Lokomotivkohlenbedarf nicht mehr decken konnte, im Verein
mit denen der engeren Saarindustrie, die wie immer in Zeiten geschäftlicher Hochflut vor-
zugsweise Deckung ihres Bedarfs verlangte, riefen bald eine ziemliche Unruhe auf dem
Saarkohlenmarkte hervor, und es schien sich sogar mangels 'jeglicher Vorräte eine Kohlennot
zu entwickeln.
Man begann deshalb die Ausfuhr tmch Frankreich einzuschränken, eine Maßnahme>
die sich bezüglich ihres Zweckes als ziemlich wirkungslos, bezüglich ihrer Folgen aber als
sehr verderblich erwiesen hat. Tatsächlich wurde die Bergwerksdirektion durch die über-
triebenen Ansprüche, welche an sie als staatliche Verwaltung herantraten, zu Entscheidungen
zugunsten einzelner großer Interessengruppen gedrängt, die dem Saarkohlenhandel in den
nächsten Jahren schwere Wunden geschlagen haben. Sehr bald war nämlich die Einschrän-
kung des Absatzes nach der Schweiz und Frankreich und die Berechnung der Tagespreise
für diese Sendungen nicht mehr nötig. Die Begünstigung des nicht mehr aufnahmefähigen
Inlandes hatte inzwischen aber überall eine solche Übererzeugung geschaffen, daß eine Stockung
im Kohlenbezug eintrat und die Bergwerksdirektion zwang, die Ausfuhr nach dem Auslande
mit aller Macht wieder aufzunehmen. Auch damals zeigte sich schon, daß die Abnehmer,
die am schärfsten und rücksichtslosesten sich den Saarkohlenbezug für ihre Zwecke dienstbar
zu machen verstanden hatten, am ehesten sich anderen Bezugsquellen zuwandten und es der
Bergwerksdirektion überließen, sich mit den Mengen abzufinden, die durch Einschränkung
des Absatzes nach dem Auslande und durch Vernachlässigung der dortigen langjährigen
Kunden frei geworden waren.
Es mußten deshalb unter schweren Opfern für die Verwaltung und die Belegschaft
neue Abnehmer aufgesucht werden.11 (S. 9 f.)
Ähnlich äußert sich Zörner an einer anderen Stelle der Schrift. (S. 20).
In der Hochkonjunktur von 1907 veranlaßten die Rücksicht auf die
Industrie des Saarreviers die Königliche Bergwerksdirektion , von einer möglichen
Erhöhung der Preise Abstand zu nehmen. Der Saarbergbau konnte damals
den an ihn gestellten Ansprüchen nicht gerecht werden, weil die Förderung
infolge des Redener Vnglücks zurückblieb und es an der genügenden Zahl gelernter
Arbeiter fehlte.
„Mit Rücksicht auf diese Unzuträglichkeiten haben wir/1 so berichtet die Berg-
werksdirektion an die Saarbrücker Handelskammer/) „im Gegensätze zu fast sämtlichen
Übrigen deutschen Kohlenrevieren in unserem natürlichen Absatzgebiete von jeder auch noch
so geringen Preissteigerung Abstand genommen. Diese Maßnahme hat bei den stetig stei-
genden Ausgaben für Löhne und Materialien natürlich auf unsere geldlichen Ergebnisse
einen recht ungünstigen Einfluß ausgeübt. “
Sogar im Preußischen Abgeordnetenhause fand die von der Bergwerks-
verwaltung auf die kleinen Landwirte und Genossenschaften geübte Rücksicht
schon Widerspruch. Bei der zweiten Beratung des Etats der Berg-, Hütten- und
Salinenverwaltung am 1. März 1910 führte hierzu noch der Abgeordnete Macco
и. a. aus:
„Meine Herren, nun möchte ich noch ein Wort über die kaufmännische Verwaltung
sagen. Gerade im Saarbrücker Bezirk wird ganz bitter darüber geklagt, daß der frühere
Handelsminister sich in bezug auf die kaufmännische Verwaltung zu Anordnungen hat
hinreißen lassen, die direkt dem wirtschaftlichen Interesse, der Ausnutzung der Produkte
an der Saar widersprechen. Der Herr Handelsminister hat, dem Druck nachgebend, seiner-
zeit den Auslandverkauf einschränken lassen, lediglich um die kleinen Landwirte und die
Genossenschaften zu befriedigen. Er hat Anordnungen getroffen, daß auf die Wünsche
der Industrie weniger Rücksicht zu nehmen sei, als auf die Wünsche von dieser Seite. Durch
dieses wohlgemeinte, aber total unrichtige Verfahren ist die Saarindustrie stellenweise in
schwere Bedrückung gekommen. Eine große Anzahl von süddeutschen Gaswerken ver-
braucht heute lieber teure englische und westfälische Kohle, um sich nicht der Unzu-
verlässigkeit des Handelsbureaus in Saarbrücken auszusetzen; der Absatz stockt, und die
l) Jahresbericht der Handelskammer Saarbrücken für 1907. S. 8.
— 36 —
geförderte Kohle muß in großen Haufen auf die Halde geschmissen werden(Stenogr.
Bericht, Sp. 2461.)
Es ist falsch, auf der einen Seite von der staatlichen Bergwerksver-
waltung alle möglichen vom kapitalistischen Standpunkt des Saarbergbaues
aus schädliche Rücksichten auf das Inland, die inländische Industrie, kleine
Händler und Genossenschaften usw. zu fordern und gleichzeitig vom Saarberg-
bau eine Verzinsung zu verlangen, wie sie nur ein rücksichtlos nach kapitalistischen
Grundsätzen geleiteter Betrieb bringen kann.
Trotz seiner Rücksichtnahme auf die Allgemeinheit ist der staatliche Berg-
bau an der Saar nicht unrentabel, er rentiert sich sogar recht gut. Leider fehlt
uns eine genaue und, zuverlässige Nachweisung der Höhe des im Saarbergbau
angelegten Kapitals. Auch in den Materialien, die dem Abgeordnetenhause
zugehen, findet sich eine solche nicht. Wir können deshalb auch nicht einfach
glatt ausrechnen, mit wieviel Prozent sich dieses verzinst. Bei der zweiten Be-
ratung des Etats der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung für das Jahr 1909
wurde in der 33. Sitzung des Hauses der Abgeordneten am 17. Februar 1909 vom
Berichterstatter Herrn Abg. Stengel (Staßfurt) aber auch diese Frage berührt.
Er führte dazu aus:
„Die Staatsregierung hat uns auch in der Kommission mitgeteilt eine Aufstellung,
wie sich die Rentabilität der staatlichen Werke gestaltet. Demnach stellt sich der Kapitalwert
auf im ganzen etwas über 291 Millionen Mark. Hierbei ist angenommen als Kapitalwert
der Wert des Grund und Bodens, der Wert der Gebäude, der Betriebsanlagen und der Wert
der Geräte, und dann der Kapitalwert derjenigen Kohlenfelder, die vom Staate angekauft
sind. Sie sind mit dem dafür bezahlten Kapital eingestellt und werden allmählich amor-
tisiert. Ebenso werden alljährlich abgeschrieben von den anderen Anlagen: bei massiven
Gebäuden 1 Prozent, 2 Prozent von Fachwerkgebäuden und 10 Prozent von den Maschinen.
