Full text: 1958 (0086)

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getroffen wird, wird das erste Mal mit vier 
wöchentlicher, das zweite Mal mit dreimonat 
licher und das dritte Mal mit gänzlicher Able 
gung bestraft." Ladeknechte waren keine „stän 
digen" Bergleute, deshalb verfuhr man mit ihnen 
auch nicht so rücksichtsvoll. 
Schlägereien kamen früher öfter vor; aber wer 
eine solche anfing wurde nach Befinden der Um 
stände für längere Zeit oder gänzlich abgelegt. 
Dieses Delikt war auch häufig Gerichtssache. 
Nach einem Aktenbericht wurden 1894 von 28 831 
Bergleuten als Belegschaft der Saargruben vor 
Gerichten verurteilt: 242 wegen Mißhandlung 
und Körperverletzung, 42 wegen Widerstandes 
gegen die Staatsgewalt, 27 wegen Sachbeschädi 
gungen, 31 wegen Beleidigungen. 
Vorsicht, Vorsicht, möchte man da fast sagen. 
Nun muß man aber unseren Bergleuten zugute 
halten, daß damals Streikbewegungen im Gange 
waren und dem einen oder anderen wohl das 
Temperament durchging. Bergleute sind fried 
liebende Bürger — man muß sie nur nehmen, wie 
sie sind, Wie wäre es sonst zu erklären, daß nach 
Glättung der oben erwähnten Wogen im Jahre 
1896 nach einer Unterbrechung von acht Jahren 
das Bergfest ohne Zwischenfall verlief? Mit Stolz 
berichtete der „Bergmannsfreund" vom 20. Au 
gust 1896, daß bei einer Belegschaft 32 877 Mann 
und 800 Beamten über 100 000 Menschen zu fröh 
lichem Bergfeste versammelt waren, Fässer mit 
Bier, Berge von Brot und Fleisch nebst einer Un 
zahl von Zigarren und Zigaretten ausgegeben 
wurden, und kein Mißton die Feier trübte. 
Der Bergmann, der diese Zeilen verfolgt hat, 
wird sich vielleicht mit Schmunzeln sagen: „Frü 
her — ja, die waren raubeinig — aber wir — 
nein, heute sind wir nicht mehr so!" — Stimmt's? 
ft ft 
Grubenstadt im Morgengrauen 
Verstummt und leer sind deine Straßen, deine Gassen. 
Der Arbeit Heer, das sonst dich laut durchtost, 
hat dich für kurze, flücht’ge Zeit verlassen. 
Der Morgenwind um deine Dächer kost. 
Der Tages Lärm versank in friedensstille Tiefe, 
die Augen schloß der Schlummer mild. 
Kein Laut, der dich aus deinen kargen Träumen riefe, 
stört deiner Ruhe selt’nes, tagesfernes Bild. 
Im nahen Schacht nur pochet seine alte Weise 
dein starkes Herz in nimmermüder Ruh’- 
auf rauchgeschwärzten Zweigen singen zart und leise 
verirrte Vögelein ein kleines Morgenlied dazu. 
Carl Ludwig Sthaffner 
ft ft
	        
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