149
n
Mlmpm 1U4
Erlebnis bei einem Fahrkurs / von Elisabeth Matthes
mein Gemahl auf langen Autostrecken zu
stöhnen begann, war es ausgemacht, daß ich in die
Fahrschule gehen müsse. Als „aufgeschlossene
Dreißigerin" probierte ich vorher flleißig, um mich
nicht zu blamieren. Die H= oder X=Schaltung
konnte ich schon ganz fein. Erster Gang nach oben,
zweiter zu mir, dritter um die Ecke nach vorn und
vierter wieder runter. Den Rückwärtsgang, das
wußte ich auch, mußte ich mir ganz kurz in den
rechten Schenkel schlagen, und dann würde hinten
an meinem Auto das Licht aufleuchten. Die Ver=
und Gebotsschilder kennt man als Deutscher ja,
nun wird man mir in der Schule das Geheimnis
des Hubraums lüften, dachte ich, und dann kann
ich im Laufe der Zeit eine gewechselte Zündkerze
mit ins Gespräch werfen, wie das in guter Gesell*
schaft heute so üblich ist.
Aber es kam dann alles ganz anders.
Mein Lehrer sah aus wie ein Filmregisseur, jeden*
falls trug er auch einen Blendschirm über den
Augen. Unsere Klasse hatte eine wunderbare Tafel,
an der man mit kleinen Autos
spielen durfte, und eine rich=
tige Verkehrsampel. Meine
Mitschüler waren durchschnitt*
lieh zehn bis fünfzehn Jahre
jünger als ich. Zwei ältere
Herren hatten wir auch, die
immer leicht nervös wurden.
Mein Nachbar meinte, die Al=
ten sollten die Finger davon*
lassen, bei denen riesele ja
schon der Kalk. Bei meinem
Nachbarn rieselt er nicht, er
scheint Benzin im Blut zu ha*
ben.
Also lautete die erste Frage:
„Wie lang dürfen Sie Ihr Holz
hinten raushängen lassen?"
Einer meiner Mitschüler ant*
wortete: „Zwanzig Meter!"
Donnerwetter, dachte ich, Holz
hinten raus — und nun soviel?
„Wo aber dürfen Sie das nur tun?" fragte der
Lehrer. Mein Nachbar antwortete: „Nur innerhalb
meines Heimatbezirkes, und das wiederum nur im
Umkreis von 50 Kilometer Luftlinie." Mein Lehrer
sagte, wir sollten die Luftlinie nicht vergessen, die
sei wichtig für Herrn Meier=Müller.
Ich machte mir so meine Gedanken über das Holz.
Wer war nur Herr Meier=Müller? Vielleicht ein
neuer Abgeordneter, und der wollte nicht, daß wir
den Unfug mit dem Holz weit außerhalb unseres
Städtchens trieben? Ich hegte zum erstenmal für
die kleine Stadt, in der ich leben muß, Heimatge*
fühl und war sehr dankbar.
Der Filmregisseur, mein Lehrer, mag es gespürt
haben, denn er sah mich milde an. Ich durfte mir
überlegen, was ich zu bedenken habe bei den 20
Meter Holz. Ich als Hausfrau hätte doch sicher
einen Sinn dafür.
Mich als Hausfrau ansprechen, hätte mein Lehrer
nicht tun sollen. In diesem Punkt sind wir Frauen
empfindlich. Ich beschloß, ihn durch die Prägnanz