Full text: 1960 (0088)

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„Deine aber ist dumpf und klein, stickig und öde", 
sagte der Fremde. „Und siehst du den prächtigen 
Ofen dort in der Ecke?" 
„Ich sehe ihn, und ich fühle die Wärme, die der 
Ofen ausstrahlt. Mir ist so warm." Der Knappe 
keuchte und kämpfte um Atem, und es war ihm 
abermals, als müsse er verbrennen. Dumpf nur 
klangen ihm die Worte des fremden Versuchers 
ins Ohr. 
Der Fremde schloß einen prächtigen Schrank auf, 
zog eine Schublade heraus, der er ein Kästchen 
entnahm. „Schau dieses Kästchen an, Knappe." 
Der Bergmann stieß einen Laut der Verwunderung 
aus. — „Es ist sehr schön", sagte er leise. — „Was 
mag darin sein?" 
Da öffnete der Fremde den Deckel. „Schau her!" 
Der Knappe riß beide Augen weit auf. In dem 
Kästchen lagen blinkende Geldstücke, Einer, Zweier, 
Fünfer und Zehner, und lichte hauchdünne Scheine, 
Fünfziger, Hunderter und Tausender, sorgsam ge= 
bündelt. 
„Das viele Geld!" Dem Bergmann traten die Au= 
gen fast aus den Höhlen. „Wem gehört das viele 
Geld?", fragte er, und seine Stimme klang heiser 
vor Gier und Erregung. 
„Es gehört dem, den du jetzt sehen wirst." Wieder 
tat sich eine Türe auf, und heraus trat ein Mann, 
das war ein Knappe, und der glich dem Bergmann 
aufs Haar; war hohlwangig und schmal, aber er 
trug nicht die schmutzigen Kleider des Hauses, 
sondern die schmucke Uniform eines Steigers. 
„Dem gehört das Geld, das Haus und der Garten", 
sagte der Fremde mit lauter Stimme. „Kennst du 
den Mann?" 
„Ich kenne ihn", lallte der Bergmann. „Er ist arm 
und hungert." 
„Er ist reich, sobald er mir seine Seele verkauft", 
schrie der Fremde. „Ein Königreich für eines Berg= 
manns Herz." 
„Eine Weile war es still im Gewölbe. Der Fremde 
stand vor dem Knappen und hielt ihm einen gro= 
ßen ledernen Beutel, gespickt mit Münzen und 
Scheinen, vor Augen. 
Da kam Leben in des Knappen Gestalt. Er straffte 
sich, tat einen Sprung gegen den Fremden. „Scher 
dich, Versucher!", schrie er, „und komme mir nicht 
wieder vor meine Augen!" Im selben Augenblick 
züngelte eine Flamme auf, erfaßte den Beutel und 
verschlang ihn. 
Da tat der Fremde einen wütenden Schrei und 
stürzte zu Boden. Ein Beben ging durch den Stol= 
len, eine Tür tat sich auf, ein frischer Wind strich 
durch den Bremsberg. Der Knappe holte tief Atem 
— und als er seine Blicke ins Dunkel bohrte, sah 
er den matten Schein eines schwankenden Licht= 
leins, das näher und näher kam. 
Der Knappe vernahm leise Tritte, und jetzt stand 
ein uraltes kohlenschwarzes Männlein vor ihm. 
„Fürchte dich nicht", sagte das Männlein. „Ich bin 
der Grubengeist." 
„Ich kenne dich", sagte der Knappe. Das Männ= 
lein nickte. „Ich habe den Versucher gehört. Er hat 
viele schöne Worte geredet, aber du hast ihm die 
rechte Antwort gegeben. Du bist ein braver Mann, 
und wenn du einmal in große Not kommen solI= 
test, dann denke daran, daß zwei von unschuldig 
gern Blut dir Hilfe bringen können, so sie den 
Weg zu mir finden. Bleibe der Heimat, dir selbst 
und deinem Beruf treu", sagte das Männlein mit 
erhobener Stimme und war im Dunkel verschwun= 
den. 
Uber des Knappen Gesicht ging ein Leuchten. Er 
wischte den Schweiß von der Stirn, faßte den 
Schlägel fester und schlug mit neuer Kraft gegen 
die Kohle, daß sie barst und stürzte ... 
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