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Die weiße Katze g g g
und die
Von Werner Jakobi
Es war einmal ein Mädchen, dessen Mutter
war schon lange tot, und es lebte mit seinem Va
ter, einem armen Holzfäller, in einem elenden
Hüttchen. Obwohl Armut und Not aus den Fen
stern des Häuschens schauten, hatten die beiden
Menschen darin ein fröhliches Herz. Singend
versorgte das Mädchen den kleinen Haushalt,
und mit einem frohen Wort begrüßte es den
Vater, wenn er abends müde von der Arbeit
heimkam.
Einmal aber mußte das Mädchen lange auf den
Vater warten, und dann brachten zwei Männer
ihn auf einer Bahre. Ein umstürzender Baum
hatte ihn getroffen und erschlagen. Nun stand
das Mädchen mutterseelenallein auf der Welt
und wußte nicht, wo es das tägliche Brot her
nehmen sollte. Schweren Herzens verschloß es
die Tür des Hüttleins und machte sich in den
Wald. Müde vom Weinen und Traurigsein ließ
es sich auf einem Baumstumpf nieder und legte
den Kopf auf die Knie.
Plötzlich schreckte es auf. Da strich etwas
leise schnurrend an seinem Rock entlang, und als
das Mädchen hinsah, erblickte es eine schnee
weiße Katze. Die Katze fing an, jämmerlich zu
miauen; dann sprach sie: „Folge mix!“ Das Mäd
chen wußte nicht, was es tun sollte, aber immer
dringlicher miaute die Katze: „So folge mir
dochl" Und weil das Mädchen ja doch von nie
mand erwartet wurde, so folgte es ihr.
Die Katze lief eilig voran, quer durch den
Wald, das Mädchen immer hinterher, bis sie am
Ufer eines Baches ankamen. Dort hing von den
niedrigsten Zweigen einer Weide aufgefangen,
ein zugebundener Sack, in dem es sich heftig
bewegte. Die Katze strich zärtlich an dem Sack
vorbei und als das Mädchen ihn heruntergenom
men und geöffnet hatte, sah es darin fünf nied
liche Kätzchen, ebenso weiß wie ihre Mutter.
Freudig beleckte die Katze ihre Jungen und trug
eins nach dem andern auf ein weiches Plätz
chen im Moos. Dankbar sah sie das Mädchen an,
und dann sprach sie: „Ich danke Dir, Du gutes
Kind! Ohne Dich wären meine lieben Kinder
elendiglich umgekommen. Nimm zum Dank die
ses Pfeifchen, und wenn Du in Not bist, dann
rufe mich damit!“
Das Mädchen sah die Katze ungläubig an,
nahm aber doch die Pfeife und dachte: „Wer weiß,
vielleicht kannst Du sie wirklich einmal ge
brauchen!" Langsam ging es wieder tiefer in den
Wald hinein, aß von den Beeren, die es fand
und überlegte, wo es die Nacht schlafen sollte,
denn es war schon dämmerig geworden. Immer
dunkler wurde es, da sah das Mädchen in der
Ferne ein Licht. Darauf ging es zu und stand
plötzlich vor einem alten, efeubewachsenen
Turm. Leise klopfte es an die Tür. Eine Stimme
rief: „Herein!" Und als das Mädchen die Tür
öffnete, sah es eine Stube, wie es noch nie eine
gesehen hatte. Auf dem Herd standen allerlei
Töpfe, in denen es dampfte und brodelte. An
den Wänden hingen alle möglichen getrocknete
Kräuter und ausgestopfte Tiere. Uber dem Tisch
brannte eine trübe Lampe, und darunter, über
ein dickes Buch gebeugt, saß ein sehr magerer
Mann im schwarzen Mantel. Auf dem Kopf hatte
er eine hohe, spitze Mütze, und auf seiner rie
sigen Hakennase saß eine große Brille mit dunk
len Gläsern. Vor Angst und Schreck wollte das
Mädchen die Tür zuschlagen und fliehen, aber
der Mann sprach ganz freundlich: „Tritt nur her
ein, Du brauchst Dich nicht zu fürchten. Wo
willst Du noch hin in der finsteren Nacht? Leg
Wettmantelkönin
Saarbrücken, Kaiserstraße 8
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LYON WRONKER
Neunkirchen, Bahnhofstraße 35