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Q!5oet(ic und der Bergbau
Im Verlag Glückauf GmbH. Essen ist ein besonders bemerkenswertes Buch für den
Bergmann erschienen. Es trägt den Titel „Kristall" und vermittelt ein getreu-
liches Spiegelbild von der Berufswelt des Bergmanns. Die reiche Überlieferung des
Bergmannsstandes in Brauchtum, Tracht, Gesang, in Kunst und Sage, in seinen gro
ßen menschlichen Gestalten, aber auch in der beruflichen Vielfalt des Bergbaus
wird darin lebendig. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags entnehmen wir
„Kristall" nachstehenden Beitrag, der u. a. auch auf den Besuch Goethes an der
Saar Bezug nimmt.
ls im Juni 1770 der kaum einundzwanzig
jährige Student Goethe mit zwei Freunden
von Straßburg aus nach Zabern und ins Saar
gebiet geritten war, sollte die Drei in der Dutt
weiler Gegend ein „seltsames Begegnis" erwar
ten. „Wir traten in eine Klamme“, erzählte
Goethe in Dichtung und Wahrheit, „und fanden
uns in der Region des brennenden Berges. Star
ker Schwefelgeruch umzog uns, dicker Dampf
stieg aus den Klunsen hervor, und man fühlte die
Hitze des Bodens auch durch die starken Sohlen.
So glomm dieses Feuer bereits zehn Jahre durch
alle verbrochenen Stollen und Schächte. Bei tief
ster Nacht betraten wir die im Talgrund liegen
den Schmelzhütten und vergnügten uns an dem
seltsamen Halbdunkel dieser Bretterhöhlen. Das
Geräusch des Wassers und der von ihm getrie
benen Blasbälge, das fürchterliche Sausen und
Pfeifen des Windstroms, der in das geschmolzene
Erz wütet, die Ohren betäubt und die Sinne ver
wirrt, trieb uns endlich hinweg." Dies war des
Dichters erste Begegnung mit einer ihm bis dahin
fremden Welt, und er ahnte nicht, daß nur kurze
Zeit später dieses Reich der Stollen und Schächte
ihn für zwei Jahrzehnte mit höchster Verant
wortung beschäftigen sollte.
Denn schon im Frühling 1776 — der eben zur
Regierung gekommene Herzog Carl August hatte
Goethe im November 1775 nach Weimar beru
fen — wurde der junge Kammerherr damit be
auftragt, zusammen mit Geheimrat Voigt den
seit langem brachliegenden Bergbau von Ilme
nau wieder in Gang zu bringen. Ein wahrlich
kühnes Beginnen für einen juristisch geschulten
Hofmann, der sich soeben erst durch seine „Lei
den des jungen Werther" Weltruhm erworben
hatte! Der Dichter bekennt später selbst, daß es
nur dem tätig-frohen Übermut zu verzeihen war,
sich an ein so wichtiges Unternehmen zu wa
gen. Doch mit der ihm eigenen und vom Vater
ererbten Gründlichkeit wandte sich Goethe so
fort diesem Auftrag zu. In den noch vorhandenen
Akten unterrichtete er sich genau über die Ge
schichte Ilmenaus, das seit dem Mittelalter aus
dem Ertrag des silberhaltigen Kupferschiefers
Arbeit und Wohlstand gefunden hatte. Doch der
furchtbare Wassereinbruch vom Mai 1739 hatte
die Baue ersaufen lassen, und das rege Leben,
das einst sechshundert bis achthundert Knappen
in die kleine Bergstadt geführt hatte, war seit
dem versiegt. Nicht für Ilmenau allein, auch für
das gesamte Staatseinkommen zog diese Kata
strophe beträchtliche wirtschaftliche Folgen
nach sich. Goethe hatte nicht nur im Sinn, sei
nem Fürstentum neue Einnahmequellen zugän
gig zu machen, sondern ihn bedrückte die bittere
Not der Bergleute. Mit hingebendem Eifer ver
suchte er daher, den „armen Maulwürfen" wie
der zu Verdienst und Brot zu verhelfen.
Eingehend vertiefte er sich in geologische und
mineralogische Schriften, versäumte nicht, an
Ort und Stelle Aufnahmen des Geländes zu ma
chen, Zeichnungen der Stollen und Höhlen vor
zunehmen, da gerade durch die Art der Lager
stätte Schwierigkeiten auftauchten. Im Sommer
1776, da der Weimarer Hof in den Wäldern Il
menaus jagte, begab er sich mit Carl August und
dem vom kursächsischen Hof berufenen Berg
fachmann v. Trebra nach Ilmenau, um sich von
dem erfahrenen Gelehrten ein Gutachten mit
Tabellen und Karten entwerfen zu lassen. Und
während die heitere Jagdgesellschaft — so er
zählt ein Weimarer Bericht — mehr zum Ver
gnügen in Bergmannskleidern durch die ver
schütteten Stollen kroch und dann beim Mahl
sich fröhlich „Glück auf" zutrank, suchte sich
Goethe durch geologische Gespräche abseits mit
dem anwesenden Fachmann für seine neue Ver
antwortung die nötigen Voraussetzungen zu
schaffen.
Diese erste Begegnung mit von Trebra, am 16.
Juni 1776, hinterließ in dem jungen Legationsrat
Goethe einen tiefen Eindruck. „Trebra, brav,
wahr, in dem Seinigen treu", notierte er stich-