Full text: 1957 (0085)

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zweyen Bassisten / zweyen Tenoristen / zweyen 
Altisten / und zweyen Diskantisten bestehen... 
Wöchentlich zum wenigsten einmahl bey einem 
ihres Mittels Zusammenkommen / sich im Singen 
fleißig exercieren / und nicht nur uff die Alten / 
sondern auch uff neue Berg-Reyhen und Melo 
dien befleißigen / sonderlichen aber uff solche 
Texte trachten / darinnen Bergmännische Redens- 
Arten i und vornehmlich die Erhebung / Lob / 
und Nutz des Bergwercks auch Auffmunterung 
zum Bergbau enthalten / dargegen alle groben 
Zoten / und Schandlieder / dadurch Gott nur 
erzürnet / und die Anhörenden geärgert werden / 
gäntzlich meiden 
Nicht nur in ihrer engsten Heimat ließen sich 
die Bergsänger hören, bei Festen und Feiern, 
bei Gottesdiensten und Bergaufzügen — sie zo 
gen auch gelegentlich, vor allem beim Nachlassen 
der Ausbeuten, auf die Wanderschaft und boten 
auf den Märkten und Messen ihre Kunst dar. 
Vor allem waren die Bergmusikanten an den 
Höfen beliebt, oftmals wurden sie sogar dort 
fest angestellt. Sie wirkten bei den großen Pa 
raden mit, die von den Bergleuten zu Ehren des 
Landesherren veranstaltet worden, sie erschienen 
als Abgeordnete bei einer Hochzeit am fürstli 
chen Hof, sie brachten bei Besuchen den obersten 
Bergherren abendliche Ständchen im Schein ihrer 
Grubenlichter. 
Zu den Saiten- und Blasinstrumenten, die die 
Bergsänger zur Begleitung ihrer Lieder ursprüng 
lich zu spielen pflegten, traten noch zwei andere 
Instrumente, die in einer „zusätzlichen Ordnung“ 
im Jahre 1709 erwähnt werden: Triangel und 
Leder. Das zunächst dunkel anmutende letztge 
nannte Tonwerkzeug bezeugt köstlich die urtüm 
liche Art dieser Volks- und Berufsmusik: Damit 
sind die zur Tracht gehörigen Arschleder ge 
meint, die auf Höhepunkten der Darbietung ab 
geschnallt und zusammengerollt wurden, um dar 
auf zu blasen, genau so, wie als Schlaginstru 
mente gelegentlich auch Fäustel und Eisen ver 
wendet wurden. Die „lederne Bergmusik“ er 
freute sich großer Beliebtheit. In einer Schilde 
rung des Fastnachttreibens der Bergknappen in 
der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege steht: 
„Sie pfiffen darbey gar artig auf ihren zusam 
mengerollten Bergledem“. 
Mit der Verlagerung des bergbaulichen Schwer 
gewichts in die Kohlenreviere erwachte auch 
dort das bergmännische musikalische Leben. Wir 
wissen zum Beispiel / aus dem ersten Viertel 
des 19. Jahrhunderts von den Anfängen einer 
selchen Singgruppe in der Tecklenburg-Lingen- 
schen Knappschaft zu Ibbenbüren in Westfalen. 
Sie wiude ausdrücklich ins Leben gerufen zur 
„Weckung und Belebung eines bergmännischen 
Geistes“, der „auf eigener Achtung und Liebe 
zu dem Bergmannsstand begründet sein muß“. 
Daneben gab es auch hier schon die ausgespro 
chenen Instrumentalmusikgruppen der Bergleute, 
nicht als wandernde, sondern als bodenständige 
Organisationen, die wir heute als Werkskapellen 
allenthalben kennen. Bereits 1816 läßt sich in 
Dortmund die „erste Einrichtung und Unterhal 
tung eines Berg-Hautboisten-Corps“ aus Berg 
leuten feststellen, „welche so weit musikalisch 
sind, daß sie ein Saiten- und Blasinstrument, 
oder wenigstens ein Blasinstrument, und welches 
nach Noten zu spielen verstehen.“ Dieses Dort 
munder „Berg-Hautboisten-Corps“ bestand zu 
nächst aus acht, später aus zwölf Bergmusikanten. 
Dazu kamen nach und nach weitere kleine und 
mit der Zeit auch größere berufsständische Kapel 
len, die bei allen Anlässen im Dasein des Berg 
mannsstandes aufwarteten. Sie machten sowohl 
Blas- als auch Streichmusik und pflegten außer 
dem den Chorgesang in alter Tradition. 
Durch eine besondere Tracht waren auch hier 
die Bergmusiker nach dem Vorbild der alten 
Bergmusikanten und Bergsänger vor den übrigen 
Bergleuten ausgezeichnet. „Um den Corps vor 
läufig wenigstens ein bergmännisches Ansehen zu 
geben“, wurden die Bergmusikanten bereits 1817 
von der allgemeinen Uniformierung der Ruhr 
knappschaft eingekleidet. Sie unterschieden sich 
von dem übrigen Bergvolk durch weiße Hosen, 
die aber später durch schwarze ersetzt wurden. 
Ihr Grubenkittel war durch einen roten Kragen 
und durch Schwalbennester mit goldgelber Borte 
und Fransen geschmückt. Der „Oberspielmann“, 
der das Corps leitete, nahm in der „Bergrang 
ordnung“ einen besonderen Platz gleich neben 
den Grubenbeamten ein; dementsprechend trug 
er auch eine besondere Uniform. 
Diese Bergmusikkorps waren nicht nur eine 
durch die Bergbehörden geschaffene Einrichtung, 
sondern entsprangen dem Bedürfnis und der Be 
gabung der ruhrländischcn Knappschaft. Denn 
auch hier gehören Sang und Klang als unent 
behrliches Gut zu den ernsten und fröhlichen 
Feiern, zu den Sitten und Bräudien der berg 
männischen Gemeinsdiaft. Und auch hier hat der 
Vers aus einem Bergmannsliede Gültigkeit: 
„Musik machen wir uns selbst, spielen können 
wir alle!“ 
DieseT in allen Zeiten regen musikantischen
	        
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