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Wir spielen täglich
mit dem £eben
Unfälle im Hause, die sich vermeiden
lassen — Ratschläge für Erste Hilfe
Nicht im Verkehrsgewuhl der Großstädte ist
unser Leben am meisten gefährdet, sondern zu
Hause zwischen unseren „sicheren“ vier Wänden.
Wie Versicherungsstatistiker festgestellt haben,
passieren im Hause weit mehr Unfälle als auf
der Straße. Dafür gibt es hauptsächlich vier
Gründe, die alle in uns selbst liegen: Leichtsinn,
Unachtsamkeit und unnötige Hast. Es ist erstaun
lich, was alles geschieht. Manchmal hat man den
Eindruck, die Leute legen es direkt darauf an,
sich zu verbrühen, zu schneiden, die Knochen oder
gar das Genick zu brechen. Man klettert auf
Möbel, die nicht dafür bestimmt sind; man legt
Läufer und Brücken auf den spiegelglatt geboh
nerten Fußboden, man fällt die Treppen hin
unter, schüttet sich heißes Fett über die Beine,
öffnet Konservendosen mit falschen Instrumenten,
spaltet Holz mit dem Küchenmesser und stürzt
auch zur Abwechslung gelegentüch aus dem
Fenster. Gerade beim Frühjahrs-Großreinemachen
häufen sich solche häuslichen Unfälle.
Kommentare dazu sind überflüssig. Wer beim
Gardinenaufstecken auf einer Stuhlpyramide steht,
braucht sich nicht nur zu wundern, wenn er nicht
hinunterfällt. Die Teppichbrücke auf dem glatten
Fußboden wird einem ganz bestimmt unter den
Füßen wegrutschen. Geschieht es nicht, muß ein
Schutzengel seine Hand im Spiel haben. Wenn
wir morgens in wilder Hast, das halbe Früh
stücksbrötchen noch im Munde, aus dem Hause
rasen, kann es schon Vorkommen, daß wir mit
dem Kopf zuerst am Fuß der Treppe landen.
Das Küchenmesser ist nun einmal nicht als Dosen
öffner konstruiert. Wer es nicht glaubt, sollte
eine Reihe von Konserven damit „knacken“, aber
möglichst nicht am Samstag-Nachmittag, denn
dann haben die meisten Ärzte keine Sprechstunde.
Auch Stubenbrände (von richtigen Feuersbrün
sten ganz abgesehen), lassen sich in den meisten
Fällen vermeiden. Es gibt immer noch Frauen,
die Petroleum in den Ofen kippen, wenn das
Feuer nicht richtig brennen will. Die Fälle mit
den nicht abgeschalteten Bügeleisen sind so häu
fig, daß ich sie ‘hier gar nicht näher zu schildern
brauche. Die Folgen solcher Hausunfälle sind
Verstauchungen, Knochenbrüche, Prellungen,
Hautabschürfung, Schnittwunden und Verbren
nungen. Außer bei Brand- und Schnittwunden
sind Umschläge mit einer Salzwasserlösung eine
gute erste Hilfe. Man nimmt einen Teelöffel Salz
auf einen halben Liter Wasser und tränkt darin
saubere Tücher, am besten Leinen, Baumwolle,
Gaze oder Verbandsmull. Bei Schnitten sind trok-
kene Verbände besser.
Niemals soll man verletzte Menschen umher
schleppen. Die Natur hat es so eingerichtet, daß
sie sich automatisch selbst in die günstigste Lage
legen. Frieren sie, be
decke man sie mit
Wolldecken und gebe
ihnen heißen süßen Tee
oder Kaffee mit viel
Milch, niemals aber Al
kohol, Es muß immer
wieder nachdrücklich
gesagt werden: In 99
von 100 Fällen ist
Alkohol schädlich, gün
stig kann er sich nur
für die Zeugen des Un
falls auswirken, wenn
ihnen beim Anblick des
Verletzten schlech t wird.
Immer wieder kommt es
vor, daß man auch schwer zu Schaden gekom
menen Menschen Schnaps eintxkhtert. Das ist das
Schlimmste, was man tun kann.
Wenn der Verletzte, was häufig der Fall ist,
selbst zum Arzt gehen kann, dann rufe man den
Onkel Doktor nicht ins Haus, sondern suche ihn
in der Sprechstunde auf. Zwei Dinge sollten wir
uns zum Grundsatz machen: 1) Man doktere nicht
selbst an Verletzungen und Krankheiten herum,
zu deren Behandlung man nicht die notwendigen
Kenntnisse besitzt; 2) Man renne nicht mit jeder
Kleinigkeit zum Arzt, wenn man sidi tatsächlich
selbst helfen kann.
Hier die Grenzen zu erkennen, dürfte audi dem
Laien nicht schwerfallen. Vor allem aber gilt
gerade bei Unfällen: Vorbeugen ist besser als
heilen.