Durch frühere Reservationen oder auch durch Mutungen erworbene Felder werden mit
einem Kapitalwert nicht eingesetzt, ebensowenig die Herstellung der Schächte und die unter-
irdischen Anlagen. Nach der Berechnung, die auf diese Basis gestellt worden ist, rentiert
sich der staatliche Bergbau mit etwa 9\'4 Prozent(Stenogr. Bericht der 33. Sitzung am
17. Febr. 1909.)
Verschiedentlich wurde bemängelt, daß nicht auch der Kapitalwert der-
jenigen Kohlenfelder, die durch frühere Reservationen oder Mutungen erworben,
in die Bilanz eingestellt und mit der Berechnung des Zinsertrages zu Grunde
gelegt sind. Man kann aber doch gegen den Grundsatz nichts einwenden, daß
man Vermögensobjekte, die dem Staate nichts gekostet haben, nicht mit einem,
gewissen Betrage in die Vermögensaufstellung einstellt. Abgesehen davon, daß
der Wert der Gerechtsame doch nur durch Schätzungen und deshalb nicht zuverlässig
zu ermitteln ist.
Mehrfach ist auch schon verlangt worden, die Schachtanlagen und, die
unterirdischen Anlagen sollten ebenfalls mit ihrem Werte in die Vermögens-
aufStellung einbegriffen werden. Von dem. hier angelegten Kapital kann man
aber doch kaum noch besondere Zinsen verlangen. Denn die genannten Anlagen
wurden in früheren Jahren unter den laufenden Ausgaben gebucht, sind also
damals von den Überschüssen in Abzug gebracht. Besondere Kapitalien, die
eine Verzinsung und Amortisation verlangen können, sind in diese Anlagen
nicht hineingesteckt. Würde für solche Anlagen eine Anleihe auf genommen oder
durch eine Vermehrung des Aktienkapitals das dafür notwendige Geld beschafft,
so müßte selbstverständlich ein solches werbend angelegtes Kapital sich verzinsen
und amortisieren und bei der Zinsberechnung berücksichtigt werden.
Hier und da begegnet man gar der Auffassung, die Erträge des Staats-
bergbaues könnten überhaupt nicht oder nur zum geringsten Teile als Gewinn
angesehen werden, sie seien ja nur eine Entschädigung für den durch die För-
— 37 —
Der Saarberg-
bau ist nicht
unrentabel.
Entwicklung des
Wertes der Kohle
und der Ver-
kaufspreise.
Löhne der Ar-
beiter sind weni-
ger gestiegen wie
die Kohlenpreise.
derung erfolgten Substanzverlust. Man vergißt hierbei, daß die Substanz, die
anstehende Kohle, im Saargebiet dem Staate nichts gekostet hat. Weil sie nichts
kostete, besteht auch keine Veranlassung, sie mit einem großen nur durch mehr
oder minder zuverlässige Schätzungen ermittelten Werte in Rechnung zu stellen
und für diesen Wert Verzinsung und für jede Herabminderung durch die För-
derung Entschädigung zu verlangen. Man kann höchstens eine angemessene
Verzinsung und Amortisation des wirklich in den Grubenbetrieb hineingesteckten
Kapitals fordern und muß die darüber hinausgehenden Erträgnisse als Gewinn
betrachten.
Die für das im preußischen Staatsbergbau steckende Kapital ermittelte
oder geschätzte Verzinsung von 91/i Prozent muß als eine recht gute bezeichnet
werden. Nach den stets wiederkehrenden Behauptungen der Privatgruben-
besitzer verzinst sich das im Privatbergbau steckende Kapital durchschnittlich
nicht so hoch.
Der staatliche Bergbau im Saarrevier muß sich ja gut rentieren, weil
er für seine Produkte recht hohe Preise erzielen kann. In den letzten Jahrzehnten
sind abgesehen von den Schwankungen der durchschnittliche amtlich angegebene
Wert der Bergwerksprodukte, sowie die durchschnittlichen Verkaufserlöse pro
Tonne Kohlen und Koks recht erheblich gestiegen. Es betrug:
Jahr Wert der Tonne Kohlen ß. Durchschnittserlös pro Tonne Kohlen M Durchschnittserlös pro Tonne Koks M
1888 7,28 7,23 12,50
1889 8,06 8,00 14,74
1890 10,89 10,86 21,26
1891 10,54 10,47 16,46
1892 9,97 9,93 15,11
1893 9,13 9,09 11,59
1894 8,81 8,81 11,60
1895 8,88 8,86 12,97
1896 8,96 8,96 13,66
1897 9,24 9,25 15,19
1898 9,44 9,43 15,68
1899 10,09 10,08 16,96
1900 11,63 11,63 20,73
1901 12,63 12,65 20,36
1902 11,68 11,70 16,06
1903 11,34 11,38 15,99
1904 11,60 11,63 16,61
1905 11,60 11,63 17,13
1906 11,84 11,86 17,40
1907 12,49 12,52 19,22
1908 12,76 12,79 19,27
1909 12,52
Nun hören wir schon den Einwand: Ja, eine solche Erhöhung der Kohlen-
preise war notwendig, weil die Löhne der Arbeiter so erheblich gestiegen sind.
Die höheren Verkaufspreise kommen ganz oder doch zum größten Teile den
Arbeitern zu Gute. — Das ist nun nicht der Fall. Die Löhne der Arbeiter sind
entfernt nicht so gestiegen, wie die Kohlenpreise. Auch wenn man berücksichtigt,
daß infolge der im vorhergehenden Kapitel geschilderten Umstände auf den
Kopf der Gesamtbelegschaft eine geringere Tonnenzahl entfällt wie früher. Der
pro Tonne Kohlen an die Gesamtbelegschaft ausgezahlte Lohnbetrag ist
auch bei weitem nicht so erheblich gestiegen wie die Kohlenpreise. Die pro Tonne
— 38 —
Graphische Darstellung der Entwicklung der Kohlen- u. }kspreise
sowie der Löhne seit 1888.
Jahr 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1. 1907 1908 1909
Mark 21
. 20
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. 18
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12,52
12,79
11,63
11.38
_________________
11,63 1L63 1
10,08
9,43
3,93
3
2.92
/5,93 /4.93 ^5,33 '5,14 4,97 4,62 jjT 4,90
'3,79 >~389^ 4,12 369~^~*-^^ 4,06
J'J/ 3,24 3J27 3,28
5,41 5.33_ 5.31
4,29
’~4 4~~ 4.66 4.66 4164 4,75 4,78
~3AÖ 3A6 356 354 357 TfiO~ 3J1
-ßs' 4,02 4,04 3>9
Durchschnitts - Kokspreise
pro Tonne.
Durchschnitts - Kohlenpreise
pro Tonne.
Differenz zwischen dem für
die Tonne Kohlen erzielten
Durchschnittspreis und dem
pro Tonne an die Gesamt-
belegschaft gezahlten Lohn.
pro Tonne an die Gesamt-
belegschaft gezahlter Lohn.
Durchschnittsschichtlohn.
2
an die Klasse a ausgezahlte Lohnsumme war sogar in den Jahren 1890 und
1891 bedeutend höher, wie in den späteren Jahren. Es betrug:
Jahr Förderung in Tonnen Insgesamt ausge- zahlte Lohnsum- men nach Abzug aller Arbeits- kosten, Knapp- schafts- und Krankenkassen- Beiträge Mk M 5* N <3 b« Mk an Klasse a ins- gesamt gezahlte Lohnsumme Mk. auf 1 Tonne in Klasse a ge- zahlter Lohn Mk. Differenz zwisc schnittserlös pi und Durchschnitts- lohn der Gesamt- belegschaft Mk. hen dem Durcft- o Tonne Kohlen dem pro Tonne an die Gesamtbelegsch. gezahlten Lohn Mk.
