Full text: 1961 (0089)

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wogenden Kornährenfeld wieder zum Ausgang, d. h. 
zur Mund- und Nasenöffnung, hochtransportiert. 
Durch Ausspucken des Staubpartikelchen enthal 
tenden Speichels machen wir uns vom Staub end 
gültig frei. Diese Reinigungsvorgänge zeigen bei 
Mensch und Tier keine prinzipiellen Unterschiede, 
und man weiß heute, daß mittels der bronchogenen 
Reinigungsfunktion etwa 90—95 % des bis in die 
Lungenalveolen eingedrungenen Feinstaubes aus 
dem Körper wieder ausgeschieden werden können. 
Im Tierexperiment läßt sich sogar das Tempo des 
Transports der Staubteilchen auf dem Flimmerhaar 
feld bestimmen. Und im Urlaub an der See oder im 
Gebirge wundern wir uns nicht schlecht, wenn grau 
schwarzer Auswurf uns noch nach Wochen daran 
erinnert, daß die natürliche Reinigungstätigkeit der 
Bronchialschleimhaut noch immer Grubenstaub zu 
tage fördert. 
Die zweite vom Organismus praktizierte Reinigungs 
funktion geschieht über die feinen Lymphwege der 
Lunge. Hier verhält sich der Körper ähnlich wie 
beim Eindringen infizierten Materials in eine Wunde. 
Bestimmte Blutzellen, die sogenannten Polizisten 
des Körpers, treten aus den Gefäßen aus, fressen 
das infizierte Material in sich hinein und begeben 
sich als sogenannte Freßzellen oder Phagozyten in 
den Lymphstraßen auf Wanderschaft zu den regio 
nalen Abladeplätzen, den Lymphknoten. Viele von 
uns kennen solche Zustände von der Entzündung 
her. Am Finger hat man sich verletzt und infiziert, 
der Finger schwillt an, wird rot, heiß und schmerz 
haft. An der Innenseite des Armes bildet sich der 
bekannte rötliche Streifen der Lymphstrangentzün- 
dung. In der Achselhöhle schwellen die zugehörigen 
Lymphknoten schmerzhaft an. Ähnlich handelt der 
Körper in der Lunge bei Staubeinatmung. Auch in 
die Lungenbläschen treten Freßzellen aus und trach 
ten danach, sich die eingedrungenen Feinstaubpar 
tikel einzuverleiben und, mit Staubteilchen beladen, 
den Abtransport über die Lymphwege zu den regio 
nalen Abladeplätzen, in diesem Fall den Lungen 
wurzeldrüsen (Hilus), vorzunehmen. Auf diese Weise 
werden etwa 5—10 % des bis in die Bläschen 
eingedrungenen Staubes aus der Lunge fortge 
schafft. 
Bleibt die eingeatmete Staubmenge gering, wird 
unser Körper mittels der beiden genannten natür 
lichen Reinigungsmechanismen mit dem Staubange 
bot selbst fertig; es gibt keine Staublungenverän 
derungen, weil der Staub in seiner Gesamtheit je 
weils nach außen oder innen wieder abgeführt wird. 
Erst wenn aus irgendeinem Grund das Reinigungs 
system versagt oder überbeansprucht wird, wenn 
eine größere Menge Staubes eingeatmet wird als 
unser Organismus auf die beschriebene Weise aus 
zuscheiden vermag, kommt es in den Abfuhrwegen 
zu einer „Verkehrsstockung“ und schließlich zu 
völliger Verstopfung der Lymphstraße in der Lunge 
Genau wie im Straßenverkehr sind die Kreuzungs 
und Treffpunkte der kleinen Lymphwege die „Ge 
fahrenstellen“. Und hier ist es in der Regel, wo 
sich die ersten Staubzellanhäufungen, die Vorläufer 
der silikotischen Bindegewebsknötchen, bilden. Die 
Silikose beginnt ihren Lauf zu nehmen. 
Die Staublungenforschung glaubt auf Grund jahr 
zehntelanger Erfahrung heute schon sagen zu kön 
nen, unterhalb welcher Staubbelastung mit dem 
Auftreten von silikotischen Veränderungen nicht 
mehr zu rechnen ist. Jeder Bergmann weiß aber aus 
eigener Berufserfahrung, daß es wie bei anderen 
Krankheiten auch bei der Staublunge „besonders 
anfällige“ und andererseits auch völlig „unempfind 
liche“ Menschen gibt. Damit sind wir bei dem gro 
ßen, bis heute noch ungelösten Problem der per 
sönlichen Staublungenveranlagung (Disposition) an 
gelangt. Trotz langjähriger intensiver medizinischer 
Forschung können wir Ärzte bisher noch keine be 
friedigende Antwort geben auf die Frage: wie 
kommt es, daß von hundert im gleichen Maße 
staubgefährdeten Personen nach jahrzehntelanger 
Arbeit ein geringer Teil eine schwere tödliche Sili 
kose erwirbt, ein weiterer Prozentsatz von mittel- 
gradiger Silikose befallen wird und ein großer Pro 
zentsatz praktisch völlig silikosefrei bleibt. Ließe 
sich diese Silikoseveranlagung vorher feststeilen, 
wäre durch werksärztliche Auswahl entsprechender 
Arbeiter, die nicht silikoseanfällig sind, das Sili 
koseproblem für die Bedürfnisse praktischer Be 
lange schon gelöst. Dem ist aber leider noch nicht 
so. 
Warum machen wir aber dann die Einstellung im 
Bergbau von einer besonderen ärztlichen Unter 
suchung abhängig? Weil es nämlich doch bestimmte 
Menschen gibt, die der Arzt von vornherein als 
besonders silikosegefährdet erkennen kann. Das 
sind beispielsweise Personen mit Narbenbildung 
nach durchgemachten früheren Lungenerkrankun 
gen, etwa abgeheilten Tuberkulosen, mit chroni 
schen Entzündungen der Bronchialschleimhäute oder 
sonstigen Bronchialveränderungen, mit Herzerkran 
kungen, ferner alle Zustände, die die Beweglichkeit 
der Lunge beim Atemvorgang behindern, wie Brust 
fellverwachsungen und Schwartenbildung nach frü 
her durchgemachter feuchter Rippenfellentzündung, 
schlecht verheilte Rippenbrüche, Brustkorbdefor 
mierung bei Wirbeisäulenverbiegung oder nach 
englischer Krankheit, um nur ein paar solcher Be 
funde zu nennen. Bei Vorliegen solcher durch eine 
sorgfältige ärztliche Untersuchung feststellbarer 
Körperbefunde weiß der Arzt, daß dieser Mensch, 
Auf dem Stiefel bei Sengscheid ^
	        
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