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Von Elisabeth Kirch
eben dem alten Rathaus in St. Wendel erhebt
sich ein ehrwürdiges Haus, das früher einmal der
Familie Schwan gehörte. Dieses Haus verdankt
einer merkwürdigen Geschichte seinen Namen.
Es war in dem großen Kriege, fremde Söldner=
scharen zogen im Lande umher, und auch nach
St. Wendel kam eine Horde roher Landsknechte.
Außer einem kleinen Stab forscher Marketende=
rinnen brachte sie einen Knaben mit, der etwa zehn
Jahre alt sein mochte. Dieser Knabe nun gehörte
allen und keinem. Schon über sechs Jahre schlepp=
ten sie ihn mit sich, von Land zu Land, von Stadt
zu Stadt, von Dorf zu Dorf.
Unter seinen Augen raubten, plünderten, sengten
und mordeten sie, und so stahlen sie ihm seine
Kindheit, um ihm dafür Dinge einzuimpfen, die
sein Gemüt vergifteten. Er konnte Reden führen
wie ein abgefeimter Landsknecht und fluchen
konnte er wie ein Türke. Keiner wußte zu sagen,
was sie bewogen hatte, den Knaben mit sich zu
führen. Wenn man ihm aufmerksam ins Gesicht
schaute, konnte man noch schwache Spuren seines
früheren Wesens darin erkennen. Es mußte ein
hübsches Gesicht gewesen sein, in dem sich gute
Eigenschaften des Herzens ausgeprägt haben.
Die verwilderten Landsknechte liebten den Knaben
auf ihre Art; eine Liebe hegten sie für ihn, die sich
vornehmlich in derben Späßen äußerte. Niemand
wußte recht, wie es kam, daß sie abzogen und der
Knabe nicht unter ihnen war. Man fand ihn halb
verhungert in einem dunklen Kellergewölbe.
Der Schulze von St. Wendel nahm ihn in ein gründ=
liches Verhör. Es war aber nicht viel aus ihm her=
auszubringen. Er zeigte sich verstockt, denn er
fürchtete den Ortsgewaltigen, von dessen Worten,
ob liebevoll oder drohend gesprochen, er so gut wie
Unter seinen Augen raubten, plünderten, sengten und mordeten sie und vergifteten damit sein Gemüt