70
wortartig in sein Tagebuch. Trebra seinerseits
gesteht später in seinen Erinnerungen, daß er
„vom ersten Moment der Begegnung" herzliche
Sympathie für Goethe empfand. Am 1. August
war dann Goethe mit dem neuen Freunde als Be
gleiter seines Herzogs und dem Kurmainzischen
Statthalter Karl von Dalberg im Cammersberger
Kohlenwerke eingefahren. Wie sich die Tage
damals gestalteten, erfahren wir aus Goethes
Zeilen an den Dichter Johann Gottfried Herder,
dem er meldete: „Seit drei Wochen wohnen wir
auf dem Thüringer Wald, und ich führe mein Le
ben in Klüften, Wäldern, in Teichen, unter Was
serfällen, bei den Unterirdischen und weide mich
aus in Gottes Welt."
Trebra, neun Jahre älter als Goethe, stand bis
zu seinem dreißigsten Lebensjahre, bis 1779, in
Weimarischen Diensten. Seine Mitteilungen über
die „merkwürdigen Stufen aus dem Revier Ma
rienberg" im Erzgebirge hatten den Dichter in
mineralogische Studien eingeführt. Auch als
Trebra 1780 in hannoversche Dienste übertrat,
von da an in Zellerfeld und seit 1791 als Berg
hauptmann in Claustal tätig war und endlich
1801 als Oberberghauptmann nach Freiberg be
rufen ward, blieb Goethe in steter Verbindung
mit ihm. Die Geologie des Harzes schien der Zeit
besonders aufschlußreich. So hielt es der Dichter
für seine Pflicht, die Schichtungen und den Berg
bau dieses Gebietes in Augenschein zu nehmen,
um, mit Erfahrungen bereichert, die Ilmenauer
Bergwerkskommission zu leiten. Im November-
Dezember 1777 unternahm er seinen ersten, win
terlich-einsamen Ritt durch Schluchten und über
Höhen des Gebirgsstockes und stand am 10. De
zember auf dem Gipfel des Brockens. Sechs Jahre
später, im September 1783, brach er wiederum
zum Brocken auf, um über Zellerfeld, der alten
Talsperre entlang zur Rehberger Klippe zu tra
ben, wobei ihn Trebra und der zwölfjährige Sohn
Charlottens v. Stein begleiteten. Unter großer
Gefahr, auf Trebras Schultern stehend, holte er
sich ein merkwürdiges Mineral von einem Fel
sen herab. War „Die Harzreise" der dichterische
Ertrag seiner ersten Brockenfahrt, so zeugt die
im Januar 1784 entstandene Abhandlung über
den „Granit" davon, daß nunmehr nicht sein
persönliches Erleben ihm im Mittelpunkt stand,
sondern die Welt der Gesteine. Und während im
August der Herzog sich am Braunschweiger Hof
aufhielt, bestieg Goethe zum dritten Mal den
Harzgipfel, diesmal, um sich von dem ihn beglei
tenden Maler Kraus merkwürdige Felspartien
und Gesteinslagerungen zeichnen zu lassen.
Mittlerweile kam die Arbeit am Ilmenauer
Bergwerk in Gang. Kuxe wurden ausgegeben;
1783 hatte Goethe für die Kommission seine
erste „Nachricht von dem ehemaligen Bergbau
bei Ilmenau und Vorschläge, ihn durch eine neue
Gewerkschaft wieder in Aufnahme zu bringen"
veröffentlicht. Seitdem folgten in Abständen
weitere Berichte vom Fortgang der Arbeit. Am
24. Februar 1784 feierte man dann die Wieder
eröffnung des Werkes. Im Saale des Posthauses
versammelten sich die Bürger der kleinen Stadt
und die herzogliche Baukommission, während
die gesamte Knappschaft mit ihrer hundertjäh
rigen Fahne auf der Straße paradierte. Goethe,
der die Festrede hielt, schloß mit den Worten:
„Nun wollen wir uns einem Orte nähern, auf den
alle unsere Wünsche gerichtet sind, vorher aber
noch im Hause des Herrn einkehren, der die
Berge gegründet, die Schätze in ihrer Tiefe ver
borgen und dem Menschen den Verstand gege
ben hat, sie an das Licht des Tages hervorzu
bringen. Lassen Sie uns bitten, daß Er uns bis in
die Tiefe begleite und daß endlich das zwei
deutige Metall, das öfter zum Bösen als zum Gu
ten angewendet wird, zum Nutzen der Mensch
heit gefördert werden möge.“
Doch über dem Unternehmen, dessen Fortgang
Goethe in den sieben Berichten der Bergwerks
kommission 1784 bis 1794 zur Kenntnis brachte,
stand kein guter Stern. Immer wieder erfolgten
neue Einbrüche, und der erste Schiefer, den man
1792 förderte, enthielt kein Kupfer. Unter unsag
baren Anstrengungen, nach neuen Berechnungen
und nach dem Einbau von Wettermaschinen ver
suchte man, in die Stollen vorzudringen; doch
wieder schwemmte die gestaute Gewalt des Was
sers den ganzen Bruch fort, so daß man sich im
Jahre 1796 entschloß, das aussichtslose Unterneh
men aus Mangel an Mitteln aufzugeben. Nur we
nige Stollen wurden bis 1812 in fahrbarem Zu
stand erhalten. Goethe, der sich selbst auf seiner
Italienreise um das Bergwerk gekümmert und
bei seiner Rückkehr nach Weimar alles getan
hatte, was in seiner Möglichkeit stand, war lange
über diesen Mißerfolg niedergeschlagen, aber
machtlos wie alle Fachleute der damaligen Zeit
in bezug auf die schwierige Lagerstätte in Ilme
nau. Rückschauend aber äußerte er sich später
zum Kanzler v. Müller: „Es hat mir viel Zeit,
Mühe und Geld gekostet, dafür habe ich aber
auch etwas dabei gelernt und mir eine An
schauung der Natur erworben, die ich um keinen
Preis Umtauschen möchte."
Im Hinblick auf Ilmenau hatte sich der Dich
ter immer mit Fragen des Bergbaues beschäftigt.
Als er im Sommer 1790 nach Oberschlesien
reiste, besuchte er Freiberg und studierte unter
Leitung von Graf Reden das dortige Berg- und
Hüttenwesen, drang bis Galizien, bis Wieliczka,