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Automatisierung im Bergbau
Die wirtschaftlichen, sozialpolitischen und ethischen Gründe
und die technischen Möglichkeiten.
Von Dipl.-Ing. G. Hart mann, Bergwerksdirektion Sulzbach
lAfährend in der übrigen Industrie Hochkon-
junktur herrscht, die Industrieprodukte nur
nach langen Lieferzeiten erhältlich sind, und auf
dem Arbeitsmarkt Vollbeschäftigung vorliegt, ist
im europäischen Kohlenbergbau Tiefkonjunktur,
die Produktion eines halben Monats liegt auf
der Halde, und Feierschichten lassen sich nicht
mehr vermeiden. Wem verdanken wir diesen
merkwürdigen Zustand? Einmal dem Konkur
renzeinbruch der amerikanischen Kohle, die aus
5000 km Entfernung nach Europa gebracht wird,
ferner dem Konkurrenzeinbruch des Mineralöls.
In nicht allzuferner Zukunft wird sich zu diesen
Konkurrenten in der Energiewirtschaft noch die
Atomenergie hinzugesellen. Der amerikanischen
Kohle und dem Mineralöl ist es demnach ge
lungen, der einheimischen europäischen Kohle
im Preiskampf eine entscheidende Niederlage
zu bereiten. Wir wollen untersuchen, wie es zu
dieser verlorenen Schlacht kam und wie wir die
nächsten Runden gewinnen können. Denn von
dem Ausgang des Kampfes mit den genannten
drei Konkurrenten hängt der Lebensstandard
der bergbautreibenden Länder ab. hängen nicht
zuletzt unsere Arbeitsplätze und unsere Alters
versorgung, ab.
Es hat noch Sinn, den Kampf mit den übrigen
Konkurrenten aufzunehmen, denn erstens ist der
Energiehunger unserer Wirtschaft noch lange
nicht gesättigt, sondern in stetigem Wachsen
begriffen und verdoppelt sich etwa alle zehn
Jahre; unsere Kohle kann sich also die alten
Absatzmärkte wieder erobern und neue dazu
gewinnen; zweitens verschafft uns ein Blick auf
die übrige Industrie die Gewißheit, daß wir im
Bergbau noch sehr viele technische Möglichkei
ten ausschöpfen können, die sich in der übrigen
Industrie bereits bewährt haben bei der Herab
setzung der Kosten und der Erhöhung der Pro
duktion und der Produktivität.
Wirtschaftliche Gründe der Automatisierung
Wie kam es dazu, daß wir den Konkurrenz
kampf verloren? Wenn wir die Selbstkosten
analyse der einzelnen Industrien vergleichsweise
betrachten und dort insbesondere den Lohnan
teil an den Selbstkosten, so ergibt sich folgen
des Bild: Während cfie eisenschaffende Industrie
nur 13%, die Chemische Industrie nur 14%,
hat der Kohlenbergbau 50% Lohnanteile an den
Selbstkosten; d. h. die Hälfte der Selbstkosten
einer Tonne Kohle sind Lohnkosten. Dieser Lohn
kostenanteil im Bergbau ist also 3 bis 4 mal grö
ßer als in der übrigen Industrie, und von diesem
Mißverhältnis rührt die Empfindlichkeit des Berg
baus gegenüber Konjunkturschwankungen her.
Maschinen kann eine Werksleitung stillsetzen
oder verschrotten, ober Menschen kann man
nicht einfach entlassen. Die Saarbergwerke be
schäftigen etwa 60 000 Arbeiter, so daß prak
tisch etwa ein Viertel der saarländischen Ein
wohner vom Bergbau direkt abhängig sind. Ent
lassungen im Saarbergbau wären demnach von
katastrophaler Wirkung auf die ganze saarlän
dische Wirtschaft. Das wäre keine Lösung der
Krise. Auch die Konkurrenzfähigkeit wäre damit
nicht zu finden, weil die Produktion fallen und
damit die Tonne Kohle wiederum teurer würde.
Die Lösung liegt vielmehr darin, das Verhältnis
zwischen Produktion und Lohnanteil so günstig
zu machen, wie es bei der Konkurrenz, der ame
rikanischen Kohle und dem Mineralöl, vorliegt.
Das heißt,' wir müssen anstreben, daß der
Lohnanteil bei unserer Kohle von 50 % auf etwa
15% zurückgeht. Oder anders ausgedrückt: Wir
müssen bestrebt sein, die Produktivität im Berg
bau von jetzt 1700 kg pro Mann auf etwa 4000
kg pro Mann zu steigern. Dazu gibt es prinzi
piell zwei Wege: Entweder bei gleichbleiben
der Belegschaft die Produktion auf das zwei-
bis dreifache zu erhöhen, oder bei gleichblei
bender Produktion die Belegschaft zu verrin
gern. In der Praxis wird sich ein Mittelweg zwi
schen diesen beiden Extremen als gangbar er
weisen. Das Kernproblem heißt jedenfalls Er
höhung der Produktivität, Erhöhung des Ver
hältnisses zwischen Produktion und Belegschaft,
so wie es unseren Konkurrenten gelungen ist.
Als Mittel zu diesem Ziel hat unsere Konkurrenz
eine ganze Reihe von Techniken angewendet,
nämlich: Mechanisierung, Elektrifizierung, Ratio
nalisierung und schließlich Automatisierung.
Was bedeuten diese Techniken?
Mechanisierung heißt, dem einzelnen Ar
beiter durch Maschinen mehr Arbeitskraft zur
Verfügung stellen, seine Arbeitskraft durch Ma
schinen zu vervielfachen. Die Dauerleistung eines
Menschen ist auf 40 Watt, gleich etwa 1/20
Pferdestärke, gemessen worden. Die Mechani
sierung kann seine Leistung auf das hundert
fache bringen, wenn wir wollen.
Elektrifizierung bedeutet, unsere Maschi
nen über und unter Tage mit elektrischen An
trieben auszurüsten. Die elektrischen Antriebe