Full text: 1962 (0090)

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chen an der Saar war seine wahre Heimat ge= 
worden. 
So verkaufte er denn seine Güter im Lütticher 
Land, ließ vom Bildnis seiner Mutter eine Kopie 
anfertigen und kehrte als reicher Mann, der sich 
nun Sebastian Schwan nannte, nach St. Wendel 
zurück. 
Groß war zunächst im Städtchen das Staunen der 
biederen Bürger, als sie Kunde erhielten von Se= 
bastians Verwandlung und Aufstieg. Aber dann 
fanden sie sich in das Neue mit der weisen Er= 
kenntnis, daß der Krieg eben eine unberechenbare 
Macht sei, eine gewalttätige Geißel, die alles zu= 
unterst zuoberst kehrt, aus reich arm macht und 
aus arm reich, dieses fortwischt und jenes herbei= 
fegt, und so Neues schafft, an das man sich eben 
gewöhnen muß. 
Die meisten gönnten ihm die erfreuliche Lage, in 
die das Schicksal ihn versetzt. Viele waren der An= 
sicht, das Städtchen gewinne an Ansehen durch 
solch einen reichen und vornehmen Bürger; und 
wenn man gar anderswo von seinen seltsamen 
Schicksalen erfahre, so werde St. Wendel, das wohl 
seinen berühmten Heiligen habe, aber ansonsten 
ein verschlafenes Nest sei, einmal auf besondere 
Art in den Mittelpunkt gerückt. 
Daß Sebastian Schwan sich nun ein stattliches Haus 
kaufte, fand man ganz in der Ordnung. „Ein Haus 
ist das, wie es noch genug andere davon im Städt= 
chen gibt", maulten einige. Sie hätten es viel lieber 
gesehen, wenn er sich ein respektables Schloß ge= 
baut hätte. Ganz St. Wendel hätte damit Staat 
machen können. 
Mit viel Eifer verfolgten die St. Wendeier die Ge= 
schehnisse im Hause des Sebastian Schwan. Als 
seine Tochter Hochzeit machte, gab es eine wahr= 
haft fürstliche Hochzeit. So spendabel zeigte sich 
Sebastian Schwan, daß er seinen Gästen drei Fuder 
Wein kredenzen ließ. Noch nie, so fanden die ganz 
Alten, sei in St. Wendel eine Hochzeit mit soviel 
Wein, aber auch mit soviel Glanz und Prunk ge= 
feiert worden. 
Sebastian Schwans Sohn hatte es nicht allzuschwer 
in hohe Stellen einzurücken, und man fand es ganz 
in der Ordnung, daß er zum Gerichtshofschöffen 
ernannt wurde. Der Herr Gerichtshochschöffe 
Schwan war es dann auch, der das stattliche Haus 
am Markt kaufte, eben jenes Schwanenhaus, das 
so berühmt wurde durch die seltsame Geschichte 
derer von Schwan. Das alte Haus hat die Familie 
Schwan, deren letzter Sproß in Blieskastel starb, 
überdauert; ob aber die Historie, die sich um dieses 
Haus rankt, in den heutigen noch lebendig ist, mag 
zweifelhaft sein. 
Peter Schikofsky-Bergbau G.m.b.H. 
Saarbrücken
	        
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