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Mittlerer Weinschwärmer, ein Schmetterling, der sich tags
über versteckt hält
falter gut getarnt. Nur wenige unter ihnen haben
den lichten Tag zum Tummeln gewählt, wie z. B.
der Taubenschwanz und der Hummelschwärmer.
Die Raupen der Nachtfalter sind allgemein groß,
unbehaart und besitzen meist ein „Horn" am Hin=
terleibsende. Es ist ein reines Hautgebilde. Die
Verpuppung erfolgt während des Winters in der
Erde. Einige bekannte Schwärmer seien hier auf=
geführt: der Totenkopf, der Weinschwärmer, das
Abendpfauenauge, der Pappelschwärmer, der Lin=
denswärmer, der Hummelschwärmer, der Tau=
benschwanz, der Kiefernschwärmer, der Liguster=
und der Windenschwärmer.
Dem aufmerksamen Beobachter wird es nicht ent=
gangen sein, daß sich die Blüten einiger Pflanzen
unserer Heimat erst des Abends öffnen, während
die große Zahl der Pflanzen gerade dann ihre Blü=
ten schließt bzw. schon geschlossen hat. Zu den
ersten gehören die gelb blühende Nachtkerze, das
Geißblatt, die Zaunwinde, das Seifenkraut, die
Nachtlichtnelke, die Nachtviole (häufig in Gärten,
und von da bisweilen in großer Menge verwildert),
die Stendelwurz, eine Orchidee, und das nickende
Leimkraut. Die Blüten dieser Pflanzen machen sich
nicht nur durch ihre leuchtende Farbe bemerkbar,
sondern den meisten entströmt auch in der Däm=
merung und während der Nachtstunden ein süß=
licher, zum Teil betäubender Geruch. Charakte*
ristisch für diese Blüten sind auch in der Regel die
langen Blütenröhren. Sie sind den langen 5aug=
rüsseln der Nachtfalter oder Schwärmer bestens
angepaßt und werden von ihnen besucht und
bestäubt. Die Blüten nennt man deshalb Schwär=
mer= oder Nachtfalterblüten. Die Rüssel der Tag=
falter, wie Kohlweißling, Zitronenfalter, SchwaU
benschwanz, Tagpfauenauge, Apollo u. a., sind
höchstens 3 cm lang. So können Blüten mit einer
längeren Röhre nur von Nachtfaltern bestäubt
werden. Einige Beispiele dazu: Der Ligusterschwär=
mer mit seinem 4 cm langen Rüssel reicht für die
Blüten von Geißblatt, Lichtnelke und Flieder, der
Windenschwärmer mit seinem 10 cm langen Rtis=
sei für die Blüten der Zaunwinde.
Die Schwärmer werden angelockt durch Duft und
Farbe der Blüten. Letztere dient nur in der Nähe als
Wegweiser. Sie ist auch nur dann wahrzunehmen,
wenn irgendwoher noch ein bißchen Licht kommt
— und sei es vom fernen Sternenhimmel. Als Fern=
Wegweiser verwendet die Nachtfalterblüte den Duft.
Er entströmt den Blüten in den Abend= und Nacht=
stunden besonders stark. Die Nasen der Nacht=
falter sind die bekannten Fühler.
Die Insekten gehören allgemein zu den besten
Riechern in der Tierwelt, namentlich die Schwär=
mer. Das Witterungsvermögen bestimmter Insek=
ten scheint noch wesentlich über das scharf wittern=
der Säugetiere hinauszugehen. Mit den gut
arbeitenden Fühlern — sprich Nasen — nehmen die
Nachtfalter Duftstoffe auf große Entfernungen
wahr und finden so die Futterpflanze oder den
Geschlechtspartner. Die Weibchen vieler Schmet=
terlinge locken nämlich die Männchen ebenfalls
mit besonderen Duftstoffen an. Die männlichen
Falter haben deshalb auch immer die größeren
Fühler. Die Duftorgane der Weibchen liegen in
schützenden Hautfalten verborgen. Die aus=
strömenden Duftstoffe sind sehr zart, häufig mit
blumigem oder fruchtartigem Aroma. Durch exakte
Versuche hat man festgestellt, daß die männlichen
Tiere ihre Weibchen über eine Entfernung von
mehreren Kilometern aufspüren. Anfang des
jahres 1959 gelang es im Max=Planck=Institut für
Biochemie in München nach zwanzigjähriger, müh=
samer und geduldiger Arbeit erstmals, einen art=
spezifischen Lockstoff der Schmetterlinge in reiner
Form darzustellen und seinen chemischen Aufbau
zu klären. Für die Praxis der Schädlingsbe=
kämpfung könnte sich dieser große Erfolg einst
verblüffend auswirken. Sollte man in die Lage
kommen, die Lockstoffe für die verschiedenen
Schadinsekten künstlich herzustellen, dann könn=
ten wir alle männlichen Schädlinge aus einem be=
stimmten Bezirk anlocken, sie fangen und damit
die weitere Vermehrung der Art unterbinden.
Unter den Schmetterlingen sind die Nachtfalter
zweifellos die besten Flieger. Darauf weisen schon
die schmalen, spitzen und langen Flügel hin.
Schmalflügelige Tiere sind immer Weitstrecken=
flieger. Wir werden in diesem Zusammenhang an