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getroffen wird, wird das erste Mal mit vier
wöchentlicher, das zweite Mal mit dreimonat
licher und das dritte Mal mit gänzlicher Able
gung bestraft." Ladeknechte waren keine „stän
digen" Bergleute, deshalb verfuhr man mit ihnen
auch nicht so rücksichtsvoll.
Schlägereien kamen früher öfter vor; aber wer
eine solche anfing wurde nach Befinden der Um
stände für längere Zeit oder gänzlich abgelegt.
Dieses Delikt war auch häufig Gerichtssache.
Nach einem Aktenbericht wurden 1894 von 28 831
Bergleuten als Belegschaft der Saargruben vor
Gerichten verurteilt: 242 wegen Mißhandlung
und Körperverletzung, 42 wegen Widerstandes
gegen die Staatsgewalt, 27 wegen Sachbeschädi
gungen, 31 wegen Beleidigungen.
Vorsicht, Vorsicht, möchte man da fast sagen.
Nun muß man aber unseren Bergleuten zugute
halten, daß damals Streikbewegungen im Gange
waren und dem einen oder anderen wohl das
Temperament durchging. Bergleute sind fried
liebende Bürger — man muß sie nur nehmen, wie
sie sind, Wie wäre es sonst zu erklären, daß nach
Glättung der oben erwähnten Wogen im Jahre
1896 nach einer Unterbrechung von acht Jahren
das Bergfest ohne Zwischenfall verlief? Mit Stolz
berichtete der „Bergmannsfreund" vom 20. Au
gust 1896, daß bei einer Belegschaft 32 877 Mann
und 800 Beamten über 100 000 Menschen zu fröh
lichem Bergfeste versammelt waren, Fässer mit
Bier, Berge von Brot und Fleisch nebst einer Un
zahl von Zigarren und Zigaretten ausgegeben
wurden, und kein Mißton die Feier trübte.
Der Bergmann, der diese Zeilen verfolgt hat,
wird sich vielleicht mit Schmunzeln sagen: „Frü
her — ja, die waren raubeinig — aber wir —
nein, heute sind wir nicht mehr so!" — Stimmt's?
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Grubenstadt im Morgengrauen
Verstummt und leer sind deine Straßen, deine Gassen.
Der Arbeit Heer, das sonst dich laut durchtost,
hat dich für kurze, flücht’ge Zeit verlassen.
Der Morgenwind um deine Dächer kost.
Der Tages Lärm versank in friedensstille Tiefe,
die Augen schloß der Schlummer mild.
Kein Laut, der dich aus deinen kargen Träumen riefe,
stört deiner Ruhe selt’nes, tagesfernes Bild.
Im nahen Schacht nur pochet seine alte Weise
dein starkes Herz in nimmermüder Ruh’-
auf rauchgeschwärzten Zweigen singen zart und leise
verirrte Vögelein ein kleines Morgenlied dazu.
Carl Ludwig Sthaffner
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