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Von Elisabeth Kirch
Es war in der Zeit, als die reichen Gruben an den
Grenzen des Reiches den Fremden gehörten. Da
lebte an der Saar ein Bergmann mit seiner Frau
und seinen zwei Kindern. Nachts ging er zur Schicht,
den Rucksack geschultert und in der Hand die
Grubenlampe, kehrte am späten Mittag todmüde
nach Hause, schlief ein paar Stunden, und dann
machte er sich im Garten zu tun oder schaffte im
Hause, wo es immer etwas zu tun und zu basteln
gab. So gingen seine Tage dahin, so liefen die
Wochen immer in gleichem Schritt. Und der Berg=
mann war zufrieden und dachte: „Habe ich zwei
Kinder, habe ich ein treues Weib, habe ich ein
Häuschen und dazu eine Ziege im Stall, was
brauche ich mehr."
Eines Tages nun kam zu dem Knappen ein Frem=
der, ein Mann mit einem gelben Gesicht, stechen=
den Augen und einem Hinkfuß. Der Mann tat
freundlich und sprach zu dem Bergmann: „Ver=
kauft mir Eure Seele."
„Was fällt Euch ein", rief der Knappe. „Wie sollte
ich meine Seele verkaufen! Schert Euch!"
Da sagte der Fremde: „Nur nicht so hitzig. Ich
meine, es ist nicht klug, unfreundlich zu sein ge=
gen solche, die es gut meinen. Eure Töne klingen
nicht freundlich."
„Ich verdiene mein Brot ehrlich", sagte der Berg=
mann mit zorniger Stimme.
„Seid klug und nehmt Euch in acht", mahnte der
Fremde. „Also überlegt Euch mein Angebot." Dann
war der Mann zur Türe draußen.
Wie nun der Bergmann in Gedanken dasaß, kam
seine Frau zur Türe herein. „Was ist?, rief sie,
„warum läßt du den Kopf hängen?", und da er=
zählte der Mann, was sich begeben hatte. „Deine
Seele will er! Hat man so etwas schon gehört!"
Am andern Morgen ging der Bergmann in schwe=
ren Gedanken zur Grube, fuhr schweigend in die
Tiefe hinab, tastete sich durch feuchtschwüle
Gänge und kam endlich zum Bremsberg. Ringsum
tiefschwarze Nacht. Nur wenige Lampen gaben
spärliches Licht, das wie verlöschende Sterne in
die Dunkelheit schien. Und heiß war es tief drin=
nen in der schwarzen Erde.
Der Bergmann riß die Jacke vom Leibe, nahm den
Schlägel, warf sich unter den hangenden Felsen
und schlug mit wuchtigen Schlägen gegen die
Decke. Schlug und schlug, bis das Gestein barst
und die schwarzen Diamanten in schweren Stücken
herab stürzten. Der Knappe klopfte und hämmerte,
und mancher Seufzer entfuhr ihm.
Plötzlich pochte es mit drei Schlägen gegen die
kohlenschwarze Wand. „Wer da?", rief der Berg*
mann. „Ich bin es", sagte eine dünne, alte, zittrige
Stimme.
„Wer ist es", fragte der Bergmann zum zweiten
Male. — „Ich bin's, der Freund aller Knappen." —
„Wie ist dein Name?" — „Du kennst mich, ich bin
das Kohlenmännchen. Ich habe deine Seufzer ge=
hört. Ist dir die ehrliche Arbeit im Stollen so
leid?"
„Bisher habe ich meine Arbeit mit Freuden getan,
so wahr ich ein Knappe bin. Nun aber ist sie mir
leid, und ich habe dazu meinen guten Grund", gab
der Knappe zurück.
„Ich ahne deinen Kummer", rief das Männlein.
„Du bist ein braver Gesell. Drum halte aus, was
auch geschehen mag. Bleibe der Heimat treu." Und
dann war es still in dem finsteren Gewölbe.
Der Bergmann faßte den Schlägel fester, und
wuchtig klangen seine Schläge in den nachtschwar*
zen Raum.
Am andern Tage kam der Fremde wieder zu dem
Bergmann, tat freundlich und sagte: „Verkauft mir
Eure Seele. Ihr sollt bessere Arbeit bekommen und
höheren Lohn, so Ihr mir Eure Seele verschreibt."
Dem Bergmann wurde ganz schwindelig bei den
Worten des Fremden. Gelbe Ringe tanzten vor