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Ganze Eisenbahnzüge „verschlingt" der Schiffsbauch der
„Theodor Heuß". Das Fahrgastschiff kann außer den Passa
gieren und den Personenkraftwagen auch noch 13 D-Zug
wagen oder 30 Güterwagen an Bord nehmen
fern in einem zermürbenden Furioso von Hitze
und Lärm. Nur wenige Männer warten gemäch*
liehen Schrittes die mächtigen Maschinen, die sil=
bern, strahlend rot, blau oder hellgrün gestrichen
sind — und die so sauber erscheinen, als könne
man von ihnen essen. Schalldichte Kammern
dämpfen das Dröhnen der eigentlich lauten Diesel=
maschinen zu einem dumpfen Grollen ab, und
Frischluft aus vielen Ventilatoren strömt in die
durch stählerne Schotten verschlossenen Räume.
Sogar die Bündel von Kabeln unter der niedrigen
Decke — ungefähr 130 Kilometer Kabelstränge
sind im ganzen Schiff verlegt — haben einen an=
heimelnden silbernen Anstrich erhalten.
Davon indessen ahnt der Passagier nichts, und er
weiß auch kaum, wie wichtig die Perfektion dieser
Maschinenanlage im Verein mit dem nautischen
Können der Deckoffiziere für eine Art von indirek=
tem Kundendienst der Bundesbahn für ihre Hoch=
seereisenden ist, denen neben Pünktlichkeit und
Sicherheit auch die Bequemlichkeit eines stillen
Laufes des Schiffes geboten wird.
Der Sicherheit übrigens dienen leicht zu bedie=
nende Rettungsboote und =flöße mit mehr Plätzen,
als die „Theodor Heuss" an Passagieren überhaupt
aufnehmen kann, und eine geradezu atemberau*
bende Fülle von zum Teil verborgenen Feuerlösch*
anlagen. Durch die Decks patrouillieren ständig
Wachen, um etwa in Kraftwagen entstehende
Brände im Keime zu ersticken. Wöchentlich einmal
führt die Besatzung die vorgeschriebenen Boots=
manöver, verbunden mit einem Feuermanöver,
aus. Nur einmal mußte die „Theodor Heuss" bis*
her ein Boot aussetzen — als nämlich in der Nähe,
vor der Küste von Fehmarn, ein kleiner Küsten=
frachter in Not geriet, dessen beiden Besatzungs=
mitglieder dann aber von anderen Helfern an Land
gerettet wurden.
An den längst vergangenen Krieg dagegen erinnert
noch immer die „Minenabweisanlage" des Fähr=
schiffes — eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme,
die die Anziehungskraft des stählernen Schiffs*
leibes auf etwaige Magnetminen aufhebt. Die
Fährroute selbst ist längst minenfrei gemeldet;
aber ein Übermaß an Sicherheit wird nie als lästig
empfunden.
Nun, auch daran denken die Passagiere nicht. Sie
sonnen sich, stillen ihren Appetit und lassen sich
schließlich von der Schiffssekretärin verwöhnen,
die recht vielseitig ist und die Fahrkarten verkauft,
Reiseauskünfte erteilt, Telefongespräche und Tele*
gramme über Funk nach ganz Europa vermittelt,
die Bordmusik über Lautsprecher steuert, drei*
sprachig nach den verlorengegangenen Eltern wei=
nender Kinder fragt, Fundsachen aufhebt, Brief*
marken verkauft, gelegentlich auf einen Hund auf*
paßt und sogar manchmal, milde lächelnd, einen
eiligen Heiratsantrag abzuweisen hat.
So hat die Fährschiffverbindung von Großenbrode
Kai nach Gedser, eine Brücke in den Norden Euro*
pas, alle Chancen, die Illusion einer Seereise über
einen imaginären Ozean mit vielfältigen Bequem*
lichkeiten zu verbinden und die Reisenden wie
mühelos ihrem Ziel an fremden Gestaden ent*
gegenzubringen.
EIN BIER
VON WELT
HARLSBERG