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Jetzt hätte ich etwas, nein, viel sagen müssen. Es
war jedoch zu spät dazu. Sie mußte ins Kino.
Wenn sie nicht oft genug ins Kino kommt, macht
ihr das Leben keine Freude. Ihre Freude hatte für
mich einen bitteren Nachgeschmack. Sie konnte in
dieser und den folgenden Nächten nicht mehr
schlafen, wenn nicht jemand, zur Not ich, in ihrer
unmittelbaren Nähe war. Sie hatte nämlich einen
Horrorfilm gesehen, in dem regelmäßig um Mit=
ternacht ein Mörder sein Opfer aufsucht.
Wenn sie durch die nächtlichen Aufregungen auch
nie ganz arbeitsfähig war — sie versicherte es je=
denfalls —, so entwickelte sie in den kommenden
Tagen doch in der Aufnahme von außerhäuslichen
Kontakten eine fieberhafte Tätigkeit. Ich hörte es
zuerst an einem schrillen Pfiff, ähnlich denen, wie
sie überbelastete Zuschauer im Theater ausstoßen
In der Küche sah ich nur noch Beine und Petti=
coats. Alles übrige hing zur Freude meiner Nach=
barn auf dem Fenster und pfiff — gleichberechtigt,
wie wir Frauen heute nun mal sind. Ein Rad=
fahrer drehte unten einsame Kurven. Er muß den
Anpfiff dankbar begrüßt haben. Denn vom
nächsten Einkauf kam sie in seiner Begleitung
heim. Sie war fest entschlossen, dem gleichen Club
beizutreten, dem auch er angehörte, er, dessen
Namen sie allerdings noch nicht wußte.
Daß sie für die gesellschaftlichen Verpflichtungen,
wie sie solche Vorhaben und der Stadtaufenthalt
ohnehin mit sich bringen, nicht ganz ausgerüstet
war, hatte ich schon ziemlich schnell gemerkt. Das
Ausmaß ihres Nachholbedarfs offenbarte sich je=
doch erst später. Anfangs benutzte sie nur meine
Taschentücher: „Ich habe bloß zwei bei mir, damit
mein Gepäck nicht so schwer ist." Später nahm
s:e ohne weitere Hemmungen meine Schals, mei=
nen Schirm, meine Tasche; sie benutzte meinen
Nagellack, mein Parfüm, meinen Lippenstift. Als
sie auch meine Schuhe anzog, fand ich es an der
Zeit, zu reklamieren. Sie nahm meine Worte sehr
nett auf: „Sie dürfen auch meine Zahnpasta be=
nutzen, und — was die Schuhe angeht — Sie haben
ja so viele."
Nach ihrer Probezeit schickten wir sie wieder
heim. Sie weinte sehr. Es gefiel ihr nämlich gut
bei uns, und in der Stadt machte man sein Glück
eher als auf dem Lande. Mir tat es leid, daß sie
weinte. Aber wir hielten sie nicht mehr aus, viel=
leicht, weil zu vieles an ihr unangenehm typisch
war, vielleicht auch, weil wir uns nicht ganz un=
schuldig an so manchem Typischen fühlten.
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Bettnässen
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