1888 6 238 191 20 543 330 3,29 15 335 732 2,45 4,31 3,94
1889 6 083 514 23 947 936 3,93 18 010 772 2,96 4,76 4,07
1890 6 212 540 30 676 009 4,93 23 427 854 3,77 7,07 5,93
1891 6 389 960 32 858 565 5,14 25 132 944 3,93 6,58 5,33
1892 6 258 890 31 072 398 4,96 20 737 733 3,31 6,24 4,97
1893 5 883 177 25 461 356 4,32 16 508 988 2,80 5,72 4,77
1894 6 591 862 27 682 382 4,19 18 080 478 2,74 5,57 4,62
1895 6 886 098 28 424 112 4,12 18 606 045 2,70 5,59 4,74
1896 7 705 671 31 304 718 4,06 20 832 486 2,71 5,68 4,90
1997 8 258 404 33 647 482 4,07 22 564 918 2,73 5,91 5,18
1898 8 768 582 36 397 036 4,15 24 634 629 2,80 6,03 5,28
1899 9 025 072 38 778 878 4,29 26 551 187 2,94 6,62 5,79
1900 9 397 253 42 057 136 4,47 28 687 286 3,05 8,07 7,16
1901 9 376 023 43 702 693 4,66 29 197 889 3,11 9,11 7,59
1902 9 493 667 44 246 996 4,66 29 680 958 3,12 8,13 7,04
1903 10 067 337 46 808 Oll 4,64 31 417 933 3,12 7,78 6,74
1904 10 363 720 49 330 734 4,75 33 116 319 3,19 7,92 6,88
1905 10 638 560 50 957 518 4,78 33 853 348 3,18 7,83 6,85
1906 11 131 381 54 901 981 4,93 36 381 991 3,26 7,98 6,93
1907 10 693 314 57 954 622 5,41 36 976 432 3,45 8,50 7,11
1908 11 070 647 59 102 125 5,33 33 391 221 3,02 8,75 7,46
1909 11 063 6371) 58 808 002 5,31 31 748 598 2,86
Es kann also gar keine Rede davon sein, daß lediglich die Erhöhung
der Löhne die erhebliche Erhöhung der Kohlenpreise notwendig machte oder herbei-
führte. Die Differenz zwischen dem Lohn und den Kohlenpreisen nahm ganz
bedeutend zu. Ihre Größe aber ist auch ein Beweis, daß eine Erhöhung der Löhne
möglich ist. Wir gestatten uns, die Entwicklung der Kohlen- und Kokspreise
sowie der Löhne noch in der nebenstehenden graphischen Darstellung zu kenn-
zeichnen.
Aus der Entwicklung der Kohlenpreise und, der Löhne ist zu entnehmen,
daß der Saarbergbau sich gut rentieren mußte.
Er hat sich auch sehr gut rentiert. Seit seinem Bestehen hat der staatliche
Steinkohlenbergbau an der Saar bis einschließlich des Etatsjahres 1908 bei
einer Gesamtförderung von 309,5 Millionen Tonnen einen Überschuß von
508,8 Millionen Mk. gebracht. Das ergibt auf die Tonne einen Überschuß von
1,88 Mk.* 2). Näheres über die Gewinne, im besonderen über die einzelnen Saar-
gruben ergibt die vom Herrn Jüngst gebrachte Tabelle: (Seite 40.)
Die von Fachleuten für den Ruhrkohlenbergbau pro Tonne ausgerech-
neten Überschüsse sind, bei weitem nicht so hoch. Wie Jüngst an der schon zitierten
Stelle sagt, hat der fiskalische Saarbergbau „an Überschüssen in den letzten
Vergleich
zwischen
Lohnhöhe und
Kohlenpreise.
Gewinne der
Saargrüben.
') Ausschließlich 10 299 t, die auf Tongruben mit deren Arbeitern und 1346 t, die
nicht von Bergarbeitern gewonnen wurden.
2) Wir entnehmen die Zahlen der Arbeit von Dr. Ernst Jüngst „Die Rentabi-
lität der westfälischen Staatszechen1 ‘ Glückauf 1910 S. 1401 f. Jüngst hat die auf den
Saarbergbau bezüglichen Zahlen dem von der Königl. Bergwerksdirektion herausgegebenen
Heft „Mitteilungen über den Steinkohlenbergbau des preußischen Staates in der Umgebung
von Saarbrücken“ entnommen, oder auf Grund der dort gewonnenen Zahlen errechnet.
Wir konnten die betreffende Schrift nicht erhalten.
— 39 —
Name des Steinkohlenbergwerks Gründungs- jahr Förderung Mk. Überschuß Mk. Überschuß auf die Tonne Mk.
Berg lnspektion: 1. Kronpr inz . . . ? V 20 192 504 25 922 052 1,28
„ 2. Gerhard .... 1816 38 721 34P j 106 193 384z) 2,74
,, 3. v. d. Heydt . . . 1853 25 990 636 58 989 914 2,27
,, 4. Dudweiler . . . 1816 35 912 088 42 489 943 1,18
,, 5. Sulzbach .... 1861 30 953 630 51 645 769 1,67
„ 6. Reden 1822 36 164 935z) 52 872 358V 1,46
„ 7. Heinitz .... 1847 47 052 967 124 402 729 2,64
,, 8. König 1779 31 196 1545) 62 900 305“) 2,02
,, 9. Friedrichsthal . . 1817 22 964 326 26 737 008 1,16
,, 10. Göttelborn . . . 1887 5 920 773 5 020 422 0,85
„ 11. Camphausen . . 1871 14 314 294 24 769 393 1,73
,, 12. Fürstenhausen 1908 163 939 — 1 158 233 —7,07
Summe und Durchschnitt | 309 547 587 580 785 044 1,88
40 Jahren wohl das Doppelte auf die Tonne erzielt wie die privaten Zechen
des Ruhrgebiets. “
Der vielfach gemachte Einwand, der Staatsbergbau kann solche Überschüsse
nur verteilen, weil er keine Abschreibungen vornimmt, ist, wie auch Jüngst
hervorhebt, nicht stichhaltig. Unser Staatsbergbau hat ebenfalls Abschreibungen
vorgenommen, wenn diese auch nicht besonders genannt oder klar hervorge-
hoben sind. Dem Staatsbergbail im Saarrevier sind von außen nie Mittel zuge-
flossen. In der Begründung zu dein Gesetz betr. die weitere Aufschließung des
staatlichen Besitzes an Steinkohlenfeldern im Oberbergamtsbezirk Dortmund
wird ausdrücklich festgestellt:
„Aus allgemeinen Staatsfonds sind bisher lediglich bei dem Ankauf der westfälischen
Bergtverksfelder, bei der Erwerbung von Aktien der Hibernia und bei dem Ankauf des Kali-
salzbergwerkes der Gewerkschaft Hercynia Mittel für die Fiskalische Bergverwaltung in
Anspruch genommen worden. Abgesehen hiervon sind sämtliche Neuanlagen der staatlichen
Berg-, Hütten- und Salinenbetriebe aus den lauf enden Mitteln des Bergetats bestritten worden.“
Die Kosten für Neuanlagen, Erweiterungsbauten usw. hat der Fiskus
immer von den Erträgen in Abzug gebracht, während vom Privatbergbau dafür
vielfach Kapitalien beschafft werden. Es handelte sich hierbei um ganz bedeutende
Summen. Hat doch der Saarfiskus seine Förderung steigern können von 100 320
Tonnen im Jahre 1816 auf 11 063 637 im Jahre 1909. Da müssen ja große
Summen für N euanlagen und Enveiterungen verwendet ivorden sein. Herr
Dr. Jüngst stellte sie für die Zeit seit 1889 zusammen und gibt in einer Tabelle
einen Überblick über die Höhe dieser Summen und ihren Einfluß auf die Höhe
des Gesamtüberschusses. Sodann vergleicht er den Überschuß der staatlichen
Bergwerke im Saarrevier mit dem der Privatbergwerke im Ruhrgebiet soweit
ihm das Material zugängig war. Er erhält dann folgendes Bild: (Seite 41.)
