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seinen Augen. Er sank auf
einen Stuhl. „Ich kann nicht",
stöhnte er. „Ich kann nicht
mein Herz verkaufen."
Als der Knappe am anderen
Tage vor Ort gehen wollte,
trat der Steiger zu ihm und
sagte: „Heute müßt Ihr feiern.
Ihr habt bloß noch jeden
zweiten Tag Schicht, und sonn=
tags seid Ihr auch frei. Da
könnt Ihr zur Kirche gehen
und um gut Wetter anhal=
ten."
Der Bergmann tappte mit
schweren Schritten nach Hause.
Sein Kopf hing ihm vornüber,
sein Gesicht war fahl, und er
schien um Jahre gealtert.
Als er heimkam, erschrak
seine Frau. „Du bringst nichts
Gutes!", rief sie, „was ist ge=
schehen?" Da erzählte der
Knappe was sich begeben
hatte und die Frau senkte trau=
rig den Kopf.
So ging der Knappe von jetzt ab nur dreimal in
der Woche zur Schicht. Da wurde der Lohn knapp,
und die Brotscheiben wurden dünner. Der Hunger
war manchmal zu Gast, und die Sorge wich nicht
mehr vom Lager des Knappen. Er mußte sehen,
wie die Frau schmal wurde, die Kinder Farbe und
Frohsinn verloren. Da schwur er, das Doppelte zu
leisten an Arbeit, hämmerte und klopfte und
schuftete, daß ihm die Hände brannten und das
Herz wild gegen die Rippen schlug. Spitzer und
gelber wurde sein Gesicht und sein Gang schwan=
kend.
Wieder einmal war er vor Ort. Mit schweren, mü=
den Schlägen lößte er die Kohle, klopfte und häm=
merte unaufhörlich. Seine Glieder schmerzten,
seine Stirn brannte, sein Atem keuchte, und das
Blut kochte in seinen Adern. Er glaubte, er müsse
verbrennen.
Aber er mußte schaffen, mußte — damit seine
Kinder zu essen hatten. Sein Lohn bemaß sich
nach der Menge der Kohlen, die er grub. Und der
Knappe wischte den Schweiß von der Stirn und
hieb aufs neue ein auf das harte Gestein. Dumpf
klangen die Schläge in der Enge des Ganges.
— Tack — tack! Die Kohlenstücke brachen und
stürzten. Schwarzer Staub wirbelte auf, wogte wie
ein Schleier vor des Bergmanns Augen. In seinem
Ohr war ein Rauschen wie von verborgenen Brun=
nen. Er brach zusammen.
Da traf ein bekannter Klang des Bergmanns Ohr,
rief ihn zurück vom Weg ins Vergessen. „Da
schaffst du und schuftest dich zu Tode, einfältiger
Narr, und könntest es doch viel besser haben." Es
kam wie aus weiter Ferne. Der Knappe hob den
Kopf, und wie durch einen Nebel sah er einen
Mann mit gelbem Gesicht und stechenden Augen.
Der Mann blickte zu dem Bergmann herüber und
sagte: „Schenk' mir dein Herz, so gebe ich dir
alles, was du brauchst, um glücklich zu sein. Schau
hinüber zur Wand. Was siehst du, Knappe?"
„Was ich sehe? Ein stattliches Haus mit hellen
Fenstern daran."
„Ja, aber deines ist alt und zerbrechlich, mit Stan=
gen gebunden und mit Schrauben gehalten."
„Und was siehst du weiter, Knappe, sag an." „Ich
sehe um das Haus einen Garten. Bäume stehen
darin, mit saftigen Früchten behängen, und inmit=
ten ist eine Laube, von Wein umrankt. Mein
Weib tritt heraus. Wahrhaftig, sie ist es. Siegleicht
einer üppig blühenden Rose. Die Kinder sind bei
ihr. Wie ihre Augen strahlen, ihre Wangen leuch=
ten!"
Ein heller Schein glitt über des Knappen Gesicht.
„Ich zeige dir das Haus von innen", sagte der
Fremde. „Komm mit." Schlüssel klirrten, ein Schloß
knarrte, eine Tür flog auf. Ein sonniger Flur führte
zu einem offenen Raum.
„Was siehst du hier drinnen?", fragte der Fremde.
„Eine Stube sehe ich, hoch und geräumig, voll Licht
und himmlischer Helle."