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Die
Weise
meiner
Mutter
Von Karl Burkert
Ich machte mich auch gleich ans Werk und suchte ein Kohlhaupt
nach dem anderen nach dem gefräßigen Raupenzeug ab
Ich war damals zehn Jahre alt, und wir hatten
einen Garten. In unserem Garten waren all die
Blumen zu finden, die zu einem Dorf gehören, alle
die Kräutlein und Stauden, die mit einem beson»
deren Duft, mit einer geheimnisvollen Kraft geseg=
net sind. Aber natürlich gab es auch allerlei Ge»
müse darinnen, das man in einem Haushalt nicht
entbehren kann.
Wenn man meine Mutter hörte, wußte sie nichts
lieberes als ihren Garten. „Mein Garten", sagte
sie, so oft sie davon sprach. Man konnte meinen,
sie hätte alles, was drinnen blühte und und reifte,
nur für sich haben wollen. Aber so war das nun
wieder nicht. Dagegen weiß ich, wie viel Fleiß sie
daran gesetzt hat, um ihren Garten gut instand zu
halten. Und dieses „Mein Garten" konnte somit
nichts anderes heißen als meine Mühe, meine
Sorge!
Meine Mutter, die der Ansicht war, daß die Kinder
nicht allein zum Brotessen da waren, sondern sich
auch nach dem Maß ihrer Kräfte nützlich zeigen
müßten, legte uns schon früh leichte Arbeiten auf.
Der Garten bot reichlich Gelegenheit.
Soweit ich mich entsinne hatte sie in dieser Hin»
sicht auch gar keine besondere Not mit uns. Im all»
gemeinen verrichtete jedes willig und säuberlich,
was ihm zugewiesen war. Aber wenn zwischen»
hinein doch einmal etwas vorkam — wir waren
keine Engel! —, so gab es kein lautes Schelten
durchs Haus, wie man es anderwärts oft genug
hören konnte: in aller Stille und Ruhe, manchmal
ohne ein einziges Wort, wurde das abgemacht. Und
wie das dann gewesen, das will ich kurz erzählen.
Da hatte meine Mutter einen prächtigen Kohl ge»
baut. Recht fest, prall und blau, wie er sein soll,
stand er auf dem Pflanzstück. Aber es zeigte sich
bald, daß auch das Ungeziefer nicht schlecht im
Flor war. Die Weißlinge tanzten in hellen Schwär*
men durch den Garten, und eines Morgens hingen
die Raupen an den Kohlhäuptern.
Das wachsame Auge meiner Mutter hatte noch zur
rechten Zeit entdeckt, was da vorgehen wollte.
Freilich, die Schwestern waren hier nicht zu ge
brauchen. Vor allem Gewürm graulten sie sich, und
also kam die Mutter an mich. Ich machte mich auch
gleich ans Werk. Ein Kohlhaupt um das andere
suchte ich nach dem gefräßigen Raupenzeug ab,
vertilgte alles, was mir vor die Hand kam, und
meine Sache wäre sicher nicht übel gediehen, wenn
nicht mit einem der Haarwisch des Dumickel Adam
draußen am Zaun emporgetaucht wäre.
Der Adam hatte ein ganz verhitztes Gesicht, auf
geregt fuchtelte er mit seinen Armstecken in der
Luft. Einen Dachsbau wüßte er! Ob ich denn höre: