Full text: 1959 (0087)

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Automatisierung im Bergbau 
Die wirtschaftlichen, sozialpolitischen und ethischen Gründe 
und die technischen Möglichkeiten. 
Von Dipl.-Ing. G. Hart mann, Bergwerksdirektion Sulzbach 
lAfährend in der übrigen Industrie Hochkon- 
junktur herrscht, die Industrieprodukte nur 
nach langen Lieferzeiten erhältlich sind, und auf 
dem Arbeitsmarkt Vollbeschäftigung vorliegt, ist 
im europäischen Kohlenbergbau Tiefkonjunktur, 
die Produktion eines halben Monats liegt auf 
der Halde, und Feierschichten lassen sich nicht 
mehr vermeiden. Wem verdanken wir diesen 
merkwürdigen Zustand? Einmal dem Konkur 
renzeinbruch der amerikanischen Kohle, die aus 
5000 km Entfernung nach Europa gebracht wird, 
ferner dem Konkurrenzeinbruch des Mineralöls. 
In nicht allzuferner Zukunft wird sich zu diesen 
Konkurrenten in der Energiewirtschaft noch die 
Atomenergie hinzugesellen. Der amerikanischen 
Kohle und dem Mineralöl ist es demnach ge 
lungen, der einheimischen europäischen Kohle 
im Preiskampf eine entscheidende Niederlage 
zu bereiten. Wir wollen untersuchen, wie es zu 
dieser verlorenen Schlacht kam und wie wir die 
nächsten Runden gewinnen können. Denn von 
dem Ausgang des Kampfes mit den genannten 
drei Konkurrenten hängt der Lebensstandard 
der bergbautreibenden Länder ab. hängen nicht 
zuletzt unsere Arbeitsplätze und unsere Alters 
versorgung, ab. 
Es hat noch Sinn, den Kampf mit den übrigen 
Konkurrenten aufzunehmen, denn erstens ist der 
Energiehunger unserer Wirtschaft noch lange 
nicht gesättigt, sondern in stetigem Wachsen 
begriffen und verdoppelt sich etwa alle zehn 
Jahre; unsere Kohle kann sich also die alten 
Absatzmärkte wieder erobern und neue dazu 
gewinnen; zweitens verschafft uns ein Blick auf 
die übrige Industrie die Gewißheit, daß wir im 
Bergbau noch sehr viele technische Möglichkei 
ten ausschöpfen können, die sich in der übrigen 
Industrie bereits bewährt haben bei der Herab 
setzung der Kosten und der Erhöhung der Pro 
duktion und der Produktivität. 
Wirtschaftliche Gründe der Automatisierung 
Wie kam es dazu, daß wir den Konkurrenz 
kampf verloren? Wenn wir die Selbstkosten 
analyse der einzelnen Industrien vergleichsweise 
betrachten und dort insbesondere den Lohnan 
teil an den Selbstkosten, so ergibt sich folgen 
des Bild: Während cfie eisenschaffende Industrie 
nur 13%, die Chemische Industrie nur 14%, 
hat der Kohlenbergbau 50% Lohnanteile an den 
Selbstkosten; d. h. die Hälfte der Selbstkosten 
einer Tonne Kohle sind Lohnkosten. Dieser Lohn 
kostenanteil im Bergbau ist also 3 bis 4 mal grö 
ßer als in der übrigen Industrie, und von diesem 
Mißverhältnis rührt die Empfindlichkeit des Berg 
baus gegenüber Konjunkturschwankungen her. 
Maschinen kann eine Werksleitung stillsetzen 
oder verschrotten, ober Menschen kann man 
nicht einfach entlassen. Die Saarbergwerke be 
schäftigen etwa 60 000 Arbeiter, so daß prak 
tisch etwa ein Viertel der saarländischen Ein 
wohner vom Bergbau direkt abhängig sind. Ent 
lassungen im Saarbergbau wären demnach von 
katastrophaler Wirkung auf die ganze saarlän 
dische Wirtschaft. Das wäre keine Lösung der 
Krise. Auch die Konkurrenzfähigkeit wäre damit 
nicht zu finden, weil die Produktion fallen und 
damit die Tonne Kohle wiederum teurer würde. 
Die Lösung liegt vielmehr darin, das Verhältnis 
zwischen Produktion und Lohnanteil so günstig 
zu machen, wie es bei der Konkurrenz, der ame 
rikanischen Kohle und dem Mineralöl, vorliegt. 
Das heißt,' wir müssen anstreben, daß der 
Lohnanteil bei unserer Kohle von 50 % auf etwa 
15% zurückgeht. Oder anders ausgedrückt: Wir 
müssen bestrebt sein, die Produktivität im Berg 
bau von jetzt 1700 kg pro Mann auf etwa 4000 
kg pro Mann zu steigern. Dazu gibt es prinzi 
piell zwei Wege: Entweder bei gleichbleiben 
der Belegschaft die Produktion auf das zwei- 
bis dreifache zu erhöhen, oder bei gleichblei 
bender Produktion die Belegschaft zu verrin 
gern. In der Praxis wird sich ein Mittelweg zwi 
schen diesen beiden Extremen als gangbar er 
weisen. Das Kernproblem heißt jedenfalls Er 
höhung der Produktivität, Erhöhung des Ver 
hältnisses zwischen Produktion und Belegschaft, 
so wie es unseren Konkurrenten gelungen ist. 
Als Mittel zu diesem Ziel hat unsere Konkurrenz 
eine ganze Reihe von Techniken angewendet, 
nämlich: Mechanisierung, Elektrifizierung, Ratio 
nalisierung und schließlich Automatisierung. 
Was bedeuten diese Techniken? 
Mechanisierung heißt, dem einzelnen Ar 
beiter durch Maschinen mehr Arbeitskraft zur 
Verfügung stellen, seine Arbeitskraft durch Ma 
schinen zu vervielfachen. Die Dauerleistung eines 
Menschen ist auf 40 Watt, gleich etwa 1/20 
Pferdestärke, gemessen worden. Die Mechani 
sierung kann seine Leistung auf das hundert 
fache bringen, wenn wir wollen. 
Elektrifizierung bedeutet, unsere Maschi 
nen über und unter Tage mit elektrischen An 
trieben auszurüsten. Die elektrischen Antriebe
	        
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