Full text: 1960 (0088)

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Bombos Kunststücke 
Von Hermann Alfred Richter 
Der alleinstehende, am Ortsende sein kleines 
Anwesen betreuende Pensionär Böhme war ehe* 
dem als Hundezüchter, darüber hinaus ganz allge* 
mein als wahrer Tiernarr weit und breit bekannt 
gewesen. Nach dem Ableben seines letzten, unge* 
wohnlich alt gewordenen Hundes, hatte er wie um 
einen menschlichen Angehörigen getrauert. Es war 
sein vielfach prämiierter Zuchtrüde gewesen, und 
nun wollte er, wie er den Nachbarn erklärte, aber 
auch keinen Hund wieder haben, der würde ihn 
gewiß überleben, und was sollte dann aus dem 
Tier werden? So vorsorglich war der Alte um die 
Kreatur bedacht. 
Da lief ihm nun eines Tages ein hinkender Pudel 
zu. Seinen Vorsatz, hundelos bleiben zu wollen, 
aus dem Gedächtnis streichend, nahm Böhme das 
leidende Tier auf und schiente ihm den linken 
Vorderlauf, der gebrochen war, kunstgerecht. Da= 
für bekam er innig die Hand geleckt. Der Hund 
wich fortab nicht von seiner Seite. Sie wurden 
innerhalb dreier Tage so enge Freunde, daß Böhme 
vor dem Auftauchen des Besitzers bangte. 
Diese Stunde kam. Plötzlich stand ein Italiano in 
der Tür, wie sich herausstellte, 
ein Zwergzirkusbesitzer. Seit 
Tagen spürte er dem verlöre* 
nen Pudel nach. „Bombo!" rief 
er, den am Tische sitzenden 
Böhme statt einer Begrüßung 
nur mit feindlich kurzem Blick 
streifend. Der Hund, zu seines 
Retters Füßen liegend, blin* 
zelte herüber und rührte sich 
nicht. „Bombo!" Jetzt kroch 
der Pudel eine Leibeslänge auf 
den Tyrannen zu, blieb in der 
Mitte zwischen den beiden 
Männern liegen und wendete 
den Kopf abwechselnd zu dem 
einen, dann zu dem anderen. 
Böhme war wie erstarrt. Jetzt 
erhob er sich. „Der Hund hat 
ein gebrochenes Bein", brachte 
er hervor. Den geschienten 
Lauf hatte der Südländer so= 
fort gesehen. Er bückte sich 
dem Pudel zu. Der wich zu* 
rück. Heftig fuhr ihn der Unfreundliche auf Ita= 
lienisch an, es mußte der Befehl zu einem Kunst* 
stück sein, denn Bombo richtete sich zitternd auf 
und vollführte einen Salto. Der mißlang kläglich. 
Vor Schmerz aufheulend, drängte sich der Pudel 
hinter Böhmes schützende Beine. Der Italiener 
knirschte einen Fluch. Dieses Hundevieh war für 
ihn als Geldverdiener verloren. Und da wollte er 
ihn auch nicht mehr sehen. Abschätzend überflog 
er die bescheidene Zimmereinrichtung und deren 
in abgetragenem Hausgewand steckenden Besitzer. 
„Dreißig Mark", schnarrte er, „dann gehört er 
Ihnen." 
Böhme ging ohne ein Wort in die Nebenkammer 
und holte aus seiner schmalen Barreserve den ge* 
forderten Betrag, zählte ihn dem Dunkelhäutigen 
hin, ließ sich quittieren, und dann schieden sie 
voneinander, beiderseitig ohne Gruß. Böhme haßte 
den durch Bombos unmißverständliches Gebaren 
entlarvten Tierschinder, und dieser, von bösartiger 
Natur, haßte Hund und neuen Herrn. Sowie seine 
Schritte verklungen waren, führte sich drinnen 
Bombo vor Freude toll auf. Er zeigte, ein wahrer 
Der Hund, zu seines Retters Füßen liegend, rührte sich nicht, als der Tyrann ihn 
beim Namen rief . . .
	        
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