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Silikosevorbeugung ein wichtiges Gesundheitsproblem
Von Dr. med. Heinz-Günther Zeyer, Leiter der Abteilung Arbeitsmedizin
Eine zu Beginn des Jahres 1960 vor den Aufsichtspersonen der Betriebe gehaltene gemeinsame
Vortragsreihe der Staubbekämpfungsstelle und der Arbeitsmedizinischen Abteilung über tech
nische und medizinische Staub- und Silikoseprophylaxe ergab unter den Zuhörern so starkes
Interesse, daß ich gern dem mir vorgetragenen Wunsch nachkomme, durch diesen Aufsatz einem
größeren Kreis von Bergleuten einige besonders interessierende Fragen über den Sinn und die
Möglichkeiten der ärztlichen Staublungenprophylaxe nahezubringen, über die umfangreichen
Aufwendungen und bereits erzielten Erfolge der technischen Staubbekämpfung im Bergbau ist
schon wiederholt aus berufener Feder berichtet worden. (Siehe auch den Beitrag „Umfang und
Erfolge der Staubbekämpfung auf den Gruben der Saarbergwerke AG von 1957 bis Ende 1959“.)
Aus dem medizinischen Sektor der Staublungenverhütung dagegen hört der Bergmann im allge
meinen nur wenig, weil sich die Forschung in der dem Laien schwer verständlichen Fachsprache
meist nur an den Wissenschaftler wendet oder lediglich spezielle Teilgebiete behandelt. Deshalb
will ich als Ihr Werksarzt mit Ihnen darüber sprechen, welchen Beitrag der Arzt im Betrieb lei
stet, um die gefürchtetste Bergmannskrankheit, die Staublungenerkrankung (im Schrifttum auch
Pneumokoniose oder Anthrako-Silikose genannt), zu verhüten.
Zum Zustandekommen einer Silikose sind grund
sätzlich mehrere Faktoren erforderlich. Zunächst
muß der am Arbeitsplatz eingeatmete Staub so fein
sein, daß er durch den engen Hals der Lungenbläs
chen bis in die tiefsten Lungenteile eindringen kann,
d h. nur ein mit bloßem Auge nicht mehr sichtbarer
Feinstaub unterhalb der unvorstellbar kleinen Korn
größe von s /1 ooo mm Durchmesser vermag diese
enge Passage zu überwinden. Die größeren Staub
teilchen bleiben schon vorher irgendwo an der
Bronchialschleimhaut haften und werden wieder
ausgeschieden Der Staub muß ferner eine be
stimmte Mineralzusammensetzung besitzen; man
weiß heute, daß ein Kohlenstaub-Steinstaubgemisch
gesundheitsgefährlicher ist als beide Komponenten
allein. Die Staubdichte in der Atemluft muß eine
bestimmte Konzentration erreichen, und die Dauer
der Staubeinwirkung muß genügend, lange sein.
Diese Komponenten hängen weitgehend voneinan
der ab; es ist klar, daß bei hoher Staubkonzentra
tion und entsprechender mineralogischer Beschaf
fenheit eine Staublungenschädigung schon nach
wenigen Jahren in Erscheinung treten kann, während
bei gleicher Staubqualität aber niedrigerer Staub
dichte bis zum Auftreten des Körperschadens län
gere Zeit (Expositionszeit) vergehen wird
Der menschliche Körper ist dem eingeatmeten
Staub gegenüber aber nicht völlig schutzlos ausge-
liefert. Mit komplizierten Methoden läßt sich heute
in etwa ausrechnen, wieviel des obengenannten
Feinstaubes ein Bergmann während seines rund
40jährigen Arbeitslebens unter Tage bis in die
tiefsten Atemwege aufnimmt. Wird die Lunge, z. B.
bei tödlichem Unfall auf ihren Feinstaubgehalt unter
sucht, stellt man überrascht fest, daß nur wenige
Bruchteile dieser theoretisch errechneten Staub
menge in der Lunge noch tatsächlich nachzuweisen
sind. Wo ist der eingeatmete Staub nun geblieben?
Die Lunge besitzt auf zweierlei Art ein naturgege
benes Reinigungsvermögen: über die Bronchial
schleimhaut und über die Lymphgefäße. Unsere
Bronchialschleimhäute sind bis in die feinsten Ver
zweigungen mit einer bestimmten Zellschicht ausge
kleidet, die nach der Lichtung der Luftwege hin
winzige Flimmerhärchen besitzt. Jede einzelne Zelle
kann man mit einem Rasierpinsel vergleichen, des
sen Haare in die Luftwege hineinragen. Viele Mil
lionen solcher Rasierpinselchen nebeneinander bil
den gleichsam ein großes Ahrenfeld von Flimmer
elementen, und auf dieser ständig in rhythmischer
Bewegung befindlichen Flimmerhaarschicht der
Bronchialschleimhaut werden die in die Lunge ein
gedrungenen feinen Staubteilchen wie auf einem