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Von Walther
A 1 b r e c h t
Vs war einmal ein armer junger Bergmann
namens Hans, ein vergnügtes, frisches Menschen
kind, den niemals die frohe Laune verließ. Seine
Kameraden schätzten ihn darum hoch ein, und
jeder hatte einen fröhlichen Gruß oder ein gutes
Wort für ihn, wenn er lachend mit ihnen zu sei
ner schweren Arbeit in den tiefen Schacht ein-
fuhr.
Da fand er eines Tages, als er die losgelöste
Kohle fortschaufelte, ein winziges kleines Hütchen
aus verblichenem blauen Samt mit einem fun
kelnden Stein daran, der so hell leuchtete, daß
von ihm ein strahlender Schein auf die dunklen
Wände des Stollens fiel. Belustigt betrachtete
Hans seinen Fund, zog das Hütdien auf seinen
kleinen Finger und hielt es hodi. „Wer mag das
wohl verloren haben?“ sagte er halblaut vor sich
hin.
„Ich!“ antwortete ein helles Stimmchen. Hans
fuhr erschrecken zusammen. Er sah sich um, doch
gewahrte er niemanden. Da klomm etwas an
seinen Beinen hodi und plötzlidi saß auf seinen
Knien ein ganz kleines Männlein, das die Hände
faltete und flehend spradi: „Bitte, bitte, gib mir
dodi mein Hütdien wieder?“
Hans bezwang sein Erstaunen und fragte
lachend: „Ja, wer bist du denn, du kleiner Mann,
und wie kommst du in diesen Sdiadit?“
„Ich bin ein Grubenmännlein“, antwortete der
Kleine, „wir hausen sehr zahlreidi hier unter der
Erde und helfen den Bergleuten bei ihrer sdiwe-
ren Arbeit. Unsere Hütchen madien uns unsiditbar
und dem Edelstein, mit welchem sie geschmückt
sind, wohnen Zauberkräfte inne. Wenn wir unser
Hütchen verlieren, weidit aller Zauber von uns
und wir dürfen nicht wieder zu unserem Volke
zurück. Deshalb sei gut, Bergmann, und gib mir
mein Hütchen wieder.“
„Ei, das tu ja nicht!“ sagte da eine rauhe
Stimme hinter Hans. Ein zweiter Bergmann, der
Vinzenz, war herangekommen und hatte das
Männlein erblickt. „Mein Großvater hat mir er
zählt, daß der Besitz eines solchen Hütchens den
Menschen große Schätze einbringt. Du wärest
schön dumm, Hans, wenn du darauf verzichten
wolltest!“
Der Kleine stieß einen Klageruf aus und barg
sein Gesichtlein in den Händen. Hans zögerte
einen Augenblick. Er dachte an seine Braut, die
er nicht heiraten konnte, weil sein Verdienst noch
nicht ausreichte zum Hochzeitmachen. Das Hüt
chen des Männlein konnte ihm vielleicht zu Geld
verhelfen.
„Was zögerst du Tor!“ raunte Vinzenz. Aber
Hans schüttelte den Kopf. „Ich mag nicht daran
schuld sein, daß das Grubenmännlein elend und
heimatlos wird“ sagte er entschlossen, „mit Fleiß
und gutem Willen werde ich schon allein vor
wärts kommen“. Dann wandte er sich an das
Männilein: „Da, nimm dein Hütchen und achte
besser darauf als zuvor!“ Mit einem Freudenruf
ergriff das Männlein seine Kopfbedeckung; einen
Augenblick sah Hans noch ein strahlendes Ge-
siditchen, dann war der Kleine verschwunden.
. . . und das kleine Männlein sprach flehend: »Bitte, gib
mir doch mein Hütchen wieder!«
„Oh, du Dummkopf“ schalt Vinzenz, „jetzt hast
du dein Glück von dir gestoßen“. Hans schüttelte
nur stumm den Kopf und wandte sich mit neuem
Eifer seiner unterbrochenen Arbeit wieder zu.