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Bombos Kunststücke
Von Hermann Alfred Richter
Der alleinstehende, am Ortsende sein kleines
Anwesen betreuende Pensionär Böhme war ehe*
dem als Hundezüchter, darüber hinaus ganz allge*
mein als wahrer Tiernarr weit und breit bekannt
gewesen. Nach dem Ableben seines letzten, unge*
wohnlich alt gewordenen Hundes, hatte er wie um
einen menschlichen Angehörigen getrauert. Es war
sein vielfach prämiierter Zuchtrüde gewesen, und
nun wollte er, wie er den Nachbarn erklärte, aber
auch keinen Hund wieder haben, der würde ihn
gewiß überleben, und was sollte dann aus dem
Tier werden? So vorsorglich war der Alte um die
Kreatur bedacht.
Da lief ihm nun eines Tages ein hinkender Pudel
zu. Seinen Vorsatz, hundelos bleiben zu wollen,
aus dem Gedächtnis streichend, nahm Böhme das
leidende Tier auf und schiente ihm den linken
Vorderlauf, der gebrochen war, kunstgerecht. Da=
für bekam er innig die Hand geleckt. Der Hund
wich fortab nicht von seiner Seite. Sie wurden
innerhalb dreier Tage so enge Freunde, daß Böhme
vor dem Auftauchen des Besitzers bangte.
Diese Stunde kam. Plötzlich stand ein Italiano in
der Tür, wie sich herausstellte,
ein Zwergzirkusbesitzer. Seit
Tagen spürte er dem verlöre*
nen Pudel nach. „Bombo!" rief
er, den am Tische sitzenden
Böhme statt einer Begrüßung
nur mit feindlich kurzem Blick
streifend. Der Hund, zu seines
Retters Füßen liegend, blin*
zelte herüber und rührte sich
nicht. „Bombo!" Jetzt kroch
der Pudel eine Leibeslänge auf
den Tyrannen zu, blieb in der
Mitte zwischen den beiden
Männern liegen und wendete
den Kopf abwechselnd zu dem
einen, dann zu dem anderen.
Böhme war wie erstarrt. Jetzt
erhob er sich. „Der Hund hat
ein gebrochenes Bein", brachte
er hervor. Den geschienten
Lauf hatte der Südländer so=
fort gesehen. Er bückte sich
dem Pudel zu. Der wich zu*
rück. Heftig fuhr ihn der Unfreundliche auf Ita=
lienisch an, es mußte der Befehl zu einem Kunst*
stück sein, denn Bombo richtete sich zitternd auf
und vollführte einen Salto. Der mißlang kläglich.
Vor Schmerz aufheulend, drängte sich der Pudel
hinter Böhmes schützende Beine. Der Italiener
knirschte einen Fluch. Dieses Hundevieh war für
ihn als Geldverdiener verloren. Und da wollte er
ihn auch nicht mehr sehen. Abschätzend überflog
er die bescheidene Zimmereinrichtung und deren
in abgetragenem Hausgewand steckenden Besitzer.
„Dreißig Mark", schnarrte er, „dann gehört er
Ihnen."
Böhme ging ohne ein Wort in die Nebenkammer
und holte aus seiner schmalen Barreserve den ge*
forderten Betrag, zählte ihn dem Dunkelhäutigen
hin, ließ sich quittieren, und dann schieden sie
voneinander, beiderseitig ohne Gruß. Böhme haßte
den durch Bombos unmißverständliches Gebaren
entlarvten Tierschinder, und dieser, von bösartiger
Natur, haßte Hund und neuen Herrn. Sowie seine
Schritte verklungen waren, führte sich drinnen
Bombo vor Freude toll auf. Er zeigte, ein wahrer
Der Hund, zu seines Retters Füßen liegend, rührte sich nicht, als der Tyrann ihn
beim Namen rief . . .