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Abb. 2: Bautyp um die Jahrhundertwende, wie er hier und da
heute noch zu sehen ist (Vorderansicht und Grundriß des
Erdgeschosses)
Um die Jahrhundertwende begegnen wir dann dem
sogenannten „Jugendstil", der auch das Gesicht
des Bergmannshauses beeinflußte. (Abbildung 2).
Die Häuser dieser Zeit sind gekennzeichnet durch
größere Dachaufbauten und verschnörkelte Gestal=
tung von Türen und Fenstern. Die Grundrisse zei»
gen insofern eine bemerkenswerte Verbesserung,
als alle Räume nun einen separaten Zugang von
einem selbständigen Treppenhaus aus ha=
ben. Aber noch immer vermissen wir sanitäre An=
lagen innerhalb des Hauses. Den Abort finden wir
jetzt vielfach als Anbau zusammen mit einem
Kleintierstall.
Nach dem ersten Weltkrieg traten abnorme wirt=
schaftliche Verhältnisse ein, die dem einzelnen das
Bauen unmöglich machten. Um die Wohnungsnot
der Bergleute zu beheben, sah sich die Verwaltung
damals veranlaßt, Arbeitermietshäuser zu bauen.
So entstanden Kleinstsiedlungen. Aus Wirtschaft'
liehen Gründen wählte man vorzugsweise die Form
von Doppelhäusern. Nach der Festigung der Mark
lebte auch der Eigenheimbau des Einzelbauenden
wieder auf. Die Disposition der Wohnflächen war
in diesem und den folgenden Jahren beherrscht
durch die Begriffe der Wohnküche und der
guten Stube. In der Wohnküche spielte sich
das ganze häusliche Leben ab. Die Mutter und
Hausfrau kochte, nähte und flickte dort, die Kin=
der spielten oder machten ihre Aufgaben, und
wenn der Vataer von der schweren Schicht heim»
kam, bot sich ihm in der Küche ein Sofa oder ein
sonstiges Polstermöbel zum Ausruhen. Die be=
kannte gute Stube dagegen galt sozusagen als
Heiligtum; sie blieb besonderen Familienfeierlich=
keiten Vorbehalten. So lag kostbarer Wohnraum
fast das ganze Jahr über ungenutzt.
Nach dem letzten Kriege galt es, so schnell wie
möglich den infolge Kriegseinwirkungen verloren»
gegangenen Wohnraum zu ersetzen. Material' und
Geldmangel stellten sich dabei immer wieder hin»
dernd in den Weg. Die Forderung nach dem „Dach
über dem Kopf" war lange oberstes Gebot. Aus
ihr heraus ist es zu verstehen, daß man sich zu*
nächst nicht allzu sehr um eine theoretische Grund=
konzeption für die bauliche Gestaltung kümmerte.
Erst nachdem sich die Finanzierungsmöglichkeiten
durch Arbeitgeber' und Landesdarlehen günstig
gestaltet hatten und so dem Bergmann das Bauen
wesentlich erleichtert wurde, rangen sich neue Er=
kenntnisse durch. Die Devise „besser und schöner
wohnen" wurde geboren. Diese Forderung gilt in
erster Linie dem Wohnkomfort. Wir finden nun
kaum mehr einen Neubau ohne sanitäre Anlagen
— Bad und W. C. — innerhalb der Wohnung. Die
„gute Stube" ist im Verschwinden begriffen. An
ihre Stelle ist ein wirklicher Wohnraum getreten.
Er soll ein vollkommener Ort der Ruhe und Er=
holung sein und muß daher ganz außerhalb des
täglichen Getriebes liegen. Die Küche darf nur noch
reine Arbeitsküche sein und soll der Hausfrau für
ihren Arbeitsbereich Vorbehalten bleiben. Bei ihrer
Planung und Ausstattung ist besonders darauf zu
achten, daß die Arbeitswege so kurz wie möglich
gehalten werden, um der Hausfrau jeden unnöti»
gen Energieaufwand zu ersparen. Aus dem glei»
chen Grund plant man heute die Innenausstattung
der Arbeitsküche auch so, daß an einer Seite die
Installationsgruppe (Herde, Spülbecken, Kühl»
AN DER SAAR
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^QUALITÄT