Full text: 1961 (0089)

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Jetzt hätte ich etwas, nein, viel sagen müssen. Es 
war jedoch zu spät dazu. Sie mußte ins Kino. 
Wenn sie nicht oft genug ins Kino kommt, macht 
ihr das Leben keine Freude. Ihre Freude hatte für 
mich einen bitteren Nachgeschmack. Sie konnte in 
dieser und den folgenden Nächten nicht mehr 
schlafen, wenn nicht jemand, zur Not ich, in ihrer 
unmittelbaren Nähe war. Sie hatte nämlich einen 
Horrorfilm gesehen, in dem regelmäßig um Mit= 
ternacht ein Mörder sein Opfer aufsucht. 
Wenn sie durch die nächtlichen Aufregungen auch 
nie ganz arbeitsfähig war — sie versicherte es je= 
denfalls —, so entwickelte sie in den kommenden 
Tagen doch in der Aufnahme von außerhäuslichen 
Kontakten eine fieberhafte Tätigkeit. Ich hörte es 
zuerst an einem schrillen Pfiff, ähnlich denen, wie 
sie überbelastete Zuschauer im Theater ausstoßen 
In der Küche sah ich nur noch Beine und Petti= 
coats. Alles übrige hing zur Freude meiner Nach= 
barn auf dem Fenster und pfiff — gleichberechtigt, 
wie wir Frauen heute nun mal sind. Ein Rad= 
fahrer drehte unten einsame Kurven. Er muß den 
Anpfiff dankbar begrüßt haben. Denn vom 
nächsten Einkauf kam sie in seiner Begleitung 
heim. Sie war fest entschlossen, dem gleichen Club 
beizutreten, dem auch er angehörte, er, dessen 
Namen sie allerdings noch nicht wußte. 
Daß sie für die gesellschaftlichen Verpflichtungen, 
wie sie solche Vorhaben und der Stadtaufenthalt 
ohnehin mit sich bringen, nicht ganz ausgerüstet 
war, hatte ich schon ziemlich schnell gemerkt. Das 
Ausmaß ihres Nachholbedarfs offenbarte sich je= 
doch erst später. Anfangs benutzte sie nur meine 
Taschentücher: „Ich habe bloß zwei bei mir, damit 
mein Gepäck nicht so schwer ist." Später nahm 
s:e ohne weitere Hemmungen meine Schals, mei= 
nen Schirm, meine Tasche; sie benutzte meinen 
Nagellack, mein Parfüm, meinen Lippenstift. Als 
sie auch meine Schuhe anzog, fand ich es an der 
Zeit, zu reklamieren. Sie nahm meine Worte sehr 
nett auf: „Sie dürfen auch meine Zahnpasta be= 
nutzen, und — was die Schuhe angeht — Sie haben 
ja so viele." 
Nach ihrer Probezeit schickten wir sie wieder 
heim. Sie weinte sehr. Es gefiel ihr nämlich gut 
bei uns, und in der Stadt machte man sein Glück 
eher als auf dem Lande. Mir tat es leid, daß sie 
weinte. Aber wir hielten sie nicht mehr aus, viel= 
leicht, weil zu vieles an ihr unangenehm typisch 
war, vielleicht auch, weil wir uns nicht ganz un= 
schuldig an so manchem Typischen fühlten. 
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PREISWERTE MÖBEL 
Bettnässen 
ist keine schlechte Angewohnheit, son 
dern ein Übel, das der Behandlung 
bedarf. „Hicoton" ist seit Jahrzenten 
bestens bewährt gegen das Leiden! 
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theken, wo nicht, dann Rosen-Apotheke, 
(13b) München 2, Rosenstraße 6 (auch 
Versand).
	        
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