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einer Kirche nichts erwähnt wird. Diese Fest
stellung erscheint wichtig, sie gewinnt sogar ein
mysteriöses Gesicht, wenn man eine von dem
Wademer Forscher C. Wolff mitgeteilte Über
lieferung berücksichtigt, wonach es (nach Berich
ten aus der evangelischen Diaspora) vor Wahlen
zwar zum Kampf gegen angreifende Kroaten ge
kommen sei, daß „Die Einheimischen (!) die Kro
aten aber geschlagen hätten, daß diese abgezo
gen und der Ort nicht zerstört worden sei. Hier
zu vertritt Wolff den Standpunkt, daß in Wah
len eine Zeit lang eine evangelische oder refor
mierte Gemeinde bestanden haben müsse, deren
Mitglieder ihre katholischen Mitbürger gezwun-
gen hätten, die Dorfgemeinschaft zu verlassen,
so daß sich diese auf der Höhe {Markuskapelle)
ansiedelten. Diese neue Siedlung habe man Or-
wala ( = Berg- oder Oberwahlen) genannt. Mit
der Zeit sei dann Orwala als Urwala = Urwahlen
ausgesprochen worden. Diese neue Siedlung habe
sich wirtschaftlich nicht halten können. Sie ging
später wegen der geringen Ergiebigkeit der Berg
äcker wieder ein, wie auch das im Tale gelegene
„Wahlen“ später wieder dem katholischen Glau
ben zurückgewonnen worden sei. „Orwala“ habe
höchstens zwei Menschenalter lang bestanden.
Wolff vertritt damit also einen völlig anderen
Standpunkt, als die übrige Hoimatforschung, in
dem er „Oberwälden“ als nach 1648 aus Wahlen
entstanden annimmt, wobei er sich allerdings mit
Hecht auf den Text im Handbuch der Diözese
Trier beruft:
„... gründeten die Überlebenden von Wahlen
eine neue Niederlassung Urwahlen in der Nähe
ihrer alten Heimat. Diese besaß die der hl. Mar
gareta geweihte Pfarrkirche bis 1737, an ihrer
Stelle steht heute eine 1868 zu Ehren des Evan
gelisten Markus errichtete Kapelle.“ Die bisher
bekannte Pfarrgeschichte Wahlens widerspricht
jedoch eindeutig dieser Darstellung, die zwar prä
zise klingt, bei der sich jedoch der Gedanke auf
drängt, daß dem Text ein Irrtum unterliegt und
es eigentlich heißen müßte: „ ... gründeten die
Überlebenden von „Wala“ (nämlich unserem um
strittenen, ursprünglichen „Urwahlen“ auf der
Hochfläche) eine neue Niederlassung (nämlich das
heutige Wahlen) in der Nähe ihrer alten Heimat.“
Es heißt dann richtig weiter: „D i e s e , (die alte
Heimat, nicht die neue Niederlassung) besaß die
der hl. Margarete geweihte Pfarrkirche bis
1737 . . . “ So gelesen, kann der Text die Streit
frage Urwahlen — Wahlen wesentlich aufhellen.
Das Durcheinander ungeklärter Auffassungen
ist also wirklich groß. Hauptfrage bleibt dabei,
warum die Siedlung auf der Hochfläche so ge
heimnisvoll zur Wüstung wurde. Dabei wird nun
eine Deutung wichtig, die viel Wahrscheinlichkeit
für sich hat, und die ein bekannter Niederlos-
’heimer Heimatforscher vertritt, der vennutet, daß
Wahlen vielleicht wirklich nicht zerstört wurde,
daß aber Schwed’ oder Kroat’ die Pest einschlepp
ten, das Dorf dadurch entvölkert wurde und die
Überlebenden später vorn Berg ins Tal umsie
delten.
Nun, ein Dom wird aus vielen Steinen gebaut,
die man mühsam Zusammentragen muß, und so
wird sich eines Tages wohl auch noch das Dunkel
um Wahlen - Urwahlen aufhellen. Urwahlen —
d. h. die ehemalige Siedlung um die heutige Mar
kuskapelle — lag auf der Hochfläche zwischen
Rissenthal und dem jetzigen Dorfe Wahlen auf
uraltem Kulturboden nahe dem Römerwalle an
dem großen römischen Lager, und es kann sich
bei dieser Siedlung nur um das immer wieder
genannte „Wala" handeln, dessen Bewohner schon
1147 nach Mettlach zu wallfahrten hatten und
um 1500 den Herren von Zandt und von Hafen
Fronden leisten mußten. Audi in den Jahren 1330,
1569, 1591 und 1657 spredien die Urkunden
immer wieder von einer Pfarrei Wahlen — nie
von Orwala! In den Visitationsprotokollen von
1569 und 1739 werden die Herren von Zandt als
Kollatoren der Pfarrstelle genannt. 1569 war der
Pfarrer von Wahlen gleichzeitig Kaplan in
„Löschern“ (Losheim). Erwähnen wir übrigens
nodi einen Visitationsbericht von 1739, der be
sagt, daß „die Mutterkirche von Wahlen ehedem
in Urwahlen gestanden habe, einem Dorfe, das
in der Kriegszeit zerstört worden sei.“ Dieser
Bericht ist 104 Jahre nadi der vermutlichen Zer
störung von Wahlen (wenn wir 1635 gelten las
sen wollen) geschrieben worden. Die Erinnerung
und Überlieferung muß da im Volke eigentlich
noch sehr lebendig gewesen sein. Das stützt
meine Hypothese, daß „Urwahlen“ kein eigent
licher Ortsname, sondern nur die Bezeichnung
des Volksmundes (oder ein Flurname) für die
Lage des früheren Mutterdorfes auf der Hoch-
fläche gewesen ist, und das eben nach dem Drei
ßigjährigen Kriege, nach Zerstörung oder Pest,
die Überlebenden das alte Dorf verließen, um
sich an der schon vorhandenen Schäferei der Her
ren von Zandt unten im Tal einen neuen Heimat
ort zu schaffen, für den sie selbstverständlich den
alten Namen übernahmen, wobei es durchaus
möglich erscheint, daß dieser Abwanderungspro
zeß von der Höhe ins Tal sehr lange Zeit dauerte
und die schon unten im Tal angesiedelten Be
wohner das verfallene Altdorf auf der Höhe im
Sprachgebrauch als „Urwahlen“ bezeiehneten, um
eine Orientierung zu ermöglichen. Das würde
auch erklären, daß man lange Zeit die Pfarrkirche
in Urwahlen beließ, bis der Umsiedlungsvorgang
etwa 1737 abgeschlossen war und man ernsthaft
an die Erbauung einer neuen Pfarrkirche im
neuen Wahlen ging.
Riegelsberger
-PILS
aus hochfeinem Malz und edelstem Hopten