sind es Zukunftsromane, denen man grundsätzlich
alle Freiheiten einräumen muß, die man auch
sonst dem Roman zugesteht.
Um ein Beispiel zu nennen: Die Naturwissen
schaft weiß, daß der Mond 384 000 Kilometer
von der Erde enfernt ist, sie weiß ferner, daß er
keinen Luftmantel und kein Wasser hat, daß sich
auf ihm Gebirge bis zu 9 100 m Höhe befinden
u. a. m. Der Romanschriftsteller benutzt nun die
Tatsachen und erfindet Mondbewohner, die dann
eben nicht auf der Mondoberfläche wohnen, weil
es da nach dem Vorhergesagten keine Lebens
möglichkeiten gibt, sondern die im Innern
des Mondes leben. Ins Innere können wir mit
unseren Riesenfernrohren nicht hineinschauen, im
Innern aber könnte gleichmäßige Wärme vorhan
den sein, im Mondinnem kann die Phantasie
geheimnisvolle Kräfte, Licht, Lebensmöglichkeiten
ersinnen. Der Engländer H. G. Wells hat einen
phantastischen Mondroman geschrieben. Nach ihm
hausen dort Mondmenschen (Seleniten) mit dehn
baren Schädeldecken; ihre Gehirnmasse kann
ständig wachsen im Gegensatz zum menschlichen
Gehirn, das „beschränkt“ bleiben muß. So ist lo
gischerweise der Selenit mit dem größten Kopf
derjenige unter ihnen, der am meisten weiß, er
ist der Herrscher. Sein Kopf gleicht einem ge
waltigen Ballon, der von allen Seiten gestützt
werden muß. Man sieht, wie hier Wissenschaft
und Phantasie grotesk verknüpft worden sind.
Die Science-Fiction-Literatur wuchs mit den
neuen astronomischen Erkenntnissen zu einem
riesigen Büchermarkt an. In Amerika schätzt man
die Zahl der Romane und Geschichten heute be
reits auf acht- bis zehntausend Bände. Vor
20 bis 30 Jahren wenig beachtet, wurden mit der
Zeit Presse, Verleger, Buchmarkt, Publikum immer
aufmerksamer auf solche Bücher. Schund und
Wertvolles zugleich hatten bis dahin ein gedruck
tes dunkles Dasein in billigen „Schmökern“ ge
führt, von anspruchsvollen Lesern zurückgewie
sen. Knaben, Jugendliche bestritten in der
Hauptsadie den Leserkreis. Dennoch gab es unter
den Verfassern hervorragende Könner, Männer der
Wissenschaft, die eben unter angenommenen Na
men ihre Sdiriften veröffentlichten, weil sie es
nicht wagten, sidi im Rahmen der „Schundlitera
tur“ öffentlidi nennen zu lassen. Als nun allmäh
lich offenbar wurde, daß die Science Fiction audi
Beaditliches leistete, eröffneten Fachleute eine
kritisdie Sichtung der umfangreichen Literatur.
Hervorragende, aber unbekannte Dichter wurden
ans Licht gezerrt, ihre wahren Namen ermittelt
und plötzlidi sehr gefeiert. Heute zahlt man für
die alten Schmöker soldier großen Könner die
tollsten Preise, bloß um eines „Heftchens“ hab
haft zu werden.
Schließlidi bemäditigte sidi auch der Film der
Science Fiction und erzielte Riesenerfolge. Es
sei erinnert an folgende Filme: „Endstation
Mond“, „Die Eroberung des Weltalls“, „Der Tag,
an dem die Erde stille stand“ u. a.
Wie konnte das Interesse an soldien phantasti
schen Dingen derartig anwathsen? Was hat die
moderne Naturwissenschaft, vor allem die Astro
nomie, für einen Anteil an dieser Entwicklung?
Der Blick des Menschen hat sidi viel weiter und
tiefer in den Weltenraum hinausgerichtet, als man
jemals zu hoffen wagte. Die Erde als einziger
Kolonisationsraum wurde zu klein. Man richtet
seine Blicke bereits auf den Mond. Eines Tages
wird man ihn erreichen, und dann wird das Zeit
alter der Weltraumreisen beginnen. Die Zahl der
Sterne in unserem Milchstraßensystem wird auf
100 Milliarden geschätzt. Man spricht die Ver
mutung aus, daß etwa ein Hundertstel davon
Sonnen sind, die wieder eigene Planeten haben,
wie eben auch unsere Sonne eigene Planeten
hat: Mars, Venus, Erde, Jupiter, Merkur usw.
Warum sollte es nidit unter diesen wieder weldie
geben, die Leben wie unsere Erde aufweisen?
Warum soll es sdiließlidi nicht ganz andere Exi
stenzformen geben bei so viel Auswahlmöglich
keiten? Die Science Fiction träumt von derarti
gen Existenzformen. Da erzählt z. B. der Amerika
ner Isaac Asimov in einer Geschidite „Einbruch
der Nacht“ von der Welt eines Planeten, genannt
Lagash, der nidit nur von einer Sonne beleudi-
tet wird, sondern von sechs Sonnen, sodaß er
immerwährend Licht erhält, bald von zweien,
bald von dreien, bald von allen, sehr selten nur
von einer und alle 1000 Jahre von keiner. Nur
alle tausend Jahre ist dann einmal eine Wodie
lang Nacht, und die Planetenbewohner Lagashs
sehen nur dieses einzige Mal den ungeheueren
Sternenhimmel und das Mysterium der Raum
dunkelheit. Die Wodie der Dunkelheit wird eine
Periode des Sdrreckens und des Chaos. Selbst die
Astronomen jenes Planeten werden vom Wahn
sinn erfaßt, als die Nacht einbricht, obwohl sie
darauf vorbereitet waren. Es heißt dort:
„Unter dem Banne unaussprechlicher Angst
stützte sidi Latimer auf einen Arm auf und
wandte die Augen zu der entsetzlichen Schwärze
des Fensters. Durdi das Fenster leuditeten die
Sterne. Nicht nur die schwadien dreitausendsedis-
hundert dem Auge sichtbaren Sterne unserer
Erde — Lagash war der Mittelpunkt einer riesen
haften Gruppe. Dreißigtausend mächtige Sonnen
leuditeten in einem seelenverzehrenden Glanz
hernieder, der furchtbarer war in der Kälte seiner
schrecklidien Gleidigültigkeit als der bittere Wind,
der über die eisige, traurige Welt wehte.
Von ferne weinte und wimmerte ein anderer
Astronom wie ein furditbar verängstigtes Kind.
Sterne — all die Sterne — das haben wir dodi
garnidit gewußt! Wir haben dodi überhaupt
nichts gewußt. Wir daditen, sedis Sterne seien
ein Universum, seien etwas, von den Sternen
wußten wir nichts, und Dunkelheit ist für immer
und ewig, und die Mauern bersten, und wir
wußten nidit und konnten nidit wissen ...“
So weit eine Szene aus Asimovs Gesdiichte.
Fügen wir noch ein Zitat des Denkers und Didi-
ters Emerson hinzu: „Erschienen uns die Sterne