Full text: 1957 (0085)

sind es Zukunftsromane, denen man grundsätzlich 
alle Freiheiten einräumen muß, die man auch 
sonst dem Roman zugesteht. 
Um ein Beispiel zu nennen: Die Naturwissen 
schaft weiß, daß der Mond 384 000 Kilometer 
von der Erde enfernt ist, sie weiß ferner, daß er 
keinen Luftmantel und kein Wasser hat, daß sich 
auf ihm Gebirge bis zu 9 100 m Höhe befinden 
u. a. m. Der Romanschriftsteller benutzt nun die 
Tatsachen und erfindet Mondbewohner, die dann 
eben nicht auf der Mondoberfläche wohnen, weil 
es da nach dem Vorhergesagten keine Lebens 
möglichkeiten gibt, sondern die im Innern 
des Mondes leben. Ins Innere können wir mit 
unseren Riesenfernrohren nicht hineinschauen, im 
Innern aber könnte gleichmäßige Wärme vorhan 
den sein, im Mondinnem kann die Phantasie 
geheimnisvolle Kräfte, Licht, Lebensmöglichkeiten 
ersinnen. Der Engländer H. G. Wells hat einen 
phantastischen Mondroman geschrieben. Nach ihm 
hausen dort Mondmenschen (Seleniten) mit dehn 
baren Schädeldecken; ihre Gehirnmasse kann 
ständig wachsen im Gegensatz zum menschlichen 
Gehirn, das „beschränkt“ bleiben muß. So ist lo 
gischerweise der Selenit mit dem größten Kopf 
derjenige unter ihnen, der am meisten weiß, er 
ist der Herrscher. Sein Kopf gleicht einem ge 
waltigen Ballon, der von allen Seiten gestützt 
werden muß. Man sieht, wie hier Wissenschaft 
und Phantasie grotesk verknüpft worden sind. 
Die Science-Fiction-Literatur wuchs mit den 
neuen astronomischen Erkenntnissen zu einem 
riesigen Büchermarkt an. In Amerika schätzt man 
die Zahl der Romane und Geschichten heute be 
reits auf acht- bis zehntausend Bände. Vor 
20 bis 30 Jahren wenig beachtet, wurden mit der 
Zeit Presse, Verleger, Buchmarkt, Publikum immer 
aufmerksamer auf solche Bücher. Schund und 
Wertvolles zugleich hatten bis dahin ein gedruck 
tes dunkles Dasein in billigen „Schmökern“ ge 
führt, von anspruchsvollen Lesern zurückgewie 
sen. Knaben, Jugendliche bestritten in der 
Hauptsadie den Leserkreis. Dennoch gab es unter 
den Verfassern hervorragende Könner, Männer der 
Wissenschaft, die eben unter angenommenen Na 
men ihre Sdiriften veröffentlichten, weil sie es 
nicht wagten, sidi im Rahmen der „Schundlitera 
tur“ öffentlidi nennen zu lassen. Als nun allmäh 
lich offenbar wurde, daß die Science Fiction audi 
Beaditliches leistete, eröffneten Fachleute eine 
kritisdie Sichtung der umfangreichen Literatur. 
Hervorragende, aber unbekannte Dichter wurden 
ans Licht gezerrt, ihre wahren Namen ermittelt 
und plötzlidi sehr gefeiert. Heute zahlt man für 
die alten Schmöker soldier großen Könner die 
tollsten Preise, bloß um eines „Heftchens“ hab 
haft zu werden. 
Schließlidi bemäditigte sidi auch der Film der 
Science Fiction und erzielte Riesenerfolge. Es 
sei erinnert an folgende Filme: „Endstation 
Mond“, „Die Eroberung des Weltalls“, „Der Tag, 
an dem die Erde stille stand“ u. a. 
Wie konnte das Interesse an soldien phantasti 
schen Dingen derartig anwathsen? Was hat die 
moderne Naturwissenschaft, vor allem die Astro 
nomie, für einen Anteil an dieser Entwicklung? 
Der Blick des Menschen hat sidi viel weiter und 
tiefer in den Weltenraum hinausgerichtet, als man 
jemals zu hoffen wagte. Die Erde als einziger 
Kolonisationsraum wurde zu klein. Man richtet 
seine Blicke bereits auf den Mond. Eines Tages 
wird man ihn erreichen, und dann wird das Zeit 
alter der Weltraumreisen beginnen. Die Zahl der 
Sterne in unserem Milchstraßensystem wird auf 
100 Milliarden geschätzt. Man spricht die Ver 
mutung aus, daß etwa ein Hundertstel davon 
Sonnen sind, die wieder eigene Planeten haben, 
wie eben auch unsere Sonne eigene Planeten 
hat: Mars, Venus, Erde, Jupiter, Merkur usw. 
Warum sollte es nidit unter diesen wieder weldie 
geben, die Leben wie unsere Erde aufweisen? 
Warum soll es sdiließlidi nicht ganz andere Exi 
stenzformen geben bei so viel Auswahlmöglich 
keiten? Die Science Fiction träumt von derarti 
gen Existenzformen. Da erzählt z. B. der Amerika 
ner Isaac Asimov in einer Geschidite „Einbruch 
der Nacht“ von der Welt eines Planeten, genannt 
Lagash, der nidit nur von einer Sonne beleudi- 
tet wird, sondern von sechs Sonnen, sodaß er 
immerwährend Licht erhält, bald von zweien, 
bald von dreien, bald von allen, sehr selten nur 
von einer und alle 1000 Jahre von keiner. Nur 
alle tausend Jahre ist dann einmal eine Wodie 
lang Nacht, und die Planetenbewohner Lagashs 
sehen nur dieses einzige Mal den ungeheueren 
Sternenhimmel und das Mysterium der Raum 
dunkelheit. Die Wodie der Dunkelheit wird eine 
Periode des Sdrreckens und des Chaos. Selbst die 
Astronomen jenes Planeten werden vom Wahn 
sinn erfaßt, als die Nacht einbricht, obwohl sie 
darauf vorbereitet waren. Es heißt dort: 
„Unter dem Banne unaussprechlicher Angst 
stützte sidi Latimer auf einen Arm auf und 
wandte die Augen zu der entsetzlichen Schwärze 
des Fensters. Durdi das Fenster leuditeten die 
Sterne. Nicht nur die schwadien dreitausendsedis- 
hundert dem Auge sichtbaren Sterne unserer 
Erde — Lagash war der Mittelpunkt einer riesen 
haften Gruppe. Dreißigtausend mächtige Sonnen 
leuditeten in einem seelenverzehrenden Glanz 
hernieder, der furchtbarer war in der Kälte seiner 
schrecklidien Gleidigültigkeit als der bittere Wind, 
der über die eisige, traurige Welt wehte. 
Von ferne weinte und wimmerte ein anderer 
Astronom wie ein furditbar verängstigtes Kind. 
Sterne — all die Sterne — das haben wir dodi 
garnidit gewußt! Wir haben dodi überhaupt 
nichts gewußt. Wir daditen, sedis Sterne seien 
ein Universum, seien etwas, von den Sternen 
wußten wir nichts, und Dunkelheit ist für immer 
und ewig, und die Mauern bersten, und wir 
wußten nidit und konnten nidit wissen ...“ 
So weit eine Szene aus Asimovs Gesdiichte. 
Fügen wir noch ein Zitat des Denkers und Didi- 
ters Emerson hinzu: „Erschienen uns die Sterne
	        
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