Die Tabelle hat einige Mängel. So standen dem Herrn Dr. Jüngst nur
die im Etat für die Neu- und Erweiterungsbauten vorgesehenen Ausgaben, nicht
die tatsächlich für diese Zwecke verwandten Summen zur Verfügung. Der
Unterschied zwischen beiden wird nicht erheblich sein. Dann ist bei der Berech-
nung des Gewinnes für die Ruhrzechen auch die Zubuße abgezogen, die sich als
Beschaffung von Anlagekapital dar stellt, der Gewinn der Ruhrzechen ist also
etwas höher wie angegeben; Jüngst glaubt jedoch trotz Berücksichtigung dieses
Umstandes, daß der Saarfiskus wohl das Doppelte auf die Tonne erzielte, wie
1) Gründungsjahr nicht bekannt. Schwalbach und Geislautern bestanden schon im
18. Jahrhundert. Die Zahlen gelten seit 1833, 2)1830, z)1816, *)1822, 5)1815.
— 40 —
Jahr Im waren veranschla gaben für Neu weiterungsl insgesamt Mk. staatlichei gt die Aus- - und Er- auten auf die Tonne Mk. г Saarbergbai betrüget Überscl insgesamt Mk. i i die lüsse auf die Tonne Mk. Überschuß u. Neubau iä -ausgaben zusammen auf die Tonne Ausbeute (Dividende) auf 1 Tonne der För- ?*■ deruug im Oberberg- amtsbezirkDortmund Die Überschüsse des Saarbergbaues über- jäj (4-) oder unter- schritten (—) die des Ruhrbergbaues
1889 1 248 500 0,21 8 892 313 1,46 1,67 0,99 + 0,77
1890 — — 12 546 948 2,02 — 2,11 —
1891 — — 7 589 034 1,19 — 1,83 —
1892 — — 6 707 005 1,07 — 0,91 —
1893 — — 5 914 945 1,01 — 0,49 —
1894 874 400 0,13 6 323 215 0,96 1,09 0,56 + 0,53
1895 974 900 0,14 8 474 314 1,23 1,37 0,68 + 0,69
1896 885 850 0,11 9 324 086 1,21 1,32 0,88 + 0,44
1897 1 159 950 0,14 12 368 457 1,50 1,64 0,99 + 0,67
1898 1 313 200 0,15 12 352 262 1,41 1,56 1,04 + 0,52
1899 1 489 900 0,16 15 945 316 1,77 1,93 1,10 + 0,83
1900 1 979 450 0,21 25 436 527 2,71 2,92 1,34 + 1,58
1901 ! 2 482 900 0,27 24 987 739 2,67 2,94 1,35 + 1,59
1902 2 413 500 0,25 19 020 264 2,00 2,25 1,23 + 1,02
1903 2 822 000 0,28 14 682 111 1,46 1,74 1,18 -f- 0,56
1904 | 3 353 700 0,32 16 877 872 1,63 1,95 1,17 + 0,78
? 1905 2 534 000 0,24 16 979 712 1,60 1,84 1,18 + 0,66
} 1906 3 152 100 0,28 14 412 222 1,29 1,57 1,29 4- 0,28
1907 5 537 400 0,51 8 472 666 0,79 1,30 1,17 + 0,13
1908 6 356 200 0,58 12 928 771 1,17 1,75 1,07 4- 0,68
1909 6 664 200 | — — — 0,99
die privaten Zechen des Ruhrgebiets. Es kann deshalb mit Recht vom staat-
lichen Saarbergbau eine ausreichende Bezahlung seiner Arbeiter verlangt werden.
Herr Bergassessor Herbig suchte die Ergebnisse der Berechnungen des
Herrn Dr. Jüngst als irrig htnzustellen. (Glückauf 1910, S. 1970 f.) Letzterer
aber weist unwiderleglich nach, (Glückauf 1910, S. 1974) daß er die Rentabilität
des Saarbergbaues im Vergleich zu der des Ruhrbergbaues nicht zu glänzend,
sondern noch zu niedrig angegeben hat.
Von einer ungenügenden oder gar ganz fehlenden Rentabilität des staat-
lichen Bergbaues an der Saar kann, wie wir gezeigt haben, nicht gesprochen
werden. Die Rentabilität könnte aber unseres Erachtens größer sein, und zwar
größer wie bisher, auch wenn man die Wünsche der Arbeiter erfüllt. Es wird
aber, soll die Rentabilität des Saarbergbaues gesteigert werden, notwendig sein,
sowohl die Beamten wie die Arbeiter mehr wie bisher an das Gedeihen des Berg-
baues zu interessieren. Es müßten die Beamten mehr an einem guten Erträgnis
des Bergbaues interessiert werden, ohne daß hierdurch die bekannten Schäden
des Soll- und Prämiensystems, wie sie im Privatbergbau stellenweise zu verzeichnen
sind, sich einstellen. Bisher fehlte es an der genügenden Interessierung der
Beamten. Mehrfach ist schon im Abgeordnetenhause darauf hingewiesen worden.
Unser Staatsbergbau war ja vielfach der reine Taubenschlag für die
höheren Beamten. Bei der zweiten Beratung des Etats der Berg-, Hütten- und
Salinenverwaltung am 13. Februar 1906 im Preußischen Abgeordnetenhause
wies Herr Abg. Hilbck auf diesen Übelstand hin und führte unter anderem aus:
„Mir ist bekannt, daß in Saarbrücken in den letzten sechs Jahren alle Beamten
geivechselt haben, weil sie in die Privatindustrie eintraten, wo sie besser bezahlt wurden
(Protok. der 21. Sitzung, Sp. 1382.)
Auch bei der Beratung des Etats der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung
für das Jahr 1910 kam diese Frage im Preußischen Abgeordnetenhause zur
— 41 —
Vergleich zwi-
schen den Ge-
winnen des
staatl. Saarberg-
baues und den
privaten Ruhr-
kohlenzechen.
Die Rentabilität
des Saarberg-
baues könnte
größer sein.
Beamtenverhält-
nisse müssen ge-
ändert werden.
Sprache. Der Herr Äbg. v. Kessel führte hierzu unter anderem in der 31. Sitzung
vom 1. März 1910 aus:
„Eine Hauptschwierigkeit liegt in den Beamtenverhältnissen hei den staatlichen
Werken. Tatsächlich liegen die Verhältnisse jetzt so, daß die Direktorenstellen einem starken
Wechsel unterworfen sind. Durch die hohen Gehälter, die die Privatindustrie zahlt, werden
alle besseren und guten Direktoren sofort der staatlichen Verwaltung entzogen . . .“ (Stenogr.
Bericht, Sp. 2455.)
Herr Ahg. Macco ergänzte diese Ausführungen noch wesentlich und
führte auch Klage, daß es hei den den Direktoren unterstellten Beamten ebenfalls
fehle. Die von Sachkenntnis zeugenden Ausführungen seien wörtlich mitgeteilt:
„Herr v. Kessel hat schon bemerkt, die Bergwerksdirektoren müssen sich bei Über-
nahme ihres Amtes einen Plan machen, nach dem sie in großen Zügen ihre Bergwerke be-
treiben wollen; sie müssen diesen Plan festhalten und in allen Details gut durchdacht durch-
führen. Solche Durchführung eines Planes ist nicht in ein, zwei Jahren zu machen; sie
braucht bei großen Gruben häufig 5 bis 6 Jahre. Das ist unverträglich mit der Art, wie die
Stellen der Direktoren besetzt werden, und wie sie wechseln. Meine Herren, man kann es
selbstverständlich den Herren Direktoren nicht übel nehmen, daß sie sich zu verbessern
suchen; es ist natürlich gegenüber dem Alter und allen Anforderungen, die im Laufe der
Zeit an sie herantreten. Wir müssen uns darüber klar werden, daß es notwendig ist, diese
Umstände zu ändern, trotzdem wir wissen, daß das außerordentlich schwierig ist. In der
Kommission wurde gesagt, es sei bei den gegenwärtigen finanziellen Grundsätzen ganz
unmöglich, die Direktoren genügend zu besolden, um sie zu fesseln, und daß die staatlichen
Bergwerke immer ihre besten Leute an die Privatwerke abgeben müßten. Das ist
aber nicht bloß bei den Direktoren der Fall. Unter den Direktoren stehen
die Inspektoren; die sollen sich mit dem Betrieb befassen, sollen Steiger und
Obersteiger beaufsichtigen. Auch diese Herren brauchen eine gewisse Zeit, um ihre Tätigkeit
erfolgreich ausüben zu können. Diese Zeit ist ihnen aber nicht gegeben, denn sie wechseln
noch mehr als die Bergwerksdirektoren, und die Folge ist, daß sie sich in ihren Betrieb nicht
genügend einarbeiten können, die weitere Folge, daß sie aus dem eigentlichen Betrieb mehr
oder weniger ausgeschaltet werden, und daß die Direktoren mit den ständigen Beamten, den
Obersteigern und Steigern, direkt verhandeln. Das sind ganz empfindliche Mißstände, die
unsere Bergwerksbetriebe sehr schädigen.
