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Die Kaffeebohnen und die Ziegen
Eine kulturhistorische Plauderei um den Kaffee
Die Urheimat des Kaffeestrauchs und des
Kaffeetrinkens soll Abessinien gewesen sein. Dort
wuchs die bis dahin unbekannte Pflanze an den
Steilhängen der Gebirge Enerea und Kaffa. Spätere
Forscher berichten, den Kaffeestrauch auch in Mit*
telafrika und am Senegal angetroffen zu haben.
Von Südasien und den Sunda=Inseln liegen ähn*
liehe Nachrichten vor, so daß also das wirkliche
Ursprungsland nur schwer nachzuweisen ist.
Nach einer alten abessinischen Sage wurde der
Kaffeestrauch nicht von Menschen, sondern von
Ziegen entdeckt. Die Tiere waren ihrem Unglück*
liehen Hirten durchgebrannt, und als er sie tief in
der Nacht wiederfand, empfingen sie ihn mit auf*
geregtem Gemecker und lustigen Sprüngen. Lange
suchte der braune Sohn Abessiniens nach dem
Grund dieses ungewöhnlichen Verhaltens, da stieß
er auf den Kaffeestrauch, von dessen Blättern und
Bohnen die Ziegen eifrig fraßen. Die abessinischen
Christen sehen den Prior eines einheimischen
Minoriten=Klosters als den ersten an, der seinen
Mönchen Kaffee reichte, um sie bei den nächtlichen
Gebeten wachzuhalten. Die Mohammedaner da=
gegen sprechen von einem ihrer Rechtgläubigen,
dem Mullah Chandelly. Er soll seine Derwische
mit dem neuentdeckten Getränk bewirtet haben
Von Abessinien aus scheint das Kaffeetrinken
zuerst nach Persien gekommen zu sein. Schriftliche
Überlieferungen des gelehrten Arabers Scheha=
beddin*Ben besagen, der Mufti von Aden habe im
Jahre 875 den Genuß des „Schwarzen Tranks" bei
den Persern beobachtet und Kaffeebohnen mit in
seine Heimat genommen. Die Einführung des
Kaffeetrinkens soll in Arabien nach alten Auf*
Zeichnungen im Jahre 1505 erfolgt sein. Das wird
durch die Tatsache bestätigt, daß das Kaffeetrinken
in Mekka schon 1511 allgemein bekannt war.
Einem neu eingesetzten Statthalter, Chair Beg,
schien das Getränk verdächtig, da es gegen den
Koran verstoße. Er setzte deshalb einen Gerichts=
hof ein, der über das Kaffeetrinken entscheiden
sollte. Den Vorsitz führten zwei gelehrte arabische
Ärzte. Ihr Urteil war vernichtend. Sie erklärten
den Kaffee als „kalt und trocken", was heute so
viel wie „schlecht und verwerflich" bedeutet. Der
neue Trank kam in Acht und Bann. Man drohte,
„die Gesichter der Kaffeetrinker würden einst am
Tage des Gerichts noch schwärzer erscheinen als
der Kaffeetopf, aus dem sie das Gift getrunken
hätten".
Die Kaffeegesellschaften beredter Derwische und
Muselmanen wurden aufgelöst und die Vorräte
öffentlich verbrannt. Wer sich dennoch beim
Kaffeetrinken ertappen ließ, sollte mit der Basto*
nade oder dem Ritt durch die Stadt, verkehrt auf
einem Esel sitzend, bestraft werden. Das harte Ge=
setz ging zur Sanktionierung an den Sultan Kansu
Algusi nach Kairo. Der Herrscher sah es, ließ es
ins Feuer werfen und den Statthalter absetzen,
denn im Kairoer Herrscherhaus war das Kaffee*
trinken längst Mode geworden.
Um das Jahr 1530 war der Kaffee in Konstantino=
pel überall verbreitet, und 1554 errichteten dort
zwei Männer aus Aleppo und Damaskus unter
Sultan Suliman die ersten Kaffeehäuser. Das Volk
nannte sie „Schulen der Erkenntnis", da beim
Kaffeetrinken oft die Probleme des Landes debat=
tiert wurden. Sultan Murad II. schloß diese „Schu=
len" denn auch prompt.
Im Jahre 1573 besuchte der Augsburger Arzt Leon=
hardt Rauwolf in Aleppo diese Kaffeehäuser und
machte bei dieser Gelegenheit die Bekanntschaft
mit der einheimischen Kaffeezubereitung. Wenige
Jahre später beschäftigte sich der Arzt und Bota*
niker Alpin aus Padua in Kairo eingehend mit dem
Kaffeestrauch. Er nannte die fremde Pflanze „Cao*
va" und die Frucht „Bon". Im Jahre 1592 erschien
seine erste botanische Beschreibung des Kaffee*
Strauches für die gelehrte Welt Europas und er=
regte beträchtliches Aufsehen.
Der Gelehrte Pietro della Valle aus Konstantinopel
beschrieb 1615 das Getränk „Kahue" oder „Kahwe"
als von schwarzer Farbe, das im Sommer kühle
und im Winter erwärme,
Im Jahre 1630 gab es in Kairo schon mehr als 1000
öffentliche Kaffeehäuser. 1645 kam der Kaffee nach
Italien. Unter dem Namen „Virginia coffeehouse"
errichtete 1652 der Grieche Pasqua in London das
erste Kaffeehaus. Thevenot ließ 1568 in Frank*
reich erstmals nach dem Dinner Kaffee herumrei*
chen; 1671 eröffnete er in Marseille eine Kaffee*
stube, und 1672 bat in Paris ein Armenier seine
Gäste an den Kaffeetisch. Damals kostete ein
Pfund Kaffee 140 Francs, die Tasse 2 Sous.
Dieser schnellen Verbreitung stemmte sich haupt*
sächlich die Kirche entgegen. Londoner Frauen