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kuumwaage sind Gewichtsunterschiede bis zu
0,000 001 g (1 Millionstel Gramm) genau meßbar.
Zeitmessungen können heute mit Spezialuhren
phantastisch exakt durchgeführt werden; so läßt
sich z. B. die Länge eines Tages auf den zehn=
millionsten Teil genau, d. h. eine Tausendstel Se=
künde, stoppen.
Mikroskop und Fernrohr, Waage und Uhr liefern
so dem Forscher die Hilfsmittel für seine Arbeit.
Endlich gesellt sich noch die Mathematik als un=
entbehrliches Hilfsmittel hinzu. Mit ihr werden
die Meßergebnisse verarbeitet und zur Vollendung
unserer Vorstellungen von unendlich Kleinem und
Großem ausgewertet.
Versuchen wir nun, mit dem Forscher zunächst zu
den kleinsten Größen unserer Welt vorzudringen,
und beginnen wir mit der Frage: Läßt sich ein
Stoffteilchen, ein Stäubchen, ein Werkstoffkrüm=
chen, ein Materiepröbchen beliebig weit in immer
kleinere Teilchen zerspalten, lassen sich die klei=
neren Teilchen dann abermals zerstückeln, die
zerstückelten Stückchen wiederum usw., usw.?
Wir müssen antworten: „Theoretisch ja, warum
sollte die Teilbarkeit einmal aufhören!"
Dem aber ist nicht so. Es hat sich gezeigt, daß der
uferlosen Teilbarkeit eine Grenze gesetzt ist.
Nimmt man etwa Quecksilber aus dem Thermo=
meter, unterteilt es in Tröpfchen, das Tröpfchen
wird zerstäubt, das Stäubchen unter dem Mi=
kroskop weiter geteilt, das Teilchen hiervon wie=
derum zerteilt, so bliebe zuletzt eine Teilchen=
große Quecksilber übrig, die nicht weiter teilbar
ist: das Atom.
Wie groß ist ein solches Atom? Um von der Klein=
heit zunächst eine Vorstellung zu vermitteln, sei
eine bekannte Tatsache herangezogen. Jedermann
hat schon beobachtet, wie eine Wasseroberfläche
in den buntesten Farben schillert, wenn öl in das
Wasser geraten ist. Bisweilen kann man diese
Erscheinung schon auf dem nassen Asphalt fest=
stellen, wenn irgend ein Kraftfahrzeug etwas öl
verloren hat. Auf See geschieht es, daß Tanker
öl ablassen, das dann auf viele Quadratkilometer
die Oberfläche, bunt schillernd, bedeckt, wobei
gleichzeitig eine unruhige Wasseroberfläche be=
sänftigt wird. Wir wissen, daß sich das öl in noch
feinerer als hauchdünner Schicht weithin verteilt.
Wie dünn ist diese Schicht? Ein einziger Tropfen
öl kann sich auf 30 Quadratmeter Fläche ausbrei=
ten, wo überall die Regenbogenfarben das Vor=
handensein des Öls beweisen. Eine einfache
Rechnung ergibt, daß der Ölfilm eine Dicke von
1 Millionste! Millimeter haben muß. Daraus folgt,
daß die kleinsten Ölteilchen also auch die Dicke
von 0,000 001 mm aufweisen. Würde sich der
Tropfen öl auf mehr als 30 qm ausbreiten, erhielte
man noch eine kleinere Zahl. Es zeigt sich aber,
daß eine weitere gleichmäßige Ausbreitung nicht
auftritt, jedenfalls nicht, ohne daß der Ölfilm
irgendwo aufreißt und die Wasseroberfläche da=
zwischen erscheint. 0,000 001 mm stellt also eine
untere Grenze der Dicke dar, und man sagt: Wei=
ter läßt sich das öl nicht unterteilen, man ist bei
den kleinsten Bausteinen des Öls angelangt, die
man die Moleküle nennt, weil das öl kein
Grundstoff ist, sondern noch wieder chemisch zu=
sammengesetzt ist aus Kohlenstoff, Wasserstoff
u. a. — Moleküle sind die kleinsten Bestandteile
eines chemisch zusammengesetzten Stoffes, wäh=
rend man die kleinsten Bestandteile eines ein=
fachen Stoffes (z. B. Quecksilber, Eisen, Blei,
Sauerstoff) als Atome bezeichnet.
Ähnliche Beispiele, um die Dicke der kleinsten
Stoffbauteile erkennen bzw. berechnen zu kön=
nen, liefert die Parfümzerstäubung. Wo die Waage
versagt, zeigt uns die Nase noch Parfümteilchen
an. Sie sind unwägbar — also leichter als 1 MiU
lionstel Gramm —, aber immer noch riechbar. Auch
Seifenblasenhäutchen lassen eine Berechnung ihrer
Dicke zu, und Salzlösungen verraten durch ihren
Geschmack das Vorhandensein kleinster Bau=
steine. Der Atomdurchmesser muß also noch klei=
ner sein als alle Werte, die sich aus solchen Ver=
gleichsbildern ergeben.
Durch immer weitere Verfeinerung solcher Berech=
nungen und Methoden gelang es, die wirklichen
Atomdurchmesser und Atomgewichte genau zu
ermitteln, danach beträgt der Durchmesser eines
Wasserstoff=Atoms 1 Zehnmillionstel Millimeter!
An dieser und anderen Zahlen ist nicht zu zwei=
fein; sie sind auf hundertfache Weise ermittelt
worden, von den verschiedensten Forschern in
allen Ländern festgestellt, seit 50 Jahren und
länger bekannt und über jede Kritik erhaben.
Gleichwohl gibt es immer wieder Menschen, die
dies nicht wahrhaben wollen. „Man könne doch
ein einzelnes Atom nicht sehen, nicht auf die Waage
legen, nicht anfassen usw. Es sei alles nur graue
Theorie, was von den Atomen erzählt werde."
Nein, es ist keine Theorie mehr, es ist Wirklich=
keit. Unsere Kenntnis von der Größe, dem Ge=
wicht, der Anzahl der Atome ist ebenso fest fun=
diert wie unsere Kenntnis von der Kugelgestalt
und der Drehung der Erde oder von der Entfer=
nung der Erde zum Mond oder der Sonne. Auch
diese Strecken hat niemand mit dem Zollstock di=
rekt gemessen. Ihre Größe folgt aus unzähligen
Beobachtungen im Planetensystem: aus den Um=
laufzeiten der Gestirne, aus den PIanetenbewe=
gungen, aus Strahlungsvorgängen, aus Sonnen=
und Mondfinsternissen. Ganz ähnlich wird die
Größe der Atome gefunden aus Bewegungen, aus