Dann kommen die Steiger und die Obersteiger. Meine Herren, es war hochin-
teressant, daß in der Budgetkommission die Regierungsvertreter klipp und klar zugegeben
haben, daß es ein Fehler gewesen sei, diese Beamtenkategorien etatsmäßig anzustellen. (Zu-
stimmung bei dem Nationalliberalen), daß es ein Fehler sei, daß diese Leute als Beamte
auf ihrem Posten sind und ein Teil von ihnen vielleicht froh ist, wenn er möglichst wenig
zu tun und dabei einen sicheren Posten hat. Die große Verantwortung für die Betriebs-
ergebnisse, die in Privatwerken gerade auf diesen Leuten lastet, fällt hier weg, und ich erachte
es als einen Hauptgrund der mangelhaften wirtschaftlichen Resultate, daß dieses Verhältnis
der Steiger und Obersteiger zur Grube nicht anders geordnet worden ist und zur Zeit nicht
anders geordnet werden kann. Die Leute müssen ein Interesse an der guten Instandhaltung
der Grübe und gleichzeitig einer guten Leistung ihrer Leute bei genügendem Einkommen haben.
Dieses Interesse ist bei ihrer augenblicklichen Lage mehr oder weniger abgeschwächt und müßte
zweckmäßig durch Prämien und höheres Einkommen gehoben werden.“ (Stenogr. Bericht
31. Sitzung v. 1. März 1910, Sp. 2460 f.)
Und in der folgenden Sitzung betonte auch Herr Abg. Schmieding:
„Der Wechsel in den leitenden Stellungen der Verwaltung der staatlichen Grüben
ist meines Erachtens viel zu groß. Meine Herren, eine jede Grube, sei es nun eine Privat-
grube oder eine staatliche Grübe — das ist natürlich gleichgültig — von etwas größerem
Umfange erfordert zur genauen Kenntnis ein Studium von mindestens 5 bis 6 Jahren; erst
dann kann der Leiter alle Einzelheiten der Grube überschauen. Aber gerade ungefähr
so lange Zeit, wie man braucht, um die Grube gründlich kennen zu lernen, so lange steht in
der Staatshierarchie der Beamte als Leiter der Staatsgrube vor.“ (Stenogr. Bericht der 32.
Sitzung vom 2. März 1910, Sp. 2553.)
Der Abg. Gyßling gab in derselben Sitzung ebenfalls der Ansicht Ausdruck :
„Wenn die Direktoren und die Betriebsinspektoren alle zwei oder drei Jahre ihre
Stellung wechseln, so ist ausgeschlossen, daß sie die Bergwerke genau kennen lernen. Diese
genaue Kenntnis wird aber notwendig sein, wenn man den Bergwerksbetrieb rentabler ge-
stalten will.“ (Stenogr. Bericht, Sp. 2565.)
— 42 —
Kein Mensch wird bestreiten, daß der starke Wechsel der Beamten gerade
im Bergbau ein unerwünschter Zustand ist. Hier hängt von einer guten Kenntnis
der Verhältnisse und einer gut überlegten weitsichtigen Disposition der Betriebs-
leitungen außerordentlich viel ab. Sie ist aber nicht möglich, wenn häufig mit
den Beamten gewechselt wird. Es fehlt dann nicht nur an der wünschenswerten
eingehenden Kenntnis der Verhältnisse, sondern jeder Beamte wird auch mehr
auf eine gute Förderleistung während seiner Amtszeit als auf eine ziel-
bewußte und planmäßige Verbesserung der Werke, die erst später Früchte tragen
kann, bedacht sein. Mehr wie bisher ist deshalb Sorge zu tragen, daß wirklich
tüchtige Beamte dem Staatsbergbau dauernd erhalten und an dessen Erträgnis
interessiert werden. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß die Königliche
Staatsregierung unter Zustimmung des Abgeordnetenhauses bald die Mängel in
den Beamtenverhältnissen beseitigt und daß nicht mehr die Arbeiter für die
Folgen dieser Verhältnisse verantwortlich gemacht iverden.
Dann gilt es auch die Gesamtheit der Arbeiter möglichst stark an das
Gedeihen des Bergbaues zu interessieren. Die ganze Intelligenz, die in den Saar-
bergleuten steckt, muß ausgenutzt werden, um eine dauernde gute Rentabilität
des Saarbergbaues zu erzielen. Das läßt sich erreichen durch, den Abschluß eines
Tarifvertrages zwischen der Bergwerksverwaltung und der Organisation der
Saarbergleute, dem Gewerkverein christlicher Bergarbeiter Deutschlands. Durch
den Vertrag müssen die Saarbergleute an eine möglichst hohe Rentabilität ihres
Bergbaues interessiert iverden, indem man ihnen einen entsprechenden Anteil
an den Ergebnissen zusichert* Sie werden dann schon alle mitwirken, damit
gute Ergebnisse erzielt werden. Der Charakter der Saarbergleute bürgt dafür.
Mit Recht rühmt ihnen Nieder ,,bäuerlich zähen Erwerbssinn und bürgerlich-
stolzes Geltungsstreben“ nach. Auch Bergassessor Herbig sagt von den Bergleuten,
daß ,,deren bodenständiger Charakter ohnedies im Besitz des eigenen Hauses
das selbstverständliche und auch unter widrigen Umständen zäh verfolgte Ziel
sieht11 (Glückauf 1910, S. 1386).
Nun wird ja vielfach die Behauptung auf gestellt, im Bergbau seien Tarif-
verträge unmöglich und zwar hauptsächlich wegen der in den natürlichen Ver-
bal'nissen beruhenden Hindernisse. Diese Ansicht ist irr'g und eine Folge der
Auffassung, daß ein Tarifvertrag unbedingt a7les schematisch regeln müsse.
Letzferes ist aber gar nicht notwendig. Ein solcher Vertrag braucht nicht alles
zu regeln und erst recht nicht alle Einzelheiten schematisch zu regeln. Es würden
für den Anfang im Bergbau ganz w nige Bestimmungen genügen. Man brauchte
nur die wichtigsten Punkte des Arbeitsvertrages vertraglich so weit wie jetzt schon
möglich zu regeln. Nichts würde z. B. die vertragliche Festsetzung der Arbeitszeit
und die Regelung des Überschichtenwesens hindern. Auch der Lohn der im
Schichtlohn beschäftigten Personen könnte ebensogut vertragt ch wie jetzt einseitig
von der Werksverwaltung festgelegt werden. Für die im Gedinge beschäftigten
Personen lassen sich ebenfalls einige den Lohn regelnde Bestimmungen treffen.
So könnte man allgemein einen bestimmtenDurchschnittslohn für diese Arbeiter-
klasse vertraglich festlegen, ohne die heutige Art der Gedingesetzung zu ändern.
