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„Deine aber ist dumpf und klein, stickig und öde",
sagte der Fremde. „Und siehst du den prächtigen
Ofen dort in der Ecke?"
„Ich sehe ihn, und ich fühle die Wärme, die der
Ofen ausstrahlt. Mir ist so warm." Der Knappe
keuchte und kämpfte um Atem, und es war ihm
abermals, als müsse er verbrennen. Dumpf nur
klangen ihm die Worte des fremden Versuchers
ins Ohr.
Der Fremde schloß einen prächtigen Schrank auf,
zog eine Schublade heraus, der er ein Kästchen
entnahm. „Schau dieses Kästchen an, Knappe."
Der Bergmann stieß einen Laut der Verwunderung
aus. — „Es ist sehr schön", sagte er leise. — „Was
mag darin sein?"
Da öffnete der Fremde den Deckel. „Schau her!"
Der Knappe riß beide Augen weit auf. In dem
Kästchen lagen blinkende Geldstücke, Einer, Zweier,
Fünfer und Zehner, und lichte hauchdünne Scheine,
Fünfziger, Hunderter und Tausender, sorgsam ge=
bündelt.
„Das viele Geld!" Dem Bergmann traten die Au=
gen fast aus den Höhlen. „Wem gehört das viele
Geld?", fragte er, und seine Stimme klang heiser
vor Gier und Erregung.
„Es gehört dem, den du jetzt sehen wirst." Wieder
tat sich eine Türe auf, und heraus trat ein Mann,
das war ein Knappe, und der glich dem Bergmann
aufs Haar; war hohlwangig und schmal, aber er
trug nicht die schmutzigen Kleider des Hauses,
sondern die schmucke Uniform eines Steigers.
„Dem gehört das Geld, das Haus und der Garten",
sagte der Fremde mit lauter Stimme. „Kennst du
den Mann?"
„Ich kenne ihn", lallte der Bergmann. „Er ist arm
und hungert."
„Er ist reich, sobald er mir seine Seele verkauft",
schrie der Fremde. „Ein Königreich für eines Berg=
manns Herz."
„Eine Weile war es still im Gewölbe. Der Fremde
stand vor dem Knappen und hielt ihm einen gro=
ßen ledernen Beutel, gespickt mit Münzen und
Scheinen, vor Augen.
Da kam Leben in des Knappen Gestalt. Er straffte
sich, tat einen Sprung gegen den Fremden. „Scher
dich, Versucher!", schrie er, „und komme mir nicht
wieder vor meine Augen!" Im selben Augenblick
züngelte eine Flamme auf, erfaßte den Beutel und
verschlang ihn.
Da tat der Fremde einen wütenden Schrei und
stürzte zu Boden. Ein Beben ging durch den Stol=
len, eine Tür tat sich auf, ein frischer Wind strich
durch den Bremsberg. Der Knappe holte tief Atem
— und als er seine Blicke ins Dunkel bohrte, sah
er den matten Schein eines schwankenden Licht=
leins, das näher und näher kam.
Der Knappe vernahm leise Tritte, und jetzt stand
ein uraltes kohlenschwarzes Männlein vor ihm.
„Fürchte dich nicht", sagte das Männlein. „Ich bin
der Grubengeist."
„Ich kenne dich", sagte der Knappe. Das Männ=
lein nickte. „Ich habe den Versucher gehört. Er hat
viele schöne Worte geredet, aber du hast ihm die
rechte Antwort gegeben. Du bist ein braver Mann,
und wenn du einmal in große Not kommen solI=
test, dann denke daran, daß zwei von unschuldig
gern Blut dir Hilfe bringen können, so sie den
Weg zu mir finden. Bleibe der Heimat, dir selbst
und deinem Beruf treu", sagte das Männlein mit
erhobener Stimme und war im Dunkel verschwun=
den.
Uber des Knappen Gesicht ging ein Leuchten. Er
wischte den Schweiß von der Stirn, faßte den
Schlägel fester und schlug mit neuer Kraft gegen
die Kohle, daß sie barst und stürzte ...
DRESDNER BANK
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