Full text: 1961 (0089)

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Der Unfallselbstschutzgedanke 
als Faktor der psychologischen Unfallbekämpfung 
Von Abteilungsdirektor 
1. Bergrat a. D. van Gember 
und Abteilungsleiter N. Rupp, 
Sicherheitsabteilung 
Die Unfallentwicklung eines jeden Betriebes ist 
von wesentlichem Einfluß auf das Betriebsklima und 
damit auch auf den betrieblichen Erfolg. Trotz allen 
Bemühungen zur Bekämpfung der Unfälle ist es je 
doch noch nicht gelungen, die Unfallzahlen so ent 
scheidend herabzumindern, wie es aus menschlich 
sozialen und aus betriebs- und volkswirtschaftlichen 
Gründen wünschens- und erstrebenswert wäre. Im 
Bergbau, mit dem wir uns hier näher befassen wol 
len, ist es durch die jahrzehntelangen Bemühungen 
der Bergbehörden und der verantwortlichen In 
genieure zwar gelungen, die Arbeitsverfahren sowie 
die vielseitigen technischen Einrichtungen, wie Ma 
schinen, Ausbauelemente, Geleucht, Sprengmittel, 
Bewetterung usw., laufend unfallsicherer zu gestal 
ten und dadurch die Unfälle durch technische Ur 
sachen soweit herabzumindern, daß sie heute nur 
noch etwa 20 bis höchstens 30 % aller Ursachs 
faktoren umfassen. Die Tatsache, daß im Saarberg 
bau um die Jahrhundertwende noch 0,55 bis 0,60 
tödliche Unfälle je 100 000 verfahrene Schichten zu 
verzeichnen waren und deren Anzahl trotz der in 
zwischen erfolgten Mechanisierung der Kohlenge 
winnung und -förderung nach und nach bis auf 0,30 
im Durchschnitt des letzten Jahrzehntes und sogar 
bis auf 0,23 im letzten Jahre abgesunken ist, be 
stätigt dies sehr eindrucksvoll. 
Geblieben aber sind die vielen Unfälle durch 
menschliche Fehler und Schwächen, die in Verbin 
dung mit dem Ansteigen der technischen und sach 
lichen Möglichkeiten verstärkt zur Auswirkung 
kommen. Aus diesen Erfahrungen ergibt sich die 
Notwendigkeit, die Bemühungen der technischen 
Unfallverhütung durch psychologische Maßnahmen 
zu ergänzen, indem jedem einzelnen Bergmann — 
um einen entscheidenden Erfolg in der Unfallbe 
kämpfung zu erreichen — durch eine entsprechende 
Aus- und Fortbildung die Befähigung zur rechtzei 
tigen Erkenntnis der verschiedenartigen Unfallmög 
lichkeiten vermittelt wird. Dieses ist um so not 
wendiger, da sich erwiesen hat, daß einwandfreie 
Arbeitsbedingungen oder langjährige Gewöhnung 
an vorhandene Gefahren sehr leicht zur Sorglosig 
keit und damit zu Unvorsichtigkeiten verleiten, so 
daß die hierdurch vorkommenden Unfälle weit häu 
figer sind, als allgemein angenommen wird. Wir 
erwähnen hierzu beispielsweise die vielen Unfälle 
durch die Hinauszögerung des Streb-Ausbaues im 
Verlaß auf das einwandfrei erscheinende Hangende 
oder die Unfälle älterer und erfahrener Elektriker, 
die durch ihren täglichen Umgang mit elektrischen 
Geräten allmählich gefahrenblind geworden sind. 
Diese sogenannten vermeidbaren Unfälle werden 
im Saarbergbau schon jahrelang zu bekämpfen ver 
sucht durch 
— den Aushang von belehrenden Unfallverhütungs 
bildern, 
— die Verteilung von bebilderten Flugblättern mit 
dem Hinweis auf das unfallsichere Verhalten bei 
diesen oder jenen Arbeitsausführungen, 
— die Bekanntgabe von sogenannten Sicherheits 
parolen und dergleichen durch Lautsprecher, 
— die Veröffentlichung von lehrreichen Unfallver 
hütungs-Preisausschreiben, 
— die Ausgabe von zweckentsprechenden Unfall 
schutzmitteln, 
— den alljährlichen Wettbewerb der Gruben zur 
Erringung des Wanderpreises für die Gruben 
sicherheit usw. 
Mit diesen zum Teil sehr kostspieligen Maßnahmen 
wurde jedoch bis jetzt kein durchschlagender oder 
nachhaltiger Erfolg erzielt. Aus diesem Grunde wird 
neuerdings über die vorerwähnten Maßnahmen hin 
aus versucht, jedes einzelne Belegschaftsmitglied 
im Interesse der Unfallverhütung und in Verbindung 
mit dem bergmännischen Kameradschaftsgedanken 
zur persönlichen Mithilfe anzusprechen. Es handelt 
sich hierbei um den sogenannten Unfallselbstschutz, 
der bereits in anderen Industriezweigen des In- 
und Auslandes seit einigen Jahren mit Erfolg Ver 
breitung gefunden hat und insbesondere auch bei 
einem westfälischen Bergwerksunternehmen zu 
beachtlichen Erfolgen geführt hat. 
Mit dem Unfallselbstschutzgedanken soll erreicht 
werden, daß jeder Betriebsangehörige, vom Be 
triebsdirektor bis zum jüngsten Bergmann, sich 
stets um die Unfallsicherheit im Betrieb bemüht, je 
der einzelne sich der jeweiligen Unfallgefahren 
immer bewußt bleibt und durch Vorsicht sowie 
Sicherheitsvorkehrungen jeden Unfall zu vermeiden 
sucht, soweit dies innerhalb seines Einflußbereiches 
möglich ist. Neben diesem Eigenschutzgedanken 
umfaßt jedoch der Unfallselbstschutz, auf die tra 
ditionelle bergmännische Kameradschaft übertra 
gen, auch die Kameradschaftshilfe, indem jeder 
nicht nur auf sich selbst achtet, sondern sich auch 
für seine Kameraden verantwortlich fühlt und diese 
vor Unfällen zu bewahren sucht. In diesem Sinne 
ist der Unfallselbstschutzgedanke eine Selbsthilfe
	        
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