Full text: 1962 (0090)

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richtet, daß sie männiglich schädlich und nützlich 
sein könnte. Das Gold, das er ihr gebracht habe, 
sei aber wenig von Nutzen gewesen. 
Wenn das alte Weib von dem Teufelskraut, das 
blaue Blümlein genannt, in ein Haus geworfen 
habe, so seien die Leute darin alsbald verdorret, 
verlahmet und blind geworden. 
Als die alte Hexe endlich im Gefängnis saß, habe 
sie sogleich den Junker Hans, wie der Böse sich zu 
benennen pflegte, zu eines namhaftigen Bürgers 
Weib gesandt, um sie im Schalf zu plagen. Aber 
durch Schutz der heiligen Engelein und Beistand 
des Heiligen Geistes sei solches verhindert worden. 
Denn eben, da der Feind mit ihr in Akt und Hand* 
Iung ist, rufet sie aus Grund ihres Herzens in ihrer 
großen Angst den Namen Jesum und streicht das 
heilige Kreuz für sich, da weicht dieser abgesandte 
Feind von ihr und läßt seine Stimme hören in der 
Stimme eines Ziegenbocks ... 
Kathrin Backes, die sich auf einem Baumstumpf 
niedergelassen hat, schaudert zusammen. Kalte 
Nebelfetzen umschleiem sie. Sie legen sich auf 
ihren Kopf, um ihren Hals, um ihren ganzen Kör= 
per. Sie ergreifen Besitz von ihr, so wie es der 
Nachrichter tut, wenn ... 
Die Frau schreit auf, erhebt sich mühsam und geht 
weiter. Bald wird es ein Laufen, Rennen und Stür= 
zen sein, denn die Dunkelheit kommt über sie und 
mit der Dunkelheit die Angst vor dem Schicksal, 
das ihr gestern abend Schefen Johannet vorgehal* 
ten hat. 
„Du mußt dich verstecken, Kathrin", hat er gesagt, 
nachdem Volerigs Entgen mit seiner Erzählung zu 
Ende war. „Der von der Schwarzenburg ist hinter 
dir her. Es wird nicht mehr lange dauern, dann 
werden sie dich holen. Vergiß nicht, daß Schmidts 
Else dich als Hexe angegeben hat!" 
„Ich habe doch nichts getan!" hat sie da geschrien, 
daß alle in der Stube zusammengefahren sind. 
„Das ist doch alles Unsinn mit den Hexen! Wie 
sollen die Weiber mit dem Teufel sich einlassen 
können? Das ist doch Wahnsinn!" 
Sie mußten ihr den Mund zuhalten und sie mit Ge= 
walt zur Ruhe bringen. „Willst du uns umbringen 
mit deinem Gebrüll?" zischte Forkers Eis. „Daß 
es Hexen gibt, weiß jeder. Oder willst du die 
Hungerjahre und all die Nöte, die über die Welt 
gekommen sind, leugnen? Unter den letzten zwan* 
zig Jahren waren nur zwei, die uns eine normale 
Ernte eingebracht haben. Und die auch nur, weil 
der Teufel uns damit ärgern wollte. Schau dir die 
Kriegsnöte an! Und da willst du glauben, Gott 
regiere noch über die Welt? Nein, er hat das Regi= 
ment dem Teufel abgetreten! Und der regiert nun 
mit seinen Helfershelfern. Wie lange das dauern 
wird? Wer weiß es?" 
Die Eis hatte sich in Wut geredet und sie, die Kath= 
rin Backes, direkt feindselig dabei angesehen. Da 
hat sie klein beigegeben: „Ich glaube ja auch, daß 
es Hexen gibt. Aber ich bin keine!" 
Volerigs Entgen vermittelte: „Wer eine richtige 
Hexe ist, wird sich noch heraussteilen. Wenn du 
keine bist, Kathrin, dann rate ich dir zu verschwin* 
den. Verstecke dich irgendwo, bis alles vorbei ist!" 
Sie kamen überein, der Trein, des Schneiders Frau, 
ihre zwei Kinder anzuvertrauen, während sie sei* 
ber in Lockweiler bei ihrem Bekannten Steuers 
Petgen Unterschlupf finden sollte. In Lockweiler, 
gewissermaßen unter den Augen des Hochgerichts* 
herrn Gerhard von Enschringen, dem Herrn der 
Schwarzenburg, würde sie bestimmt niemand 
suchen. 
Und jetzt hastet sie an der Gemarkung von Butt= 
nich vorbei dem Dorfe Lockweiler zu. Was mache 
ich, wenn mich Steuers Petgen nicht aufnimmt? 
Hilfesuchend geht ihr Blick durch die Finsternis 
hinüber zu der Seite, wo die Burg Dagstuhl liegen 
muß. Aber was soll ich bei dem Dagstuhler? Der 
ist doch genauso wie der von der Schwarzenburg! 
Diese Herren machen wegen Gebietsforderungen 
sich gegenseitig das Leben sauer. Die wollen doch 
nur Geld und Macht! Und jede verbrannte Hexe 
bringt Geld ein! Ist der von Dagstuhl nicht auch 
noch Gerichtsherr in Weierweiler? Hat der Trierer 
Kurfürst nicht auch noch etwas zu reden? Ist sogar 
der Herzog von Lothringen nicht irgendwie betei* 
ligt? Und der Büschfelder? Da kenne sich einer 
aus! Doch in einem sind sich diese Herren einig: 
in der Ausbeutung ihrer leibeigenen Bauern! 
Kathrin vergißt einen Augenblick lang ihre eigene 
Not und fühlt sich stellvertretend für alle ihres 
Standes: „Herrgott, gib den Herren ein Einsehen, 
und es wird besser werden in der Welt! Die 
Bauern sind doch auch Christenmenschen und 
haben eine Seele!" 
Die Frau stolpert in diesem Augenblick und fällt 
in eine Pfütze. Fluchend erhebt sie sich wieder. Der 
Fluch bricht den Damm, den die Angst vor den 
Herren aufgerichtet hat; sie hebt die Rechte und 
droht zur Schwarzenburg hin: „Tod und Hölle 
euch, ihr Herren! Ihr seid in Wahrheit die Verbün* 
AN DER SAAR 
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