Nur wenn der das Gedinge setzende Vertreter der Zechenverwaltung und die
Kameradschaften sich über das Gedinge nicht einigen könnten, müßte eine zu
schaffende Instanz — aus einem oder mehreren Vertretern der Zechenverwaltung
und der Arbeiter — sich mit der Angelegenheit beschäftigen und die Sache zur
Entscheidung bringen. Dieser Instanz könnte oder müßte auch das Recht gegeben
werden, in Zweifels fällen durch die Probearbeit zuverlässiger Arbeiter, die von
ihr gewählt werden, Klarheit zu schaffen. Wenn man den Arbeitern vertraglich
— 43 —
Die Arbeiter
sollten durch
Tarifvertrag an
eine hohe llenta-
bilität inter-
essiert iverden.
Engherzige Ge-
bundenheit durch
den Etat ist zu
beseitigen.
Dieses Straf-
mittel ist sehr alt.
Die Folgen
dieses Straf-
mittels.
einen Nutzen von guten Erträgnissen sichert, so werden sie schon dafür sorgen,
daß alle ihre Pflicht tun und daß nicht durch unverantwortliche Minderleistung
eines Teiles der Belegschaft sich das Gesamtergebnis verschlechtert. Es iväre
dann den Arbeitern im Interesse des gesamten Betriebes auch zur Pflicht zu machen,
nach Möglichkeit Anregungen zur Erhöhung der Rentabilität zu geben und alles
zu vermeiden und zu bekämpfen, was eine Herabminderung der‘Rentabilität zur
Folge hat und nicht durch höherstehende Gründe geboten ist. Mit einer solchen
Einrichtung würden sicher gute Erfahrungen gemacht und könnte später die
Einrichtung den gemachten Erfahrungen entsprechend weiter ausgebaut werden.
Ein bedenklicher Mangel im Staatsbergbau ist auch, daß die Leitung in
einer zu weitgehenden Weise durch den Etat gebunden ist. Die Starrheit des
staatlichen Etatisierungswesens und die starke Abhängigkeit des Bergetats von
der allgemeinen Finanzlage des Staates ist zu beseitigen. Es müßte für die staat-
liche Bergwerksverwaltung ein Ausgleichsfond geschaffen werden, damit die
im Interesse der Rentabilität der Staatswerke notwendig erscheinenden Betriebs-
dispositionen zu jeder Zeit getroffen werden können. Im Bergbau kann man
nicht immer Jahre lang vorher wissen, was geschehen muß. Die Bergwerks-
verwaltung müßte auch zu jeder Zeit in der Lage sein, bei sich einstellenden
Absatzschwierigkeiten oder sonstigen Gründen die unproduktiven Aus- und
Vorrichtungsarbeiten stärker in Angriff zu nehmen. Das würde der Rentabilität
der staatlichen Bergwerke nur förderlich sein.
ZDie Strafe der vorübergehenden ¿Ablegung für eine kürzere oder
längere Zeit.
Eine dem Saarbergbau eigentümliche Disziplinarstrafe ist die zeitweilige
Ablegung für eine kürzere oder längere Zeit. Sie ist seit langer Zeit in Übnng.
Schon das ,,Straf regiement für die Bergleute im- Königlich Preußischen Berg-
amtsbezirk Saarbrücken“ vom 20. März 18201) kennt, wie bereits angeführt,
diese Strafe. Es ist in ihm außer der gänzlichen Ablegung die vorübergehende
und zwar für 2 Tage bis zu 3 Monaten vorgesehen. Die Strafordnung vom 5. Fe-
bruar 18421 2) behält diese Strafart bei und will sie sogar in bedeutend erweitertem
Umfange angewendet wissen. Nicht nur, daß sie die zeitweilige Ablegung häu-
figer androht, sie läßt auch diese Ablegung für eine längere Zeit wie für 3 Monate
zu, setzt für einzelne Vergehen selbst eine Ablegung für 6 Monate fest und läßt
in anderen Fällen die „ zeitweilige Ablegung auf längere Zeit“ zu, ohne eine Höchst-
grenze festzusetzen.
Die Strafe der zeitweiligen Ablegung wurde dann in der Folgezeit auch
immer praktisch gehandhabt. Insbesondere zur Erzielung einer fast militärischen
Disziplin auf den Saargruben. Bei der zum großen Teil ansässigen und dadurch
an die Gegend und die Grubenarbeit gebundenen Arbeiterschaft war das möglich.
Verhältnismäßig schnell war unter hervorragender Mithülfe dieses Gewaltmittels
die zusammengeivürfelte Arbeiterschaft zur Einhaltung einer äußerlichen Ord-
nung erzogen. Vorübergehend und in einem bestimmten Falle wie hier konnte
das Strafmittel günstig wirken. Nicht aber für immer und nach jeder Richtung
hin. Es 'wurde eine recht unterwürfige Arbeiterschaft erzogen, die sich zu viel ge-
fallen ließ. Ihr wurde deshalb auch zu viel geboten. Zufriedenheit herrschte
aus diesem Grunde bei den Arbeitern nicht. Geradezu explosiv machte mehrfach,
1) E. Müller, Der Steinkohlenbergbau des 'preußischen Staates in der Umgebung
von Saarbrücken. Teil V, S. 150.
2) Z. f. B.-, H.- u. S.-W. Bd. 1. S. 250f.
— 44 —
besonders aber im Jahre 1889 sichdie Unzufriedenheit Luft. U ndwas noch schlimmer
war, auf den Charakter eines großen Teils der Arbeiter wirkte die im Saarbergbau
herrschende und hauptsächlich mit durch das envähnte Strafmittel aufrecht
erhaltene Disziplin nicht günstig ein. Sie erzeugte den Boden, auf dem große
Betrügereien möglich wurden. Schon vor 1889 sind im Saarbergbau Durch-
stechereien vorgekommen und wie es in der Folgezeit war, darüber belehrten
die in den letzten Jahren vorgekommenen Durchstechereiprozesse nur zu
deutlich.
Von den Arbeitern wird dringend die Beseitigung der Disziplinarstrafe
der Ablegung für eine kürzere oder längere Zeit gewünscht. Die Strafe bringt
in der Regel die Arbeiterfamilien in große Not. Der Verdienstausfall ist meist
nicht zu ertragen. Abgesehen davon paßt das Strafmittel kaum mehr in die heutige
Zeit. Die Bergwerksverwaltung sollte dieses Strafmittel fallen lassen weil es
sich überlebt hat. Beim Arbeitsvertrage sollen sich ja Arbeitgeber und Arbeiter
als gleichberechtigt gegenüber stehen. Wenn aber ein V ertrag skontrahent einseitig
über den anderen eine solche Macht hat wie hier der Bergwerksverwaltung ge-
geben ist, so kann von Gleichberechtigung doch kaum die Rede sein. Die Strafart
ist auch unnötig. Sie ist auch nicht notwendig, um die erforderliche Disziplin
aufrechtzuerhalten. Man kann ja in anderen Revieren ohne eine solche Strafart
auskommen. Wenn die zu weitgehende Disziplin etwas nachläßt, so kann das
dem Bergbau des Staates und seinen Einnahmen nur förderlich sein. Bei einer
aufrechten Arbeiterschaft sind Durchstechereien in dem Maße, wie sie im Saar-
bergbau nachgewiesen wurden, unmöglich. Ferner verlangt aber auch die Ge-
rechtigkeit eine Beseitigung dieser Strafart. Wir wollen gar nicht davon reden,
daß die Strafe für dieVergehen sehr leicht zu hart sein kann, sondern nur darauf
liinweisen, daß auch Unschuldige, nämlich die Familien der in Betracht kom-
menden Arbeiter davon schwer betroffen werden. Eine Rückwirkung auf die un-
schuldige Familie erfolgt ja auch bei Geldstrafen aber lange nicht in dem Maße
wie bei solchen die ganze Familie sehr leicht in Not bringenden Ablegungen. —
Sehr leicht hat auch die hier den Beamten in die Hand gegebene zu große Macht
eine wenig rücksichtsvolle Behandlung der Arbeiter im Gefolge. Auch aus diesem
Grunde erscheint die Beseitigung dieser Strafart wünschenswert.
