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zweyen Bassisten / zweyen Tenoristen / zweyen
Altisten / und zweyen Diskantisten bestehen...
Wöchentlich zum wenigsten einmahl bey einem
ihres Mittels Zusammenkommen / sich im Singen
fleißig exercieren / und nicht nur uff die Alten /
sondern auch uff neue Berg-Reyhen und Melo
dien befleißigen / sonderlichen aber uff solche
Texte trachten / darinnen Bergmännische Redens-
Arten i und vornehmlich die Erhebung / Lob /
und Nutz des Bergwercks auch Auffmunterung
zum Bergbau enthalten / dargegen alle groben
Zoten / und Schandlieder / dadurch Gott nur
erzürnet / und die Anhörenden geärgert werden /
gäntzlich meiden
Nicht nur in ihrer engsten Heimat ließen sich
die Bergsänger hören, bei Festen und Feiern,
bei Gottesdiensten und Bergaufzügen — sie zo
gen auch gelegentlich, vor allem beim Nachlassen
der Ausbeuten, auf die Wanderschaft und boten
auf den Märkten und Messen ihre Kunst dar.
Vor allem waren die Bergmusikanten an den
Höfen beliebt, oftmals wurden sie sogar dort
fest angestellt. Sie wirkten bei den großen Pa
raden mit, die von den Bergleuten zu Ehren des
Landesherren veranstaltet worden, sie erschienen
als Abgeordnete bei einer Hochzeit am fürstli
chen Hof, sie brachten bei Besuchen den obersten
Bergherren abendliche Ständchen im Schein ihrer
Grubenlichter.
Zu den Saiten- und Blasinstrumenten, die die
Bergsänger zur Begleitung ihrer Lieder ursprüng
lich zu spielen pflegten, traten noch zwei andere
Instrumente, die in einer „zusätzlichen Ordnung“
im Jahre 1709 erwähnt werden: Triangel und
Leder. Das zunächst dunkel anmutende letztge
nannte Tonwerkzeug bezeugt köstlich die urtüm
liche Art dieser Volks- und Berufsmusik: Damit
sind die zur Tracht gehörigen Arschleder ge
meint, die auf Höhepunkten der Darbietung ab
geschnallt und zusammengerollt wurden, um dar
auf zu blasen, genau so, wie als Schlaginstru
mente gelegentlich auch Fäustel und Eisen ver
wendet wurden. Die „lederne Bergmusik“ er
freute sich großer Beliebtheit. In einer Schilde
rung des Fastnachttreibens der Bergknappen in
der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege steht:
„Sie pfiffen darbey gar artig auf ihren zusam
mengerollten Bergledem“.
Mit der Verlagerung des bergbaulichen Schwer
gewichts in die Kohlenreviere erwachte auch
dort das bergmännische musikalische Leben. Wir
wissen zum Beispiel / aus dem ersten Viertel
des 19. Jahrhunderts von den Anfängen einer
selchen Singgruppe in der Tecklenburg-Lingen-
schen Knappschaft zu Ibbenbüren in Westfalen.
Sie wiude ausdrücklich ins Leben gerufen zur
„Weckung und Belebung eines bergmännischen
Geistes“, der „auf eigener Achtung und Liebe
zu dem Bergmannsstand begründet sein muß“.
Daneben gab es auch hier schon die ausgespro
chenen Instrumentalmusikgruppen der Bergleute,
nicht als wandernde, sondern als bodenständige
Organisationen, die wir heute als Werkskapellen
allenthalben kennen. Bereits 1816 läßt sich in
Dortmund die „erste Einrichtung und Unterhal
tung eines Berg-Hautboisten-Corps“ aus Berg
leuten feststellen, „welche so weit musikalisch
sind, daß sie ein Saiten- und Blasinstrument,
oder wenigstens ein Blasinstrument, und welches
nach Noten zu spielen verstehen.“ Dieses Dort
munder „Berg-Hautboisten-Corps“ bestand zu
nächst aus acht, später aus zwölf Bergmusikanten.
Dazu kamen nach und nach weitere kleine und
mit der Zeit auch größere berufsständische Kapel
len, die bei allen Anlässen im Dasein des Berg
mannsstandes aufwarteten. Sie machten sowohl
Blas- als auch Streichmusik und pflegten außer
dem den Chorgesang in alter Tradition.
Durch eine besondere Tracht waren auch hier
die Bergmusiker nach dem Vorbild der alten
Bergmusikanten und Bergsänger vor den übrigen
Bergleuten ausgezeichnet. „Um den Corps vor
läufig wenigstens ein bergmännisches Ansehen zu
geben“, wurden die Bergmusikanten bereits 1817
von der allgemeinen Uniformierung der Ruhr
knappschaft eingekleidet. Sie unterschieden sich
von dem übrigen Bergvolk durch weiße Hosen,
die aber später durch schwarze ersetzt wurden.
Ihr Grubenkittel war durch einen roten Kragen
und durch Schwalbennester mit goldgelber Borte
und Fransen geschmückt. Der „Oberspielmann“,
der das Corps leitete, nahm in der „Bergrang
ordnung“ einen besonderen Platz gleich neben
den Grubenbeamten ein; dementsprechend trug
er auch eine besondere Uniform.
Diese Bergmusikkorps waren nicht nur eine
durch die Bergbehörden geschaffene Einrichtung,
sondern entsprangen dem Bedürfnis und der Be
gabung der ruhrländischcn Knappschaft. Denn
auch hier gehören Sang und Klang als unent
behrliches Gut zu den ernsten und fröhlichen
Feiern, zu den Sitten und Bräudien der berg
männischen Gemeinsdiaft. Und auch hier hat der
Vers aus einem Bergmannsliede Gültigkeit:
„Musik machen wir uns selbst, spielen können
wir alle!“
DieseT in allen Zeiten regen musikantischen