Full text: 1960 (0088)

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Die Kaffeebohnen und die Ziegen 
Eine kulturhistorische Plauderei um den Kaffee 
Die Urheimat des Kaffeestrauchs und des 
Kaffeetrinkens soll Abessinien gewesen sein. Dort 
wuchs die bis dahin unbekannte Pflanze an den 
Steilhängen der Gebirge Enerea und Kaffa. Spätere 
Forscher berichten, den Kaffeestrauch auch in Mit* 
telafrika und am Senegal angetroffen zu haben. 
Von Südasien und den Sunda=Inseln liegen ähn* 
liehe Nachrichten vor, so daß also das wirkliche 
Ursprungsland nur schwer nachzuweisen ist. 
Nach einer alten abessinischen Sage wurde der 
Kaffeestrauch nicht von Menschen, sondern von 
Ziegen entdeckt. Die Tiere waren ihrem Unglück* 
liehen Hirten durchgebrannt, und als er sie tief in 
der Nacht wiederfand, empfingen sie ihn mit auf* 
geregtem Gemecker und lustigen Sprüngen. Lange 
suchte der braune Sohn Abessiniens nach dem 
Grund dieses ungewöhnlichen Verhaltens, da stieß 
er auf den Kaffeestrauch, von dessen Blättern und 
Bohnen die Ziegen eifrig fraßen. Die abessinischen 
Christen sehen den Prior eines einheimischen 
Minoriten=Klosters als den ersten an, der seinen 
Mönchen Kaffee reichte, um sie bei den nächtlichen 
Gebeten wachzuhalten. Die Mohammedaner da= 
gegen sprechen von einem ihrer Rechtgläubigen, 
dem Mullah Chandelly. Er soll seine Derwische 
mit dem neuentdeckten Getränk bewirtet haben 
Von Abessinien aus scheint das Kaffeetrinken 
zuerst nach Persien gekommen zu sein. Schriftliche 
Überlieferungen des gelehrten Arabers Scheha= 
beddin*Ben besagen, der Mufti von Aden habe im 
Jahre 875 den Genuß des „Schwarzen Tranks" bei 
den Persern beobachtet und Kaffeebohnen mit in 
seine Heimat genommen. Die Einführung des 
Kaffeetrinkens soll in Arabien nach alten Auf* 
Zeichnungen im Jahre 1505 erfolgt sein. Das wird 
durch die Tatsache bestätigt, daß das Kaffeetrinken 
in Mekka schon 1511 allgemein bekannt war. 
Einem neu eingesetzten Statthalter, Chair Beg, 
schien das Getränk verdächtig, da es gegen den 
Koran verstoße. Er setzte deshalb einen Gerichts= 
hof ein, der über das Kaffeetrinken entscheiden 
sollte. Den Vorsitz führten zwei gelehrte arabische 
Ärzte. Ihr Urteil war vernichtend. Sie erklärten 
den Kaffee als „kalt und trocken", was heute so 
viel wie „schlecht und verwerflich" bedeutet. Der 
neue Trank kam in Acht und Bann. Man drohte, 
„die Gesichter der Kaffeetrinker würden einst am 
Tage des Gerichts noch schwärzer erscheinen als 
der Kaffeetopf, aus dem sie das Gift getrunken 
hätten". 
Die Kaffeegesellschaften beredter Derwische und 
Muselmanen wurden aufgelöst und die Vorräte 
öffentlich verbrannt. Wer sich dennoch beim 
Kaffeetrinken ertappen ließ, sollte mit der Basto* 
nade oder dem Ritt durch die Stadt, verkehrt auf 
einem Esel sitzend, bestraft werden. Das harte Ge= 
setz ging zur Sanktionierung an den Sultan Kansu 
Algusi nach Kairo. Der Herrscher sah es, ließ es 
ins Feuer werfen und den Statthalter absetzen, 
denn im Kairoer Herrscherhaus war das Kaffee* 
trinken längst Mode geworden. 
Um das Jahr 1530 war der Kaffee in Konstantino= 
pel überall verbreitet, und 1554 errichteten dort 
zwei Männer aus Aleppo und Damaskus unter 
Sultan Suliman die ersten Kaffeehäuser. Das Volk 
nannte sie „Schulen der Erkenntnis", da beim 
Kaffeetrinken oft die Probleme des Landes debat= 
tiert wurden. Sultan Murad II. schloß diese „Schu= 
len" denn auch prompt. 
Im Jahre 1573 besuchte der Augsburger Arzt Leon= 
hardt Rauwolf in Aleppo diese Kaffeehäuser und 
machte bei dieser Gelegenheit die Bekanntschaft 
mit der einheimischen Kaffeezubereitung. Wenige 
Jahre später beschäftigte sich der Arzt und Bota* 
niker Alpin aus Padua in Kairo eingehend mit dem 
Kaffeestrauch. Er nannte die fremde Pflanze „Cao* 
va" und die Frucht „Bon". Im Jahre 1592 erschien 
seine erste botanische Beschreibung des Kaffee* 
Strauches für die gelehrte Welt Europas und er= 
regte beträchtliches Aufsehen. 
Der Gelehrte Pietro della Valle aus Konstantinopel 
beschrieb 1615 das Getränk „Kahue" oder „Kahwe" 
als von schwarzer Farbe, das im Sommer kühle 
und im Winter erwärme, 
Im Jahre 1630 gab es in Kairo schon mehr als 1000 
öffentliche Kaffeehäuser. 1645 kam der Kaffee nach 
Italien. Unter dem Namen „Virginia coffeehouse" 
errichtete 1652 der Grieche Pasqua in London das 
erste Kaffeehaus. Thevenot ließ 1568 in Frank* 
reich erstmals nach dem Dinner Kaffee herumrei* 
chen; 1671 eröffnete er in Marseille eine Kaffee* 
stube, und 1672 bat in Paris ein Armenier seine 
Gäste an den Kaffeetisch. Damals kostete ein 
Pfund Kaffee 140 Francs, die Tasse 2 Sous. 
Dieser schnellen Verbreitung stemmte sich haupt* 
sächlich die Kirche entgegen. Londoner Frauen
	        
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