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HAUSSCHUHE j’ur <%.• =_
Der junge Herr Armander blickte abschätzend
von einem Schuh zum anderen. „Ich werde die
grauen oder diese braunen nehmen. Was kosten
sie?“
„Dreitausendneunhundert die grauen, dreitau
sendzweihundert die —“
Da betrat ein Mädeldien den Laden, ging
schnurstracks zur Verkäuferin und sagte: „Schuhe
für Papi, bitte, Hausschuhe aus richtigem Leder
und ganz bequem. Papi muß nämlich immer so
lange stehen in der Fabrik.“
Das Fräulein lächelte. „Hausschuhe für deinen
Papi willst du kaufen? Ganz allein willst du sie
aussuchen?“
„Ja“, sagte das Kind, „ich habe doch die Größe
mitgebracht, und es soll eine Überraschung sein“.
Armander indes hatte sich für die grauen
Sdiuhe entsdrieden. Gewiß, die braunen waren
gut, aber das graue Wildleder wirkte viel ele
ganter.
„Komm, setz 1 didi hierher“, sagte die Verkäu
ferin und half dem Mädchen auf einen der Stühle,
die in langer Reihe standen. Zuerst müsse aber
der Herr bedient werden.
Armander sah die Freude und Erregung im
Gesicht des Mädchens. „Ich möchte, daß Sie das
Kind nicht warten lassen.
„Danke“, sagte das Fräulein. Hatten nicht jetzt
auch ihre Augen einen freudigen Schimmer?
Die Kleine nestelte an ihrem Kunststoff-Täsch
chen, aus dem sie ein Stüde Papier zum Vorschein
brachte. „Hier, die Größe.“ Doch es war keine
Zahl darauf verzeichnet, sondern die Umrisse
einer Schuhsohle.
„Sie hat den alten Haussdiuh aufs Papier ge
setzt und mit dem Bleistift nachgezeidinet.“
„Nein, nicht den Hausschuh“ widersprach das
EIN SIGELLA-ERZEUGNIS
daher so gut!
Mädchen dem jungen Herrn Armander. „Papis
Haussdiuhe sind sdion lange kaputt. Ich habe
seine anderen Schuhe genommen. Aber es ist be
stimmt dieselbe Größe.“
Sanft stridi das Fräulein eine Haarsträhne aus
der Stirn des Kindes. „Gewiß ist es dieselbe
Größe! Und nun wollen wir mal sehen —“ Sie
stellte Armanders grauen Wildlederschuh auf das
Papier und verglich die Sohlengröße mit den
Bleistiftlinien. „Dreiundvierzig wird es sein. Also
gut, suchen wir Papi die schönsten Hausschuhe
aus.“
O ja, der Papi würde zufrieden sein.
Das Fräulein sah auf den Karton. „Elfhundert
Franken.“
„Es sind alles einzelne Franken“ — das Kind
holte aus der Tasche eine Blechdose hervor —
„die Lore hat sie gezählt, jedesmal hundert Frau
ken.“
„Hm, demnach sind das vierhundert Franken“.
Das Fräulein sah ein wenig ratlos aus.
„Ja, immer hundert Franken“, beteuerte das
Kind noch einmal, „die Lore ist schon acht und
kann richtig bis hundert zählen.“
„Wer ist denn die Lore“, fragte Armander, nur
um etwas zu sagen.
„Lore Mank heißt sie, und für Mank hole ich
morgens immer die Milch. Die drei Franken, die
mir der Milchmann zurückgibt, darf ich behalten.“
Das Fräulein sah Herrn Armander an. „Über
vier Monate hat sie zusammengelegt —“ sie
sprach so leise, daß nur Armander es hören
konnte.
Und ebenso leise sagte Armander: „— ja, he
hat sich die Gebefreudigkeit verdient. Packen sie
ihr die Haussdiuhe ein und zählen sie den Diffe
renzbetrag meinen Schuhen zu, den — braunen.
Das sind dann wieviel?“
„Dreitausendneunhundert Franken.“
Armander zählte das Geld auf die Theke uni
ging-
Die Verkäuferin lächelte und brachte die ele
ganten grauen Sdiuhe in das Regal zurück. Dann
dachte sie, ob wohl noch vierhundert Franken in
ihrer Handtasche wären?
Ja, und die legte sie in die Ladenkasse.
„Sind es denn nicht genug Franken?“ fragte
die Kleine, die lange geduldig gewartet hatte.
Das Fräulein verschnürte das Päckchen mit den
Haussdiuhen, dem Kassenzettel und den vier
hundert Einfrankstücken.
„Doch mein Kind, es sind genug, es sind viel
zuviel . . .“