124
noch immer unter dem Eindruck des Verlustes
einer fürsorgenden Hausmutter. Der Vater ist jetzt,
nach dem Tode der Mutter, mehr bei seinen noch
zu Hause verbliebenen Kindern, als dies vorher der
Fall war, und es ist für ihn ein Trost, daß er die
Winterabende im Kreise seiner Kinder verbrin=
gen kann und eine Herzlichkeit verspürt, die sie
alle miteinander vereint.
Friedrich Koellner, der Pfarrer, wurde am 8. Mai
1764 in Saarbrücken geboren. Nach dem Besuch
der Elementarschule trat er in das Gymnasium
ein. Wie es damals in vielen Saarbrücker Familien
üblich war, wurden Söhne und Töchter nach Be=
endigung der Schulzeit in eine Pension nach Metz
geschickt, um sich in der französischen Sprache zu
vervollkommnen. Es gehört zum guten Ton, auch
Französisch zu parlieren, und im Brief redet der
alte Koellner seinen Sohn mit „Mon eher fils!" an.
Inzwischen richtete der Vater ein Gesuch an den
Fürsten Ludwig um Gewährung eines Stipendiums
zum Studium des Sohnes. In wohlwollender Weise
teilt Präsident Hammerer vom Haiberg aus dem
Gartendirektor mit, daß das Gesuch genehmigt
sei. Nun kann der Sohn zum Studium nach Halle,
das dem Vater sehr geeignet erscheint. Etwa zur
gleichen Zeit wohnen im Hause des Professors
Johann Salomo Semmler in Halle der junge Koell»
ner und mit ihm der spätere Rektor Kiefer und
Superintendent Hildebrandt von Saarbrücken.
Friedrich Koellner lernt neben Halle auch noch das
Universitätsleben von Jena kennen, kehrt nach
drei Jahren wieder in die Heimat zurück und wird
als Freiprediger angestellt. Die erste Predigt darf
er in der Schloßkirche halten. Aber als Freiprediger
hat er noch keinen Lebensunterhalt, und er nimmt
daher eine Hauslehrerstelle beim Obristen von
Bode, dem Kommandeur des Regiments Nassau,
an und folgt dieser Familie nach Bergzabern und
Sultz. Dort ist ein Oheim Koellners Superinten=
dent, dem er neben seiner Lehrtätigkeit in pfarr=
amtlichen Verrichtungen hilft. In dieser Zeit
machen sich im Elsaß und im Fürstentum Saar=
brücken die Stürme der Französischen Revolution
bemerkbar. Koellner möchte zurück nach Saar=
brücken, aber die Ereignisse zwingen ihn, noch
eine Zeitlang der Stadt ferne zu bleiben.
In jene Tage fällt die Abfassung des Briefes, der
mit Gedanken und Sorgen über die kommenden
Ereignisse beginnt. Georg Firmond, ein Saar»
brücker Kaufmann, schrieb ein Tagebuch, das die
Unruhen schildert, die in Saarbrücken durch die
Revolution in Frankreich ausgelöst wurden. Der
Unwille der Bürger richtete sich in erster Linie
gegen die Willkür des höchsten fürstlichen Beam»
ten, des Präsidenten Hammerer.
„1790 hat die Revolution auch hier ihren Anfang
genommen", schreibt Firmond, „welche die fran»
zösische Luft hierher geweht. Da haben die Bür»
ger ihre alten Rechte wieder gefordert und wollten
die allzu großen Auslagen und Anforderungen des
Fürsten, welche man ihm nicht mit Recht schuldig
war, nicht mehr zahlen. Die Wirte wollten das all»
zustarke Ohmgeld nicht mehr zahlen, wie auch
keinen Bannwein mehr annehmen. Sie wollten
sich von der Polizei nicht mehr so nach Willkür
strafen lassen; das mußte gezahlt werden, was nur
dem Amtmann gefiel anzusetzen übers Gesetz.
Sie wollten den freien Tabak und Branntwein»
handel wieder haben nebst einer gewissen Abgabe
pro Maß und Pfund, Abschaffung des allzu vielen
Wildbrets groß und klein nebst der unsäglichen
Menge Fasanen und Feldhühner, Kaninchen und
was dergleichen mehr. Wollten ihre Waldungen von
dem Wildbret nicht mehr so ruiniert haben, woll»
ten den Wildzaun nicht mehr unterhalten, keine
Grundbierenzehnten mehr zahlen, viel weniger
mehr so viele Soldaten logieren, die nicht zum
Kreis gehören, sondern nur zum Vergnügen des
Fürsten und Verdruß der Bürger da sind, wollten
nicht mehr soviel in die Militärkasse zahlen und
wollten Recht getan haben von der Landkasse,
woraus der Fürst zuletzt jeden Jäger und Stall»
jungen zahlte und was ihm vorkam. Bei Nach»
rechnung hat sich befunden, daß der Fürst seit
Das auf den Saarfelsen thronende Sommerhaus am Schloß
in Saarbrücken (nach einer zeitgenössischen Darstellung)