Gründe, die für
Beseitigung
dieser Strafe
sprechen.
Verlegungen der ¿Arbeiter zu weit von ihren Wohnorten entfernten
Q ruhen.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist häuftger von Saarbergleuten darüber
geklagt worden, daß nicht selten Arbeiter nach Gruben verlegt werden, die sehr
'weit von ihrem Wohnort entfernt sind. Auch im preußischen Abgeordnetenhause
sind diese Klagen mehrfach zur Sprache gebracht \worden. Die staatliche Berg-
werksverwaltung hat demgegenüber immer wieder behauptet, solche Ver-
legungen erfolgten nur, soiveit sie im Betriebsinteresse unbedingt notwendig er-
scheinen. Trotzdem, glauben die Arbeiter, daß doch mehr wie bisher auf die
berechtigten Wünsche der Arbeiter Rücksicht genommen werden könne.
Auch bei der Beurteilung dieser Frage ist zu berücksichtigen, daß die
von einer Verlegung nach einer entfernteren Grube betroffenen Arbeiter finanziell
nicht unerheblich geschädigt werden. Auch leidet das Familienleben außeror-
dentlich unter der längeren Abwesenheit des Mannes. Wir bitten deshalb auch
in Bezug auf Verlegungen die denkbar größte Rücksicht auf die Arbeiter walten
zu lassen.
45
Notwendigkeit
der Fürsorge für
krankeF amüien-
angehörige der
Bergarbeiter.
Einrichtung sol-
cher Fürsorge-
einrichtungen im
Ruhrgebiet auf
Privatgruben.
Auf den fiska-
lischen Gruben.
9'amilienkrankenkassen.
Sehr wünschenswert ist für die Angehörigen des staatlichen Bergbaues
an der Saar die Einführung einer Familienkrankenkasse. Wenn heute ein Ar-
beiter in der Familie viel mit Krankheiten zu kämpfen hat, so hält die Not ihren
Einzug. Sofern von dem Lohn der Arbeiter größere Ausgaben für Arzt, Apotheke
und die notwendigen Stärkungsmittel für Kranke gemacht werden, reicht er nicht
mehr aus um die notwendigen Lebensbedürfnisse zu beschaffen. Die Ernährung
der ganzen Familie leidet darunter, nicht selten gerät der Arbeiter auch in Schulden,
die er kaum wieder abzutragen weiß. Abgesehen davon, daß vielfach Krank-
heiten, die bei rechtzeitigem sachverständigem Eingreifen schnell zu heilen sind,
sich oft zu großen anhaltenden Übeln auswachsen, weil mit Rücksicht auf die
Kosten von der Zuziehung eines Arztes Abstand genommen wurde.
In den ’letzten Jahrzehnten haben die Grubenverwaltungen des Ruhr-
reviers diesen sonst auch dort vorhandenen Mangel in anerkennenswerter Weise
zu beseitigen gesucht durch die Errichtung sogenannter Familien-Kranken-
und Unterstützungskassen. Mitglied dieser Kassen sind oder können werden
in der Regel alle Belegschaftsmitglieder der einzelnen Gruben einschließlich der
Beamten, deren Gehalt 2000 oder 3000 Mark nicht übersteigt. Die Kassen ge-
währen den Angehörigen der Mitglieder freie ärztliche und meist auch ivenn
'notwendig freie spezialärztliche Behandlung, auf vielen Gruben zahlt sie die
Hälfte der Arzneikosten und einen Zuschuß zu den Krankenhaus pflegekosten,
sowie bei der Beschaffung von Bruchbändern, künstlichen Gliedmaßen und
sonstigen Hilfs- und Heilmitteln. Einzelne Kassen sehen auch die freiwillige
Gewährung eines kleinen Krankengeldes vor. Auch wird hier und da ein Sterbe-
geld gewährt. Die Kosten der Einrichtung tragen zum Teil die Grubenkassen
allem, meist ivird aber von den Mitgliedern ein geringer monatlicher Beitrag
erhoben und werden zur Deckung der übrigen Kosten Zuschüsse aus den Gruben-
kassen geleistet. Von den Kassen sind dann in der Regel alle Ärzte, die bereit
sind für einen festgesetzten Pauschalbetrag pro Mitglied die Behandlung zu über-
nehmen als Kassenärzte vertraglich verpflichtet. Den Mitgliedern steht die Wahl
unter den Kassenärzten frei, sie sind nur an bestimmte Entfernungsgrenzen
gebunden.
Die fiskalischen Gruben in Westfalen haben schon im Jahre 1904 eine
ähnliche Einrichtung geschaffen. In der dem Abgeordnetenhaus in der 20.
Legislaturperiode II. Session 1905/06 zugegangenen ,,Denkschrift, betreffend
die für die Arbeiter der staatlichen Berg-, Hütten- und Salzwerke bestehenden
Wohlfahrtseinrichtungen“ wird darüber gesagt:
„Die Fürsorge für die erkrankten Familienangehörigen ist bisher nur auf den neu-
erworbenen westfälischen Staatswerken eingeführt worden. Hier ist mit einer Anzahl der
im Bezirke der betreffenden Zeche wohnenden Ärzte ein Abkommen getroffen, wonach die
Werksverwaltung für jeden Arbeiter, der einen seihständigen Hausstand führt, einen Jahres-
satz von 6,50 Mark zahlt, während den Arbeitern dafür freie Behandlung ihrer erkrankten
Angehörigen auf Grund eines sogenannten Familienkrankenscheines, der vom Betriebs-
führer zu entnehmen ist, geboten wird. Innerhalb der Ärzte, welche diesem Abkommen bei-
getreten sind, besteht für die Arbeiter freie Ärztewahl. Der Verkehr des Werkes mit den
Ärzten erfolgt durch Vermittlung eines Vertrauensarztes, der auch die Verteilung der auf
den einzelnen Arzt nach Maßgabe der behandelten Kranken entfallenden Beträge bewirkt.
Den Arbeitern selbst erwachsen für diese ärztliche Behandlung keinerlei Kosten.
Diese Einrichtung, die fälschlich den Namen Familienkrankenkasse führt und
welche in gleicher Form auf einer Reihe von westfälischen Zechen besteht, ist vor einiger Zeit
auf Antrag der Arbeiter zunächst für Gladbeck, dann auch für Waltrop und Bergmanns-
glück geschaffen worden. Die hierfür aus der Staatskasse aufgewendeten Kosten haben in
1904 11 677 Mark betragen.“ (S. 30.)
46
Für das Jahr 1906 betrugen die Ausgaben für diese Einrichtung auf
den westfälischen Staatswerken bereits 17 019 Mark, 1907 22 697 Mark und
1908 29 678 Mark.
Auch die auf den staatlichen Steinkohlengruben an der Saar beschäftigten
Bergleute wünschen dringend, die Einführung einer ähnlichen Einrichtung auf
den Saargruben. Dort läßt sich ja eine solche Einrichtung, auch ohne daß zu
große Schwierigkeiten zu überwinden sind, schaffen. Sie wird auch im Saarrevier
die besten Folgen für die Arbeiter und die Allgemeinheit zeitigen. Der Wunsch
der Saarbergleute geht nun dahin, daß die Einrichtung ebenso wie im Ruhr-
gebiet mit den Gruben und nicht mit dem Knappschaftsverein verknüpft wird.
Auch wünschen sie die Einführung einer freien Ärztewahl innerhalb der Ärzte,
die bereit sind, zu den festzusetzenden Bedingungen die Behandlung zu über-
nehmen, ivie sie ja auch in Westfalen besteht.
