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in das Versteck hineinziehen. „Lauf ins Versteck
und sage ihnen, daß wir mit den Glocken hier
sind. Wir kommen bald nach." Michel Reimsbacher
springt davon. Er kennt ja das Versteck.
Die Männer sind unterdes dabei, die Glocken zu
vergraben. Sie ins hochgelegene Versteck zu schlep*
pen, hätte zu großer Anstrengungen bedurft. Bald
ist die Arbeit getan. Die Glocken ruhen sicher in
der Heimaterde. Die Männer sind eben dabei,
jedes verräterische Zeichen am Boden zu beseiti*
gen, als urplötzlich Schweden und Franzosen auf=
tauchen.
Entsetzen packt die Tapferen. In letzter Minute
sind sie von den Marodeuren gestellt worden! Nur
ein paar Herzschläge lang dauern sprachloses Ent=
setzen auf der einen und hohnvolles Grinsen auf
der anderen Seite. Dann lacht die Soldateska wild
auf: „Wo Frauen und
Mädchen? Wo Vieh?" In
diesen Augenblick wissen
die zwölf Männer, daß
die Strauchdiebe von dem
Vergraben der Glocken
nichts bemerkt haben. Des=
halb geben sie gelassen zur
Antwort: „Fort!" — „Wo?"
Die zwölf zucken die Schul=
tern. Da wird der erste er=
schlagen.
„Wo Frauen und Mäd=
chen?" Die elf zucken die
Schultern. Da wird der
nächste erschlagen. „Wo
Vieh?" Die zehn zucken die
Schultern. Die entmenschte
Horde erkennt, daß säe von
den Männern nichts erfah=
ren wird. Und, noch voll
des roten Mordens in Los=
heim, erschlägt sie alle
Männer, daß deren Blut in
die Erde dringt und über
die Glocken läuft, sie da=
mit noch im Tode grüßend.
Das Teufelsgelichter aber
geht johlend davon.
UI.
ges das Dorf ihrer Väter neu aufbauten, wußten sie
wohl, daß die Glocken im Waldesgrund der „Hak*
kenbach" versteckt lagen. Die genaue Stelle aber
fand niemand mehr bis auf den heutigen Tag.
Über Nunkirchen läuten heute andere Glocken,
deren eherne Münder lauter rufen als die von
damals, als der Schwede kam. Und doch vermag
man auch heute noch die Stimmen der alten
Glocken zu hören, über die das Blut der zwölf
tapferen Männer geflossen ist. Die Überlieferung
kündet, daß ein Glücklicher am Fronleichnamstage,
wenn der Heiland durch die Straßen getragen wird,
die Glocken von der „Hackenbach" her hören
kann. Ganz leise zwar, da sie doch so tief im
Boden liegen, aber doch vernehmbar. Sie bitten
den, der sie hört, für die Seelenruhe der Gemor=
deten und aller toten Nunkirchener zu beten.
Das klingende Nachspiel
Von denen die damals ge=
flohen waren, ist keiner
mehr in das Heimatdorf
zurückgekehrt. Als ihre
Nachkommen später nach
dem Ende des großen Krie=
„Wo Frauen und Mädchen, wo Vieh?", wollen die Strauchdiebe wissen. Und als die
entmenschte Horde erkennt, daß sie von den Männern nichts erfahren kann, da wird
der erste der Tapferen erschlagen . . .