Die Mehrheit der Saarbergleute ist gern bereit, auch ihrerseits für diese
Einrichtung ein Opfer zu bringen und will auf das im Saarrevier alle zwei Jahre
stattfindende Bergfest verzichten, damit die sonst dafür aufzuwendende erhebliche
Summe für die Fürsorge für ihre erkrankten Familienangehörigen benutzt
werden kann. Durch die Aufgabe des Bergfestes würde eine recht erhebliche
Summe erspart. Da pro Belegschaftsmitglied bis 6 Mark dafür aufgewendet
werden dürfen, so ergibt das allein schon eine Summe von über 300 000 Mark.
Dazu kommt noch der Förder-Ausfall für eine Schicht und die sonst entstehenden
Kosten. Die Saarbergleute geben sich der angenehmen Hoffnung hin, daß der
Fiskus im Interesse der guten Sache gern bereit ist, die noch fehlende Summe
zuzuschießen, umsomehr, als er ja für seine noch einen großen Zuschuß erfor-
dernden Werke in Westfalen bereits seit Jahren die jetzt auch im Saarrevier
gewünschte Einrichtung geschaffen hat. Noch angenehmer wäre allerdings den
Saarbergleuten, wenn für ihre erkrankten Familienangehörigen gesorgt würde,
ohne daß sie auf das Bergfest zu verzichten brauchen. Die Fürsorge für die
Familienangehörigen halten sie jedoch für da,s Notwendigste.
Auch im Saar-
gebiet wünscht
man die Ein-
richtung.
Aufbringung der
notwendigen
Mittel.
Schlußwort.
Unser für die Volkswirtschaft, die Staatsfinanzen und weite Volkskreise
so bedeutungsvolle Staatsbergbau im Saarrevier hat, wie wir gezeigt haben, keine
ganz befriedigenden Arbeiterverhältnisse. Die Entwicklung der Löhne und deren
jetzige Höhe muß als unbefriedigend bezeichnet werden. War doch das Durch-
schnittseinkommen aller Arbeiter in den Jahren 1909/10 nicht höher wie vor
2 Jahrzehnten in den Jahren 1890/91. Ein Vergleich der Entwicklung der
Löhne in den verschiedenen Steinkohlenbergbaurevieren des Westens ergibt auch
ein für unseren staatlichen Steinkohlenbergbau an der Saar sehr ungünstiges
Bild. Der Jähr es-Durchschnittslohn sämtlicher Bergarbeiter war im Jahre 1909
gegenüber 1889 höher: im Oberbergamtsbezirk Dortmund um 409 Mk. oder
43,46 Prozent, bei Aachen um 527 Mk. oder 64,50 Prozent, im Saarrevier jedoch
nur um 203 Mk. oder 21,75 Prozent.
Zu berücksichtigen ist hierbei, daß auch im Saarrevier in den letzten Jahr-
zehnten eine erhebliche Verteuerung der Lebenshaltung zu verzeichnen war. Die
Begründungen zu den Besoldungsordnungen in Reich, Staat und Kommune
sowie die mitgeteilten statistischen Nachweise beweisen das.
Nicht außer Acht gelassen werden darf die Tatsache, daß die Saarbergleute
jetzt auch noch für eine größere Zahl von Kindern zu sorgen haben wie früher.
— 47 —
Stieg doch die Zahl der auf den Kopf der Verheirateten entfallenden Kinder
von 2,92 im Jahre 1875 auf 3,46 im Jahre 1905.
Die ivirtschaftliche Lage der Saarbergleute ist so wenig glänzend, daß eine
Aufbesserung dringend geboten ist. Auch im Interesse der Rentabilität des Saar-
bergbaues muß sie erfolgen. Sie muß erfolgen um. zu verhindern, daß eine die
Entwicklung und die Rentabilität der Staatswerke beeinträchtigende Abwan-
derung tüchtiger Arbeitskräfte erfolgt.
Der so oft gegen die Arbeiter erhobene Vorwurf, ihre Leistung sei zurück-
gegangen, ist, wie gezeigt, unberechtigt. Von einem Rückgang der Leistungen
kann gar keine Rede sein. Die Durchschnittstonnenförderung pro Kopf der
Klasse A (eigentliche Bergarbeiter) ist sogar bedeutend gestiegen. Für den
kleinen Rückgang der Durchschnittstonnenförderung pro Kopf der Gesamt-
belegschaft können die Arbeiter nicht verantwortlich gemacht iverden.
Unser staatlicher Bergbau an der Saar ist auch nicht, ivie vielfach ange-
nommen wird, unrentabel. Im Gegenteil. Er rentiert sich recht gut und sogar
bedeutend besser wie der Privatbergbau im Ruhrgebiet. Die Differenz zwischen
dem auf die Tonne Kohlen an die Gesamtbelegschaft gezahlten Lohn und dem
durchschnittlich pro Tonne erzielten Kohlenpreis ist in den letzten Jahrzehnten
ganz bedeutend gestiegen.
Die Rentabilität des Saarbergbaues aber könnte größer sein. Sie wird
größer, wenn die Beamten und Arbeiter mehr wie bisher an dem Gedeihen des
Bergbaues interessiert werden. Eine Änderung der Beamtenverhältnisse ist
dringend geboten. Die Posten der höheren Beamten dürfen keine Durchgangs-
posten sein. Der Staatsbergbau muß seine leitenden Gruben-Beamten so stellen,
daß sie dauernd bleiben und ihre Grube so rentabel wie nur möglich gestalten
können. Auch die übrigen Beamten sind am Ergebnis zu interessieren. Ebenso
auch die Arbeiter. Das geschieht bei ihnen am besten durch den Abschluß eines
Tarifvertrages. Dann ist die engherzige Gebundenheit durch den Etat zu beseitigen.
Mit leichter Mühe können die Wünsche der Arbeiter in Bezug auf das
Straf wesen, die V erlegungen der Arbeiter zu weit von ihren Wohnorten entfernten
Gruben und die Familienkrankenkassen erfüllt werden.
Unsere staatlichen Bergwerke wünscht Se. Majestät unser Kaiser und König
Wilhelm II., wie er in seinem bekannten Erlasse vom 4. Februar 1890 ausführte,
,,bezüglich der Fürsorge für Arbeiter zu Musteranstalten entwickelt zu sehen“.
Heute entsprechen die Staatsbergiverke diesem Wunsche noch nicht. Es soll
gar nicht verlangt werden, daß die ganze Verwaltung der Staatsbergwerke nur
vom Standpunkte der Arbeiter Interessen aus erfolgen, daß nur das Wohl der Ar-
beiter ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit und ohne die notwendige Rücksicht
auch auf die Rentabilität der Staatsbergwerke maßgebend sein soll. So soll
das Wort Sr. Majestät nicht ausgelegt werden. Aber verlangt hat Se. Majestät
durch das Wort doch: die Staatsbergwerke sollen so weit die Rücksicht auf andere
berechtigte Interessen es zulassen, für die Arbeiter sorgen, sie sollen mindestens
das leisten, was Privatwerke unter denselben Umständen leisten könnten und
leisten würden. In den letzten Jahren ist das nicht geschehen. Die Privatberg-
werke an der Ruhr und bei Aachen haben ihren Arbeitern bessere Lohnverhält-
nisse geboten, wie der Staatsbergbau an der Saar. Und das, obiuohl der staatliche
Saarbergbau höhere Gewinne pro Tonne erlangte, wie der Privatbergbau. Auch
in Bezug auf die Verwaltung und Leitung der Bergwerke müssen die staatlichen
Werke zu Musteranstalten entwickelt iverden. Im Interesse des Staates und der
interessierten Bevölkerungskreise möge die Königliche Staatsregierung und das
Preußische Abgeordnetenhaus die notwendigen Änderungen treffen.
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