Full text: 1957 (0085)

104 
einer Kirche nichts erwähnt wird. Diese Fest 
stellung erscheint wichtig, sie gewinnt sogar ein 
mysteriöses Gesicht, wenn man eine von dem 
Wademer Forscher C. Wolff mitgeteilte Über 
lieferung berücksichtigt, wonach es (nach Berich 
ten aus der evangelischen Diaspora) vor Wahlen 
zwar zum Kampf gegen angreifende Kroaten ge 
kommen sei, daß „Die Einheimischen (!) die Kro 
aten aber geschlagen hätten, daß diese abgezo 
gen und der Ort nicht zerstört worden sei. Hier 
zu vertritt Wolff den Standpunkt, daß in Wah 
len eine Zeit lang eine evangelische oder refor 
mierte Gemeinde bestanden haben müsse, deren 
Mitglieder ihre katholischen Mitbürger gezwun- 
gen hätten, die Dorfgemeinschaft zu verlassen, 
so daß sich diese auf der Höhe {Markuskapelle) 
ansiedelten. Diese neue Siedlung habe man Or- 
wala ( = Berg- oder Oberwahlen) genannt. Mit 
der Zeit sei dann Orwala als Urwala = Urwahlen 
ausgesprochen worden. Diese neue Siedlung habe 
sich wirtschaftlich nicht halten können. Sie ging 
später wegen der geringen Ergiebigkeit der Berg 
äcker wieder ein, wie auch das im Tale gelegene 
„Wahlen“ später wieder dem katholischen Glau 
ben zurückgewonnen worden sei. „Orwala“ habe 
höchstens zwei Menschenalter lang bestanden. 
Wolff vertritt damit also einen völlig anderen 
Standpunkt, als die übrige Hoimatforschung, in 
dem er „Oberwälden“ als nach 1648 aus Wahlen 
entstanden annimmt, wobei er sich allerdings mit 
Hecht auf den Text im Handbuch der Diözese 
Trier beruft: 
„... gründeten die Überlebenden von Wahlen 
eine neue Niederlassung Urwahlen in der Nähe 
ihrer alten Heimat. Diese besaß die der hl. Mar 
gareta geweihte Pfarrkirche bis 1737, an ihrer 
Stelle steht heute eine 1868 zu Ehren des Evan 
gelisten Markus errichtete Kapelle.“ Die bisher 
bekannte Pfarrgeschichte Wahlens widerspricht 
jedoch eindeutig dieser Darstellung, die zwar prä 
zise klingt, bei der sich jedoch der Gedanke auf 
drängt, daß dem Text ein Irrtum unterliegt und 
es eigentlich heißen müßte: „ ... gründeten die 
Überlebenden von „Wala“ (nämlich unserem um 
strittenen, ursprünglichen „Urwahlen“ auf der 
Hochfläche) eine neue Niederlassung (nämlich das 
heutige Wahlen) in der Nähe ihrer alten Heimat.“ 
Es heißt dann richtig weiter: „D i e s e , (die alte 
Heimat, nicht die neue Niederlassung) besaß die 
der hl. Margarete geweihte Pfarrkirche bis 
1737 . . . “ So gelesen, kann der Text die Streit 
frage Urwahlen — Wahlen wesentlich aufhellen. 
Das Durcheinander ungeklärter Auffassungen 
ist also wirklich groß. Hauptfrage bleibt dabei, 
warum die Siedlung auf der Hochfläche so ge 
heimnisvoll zur Wüstung wurde. Dabei wird nun 
eine Deutung wichtig, die viel Wahrscheinlichkeit 
für sich hat, und die ein bekannter Niederlos- 
’heimer Heimatforscher vertritt, der vennutet, daß 
Wahlen vielleicht wirklich nicht zerstört wurde, 
daß aber Schwed’ oder Kroat’ die Pest einschlepp 
ten, das Dorf dadurch entvölkert wurde und die 
Überlebenden später vorn Berg ins Tal umsie 
delten. 
Nun, ein Dom wird aus vielen Steinen gebaut, 
die man mühsam Zusammentragen muß, und so 
wird sich eines Tages wohl auch noch das Dunkel 
um Wahlen - Urwahlen aufhellen. Urwahlen — 
d. h. die ehemalige Siedlung um die heutige Mar 
kuskapelle — lag auf der Hochfläche zwischen 
Rissenthal und dem jetzigen Dorfe Wahlen auf 
uraltem Kulturboden nahe dem Römerwalle an 
dem großen römischen Lager, und es kann sich 
bei dieser Siedlung nur um das immer wieder 
genannte „Wala" handeln, dessen Bewohner schon 
1147 nach Mettlach zu wallfahrten hatten und 
um 1500 den Herren von Zandt und von Hafen 
Fronden leisten mußten. Audi in den Jahren 1330, 
1569, 1591 und 1657 spredien die Urkunden 
immer wieder von einer Pfarrei Wahlen — nie 
von Orwala! In den Visitationsprotokollen von 
1569 und 1739 werden die Herren von Zandt als 
Kollatoren der Pfarrstelle genannt. 1569 war der 
Pfarrer von Wahlen gleichzeitig Kaplan in 
„Löschern“ (Losheim). Erwähnen wir übrigens 
nodi einen Visitationsbericht von 1739, der be 
sagt, daß „die Mutterkirche von Wahlen ehedem 
in Urwahlen gestanden habe, einem Dorfe, das 
in der Kriegszeit zerstört worden sei.“ Dieser 
Bericht ist 104 Jahre nadi der vermutlichen Zer 
störung von Wahlen (wenn wir 1635 gelten las 
sen wollen) geschrieben worden. Die Erinnerung 
und Überlieferung muß da im Volke eigentlich 
noch sehr lebendig gewesen sein. Das stützt 
meine Hypothese, daß „Urwahlen“ kein eigent 
licher Ortsname, sondern nur die Bezeichnung 
des Volksmundes (oder ein Flurname) für die 
Lage des früheren Mutterdorfes auf der Hoch- 
fläche gewesen ist, und das eben nach dem Drei 
ßigjährigen Kriege, nach Zerstörung oder Pest, 
die Überlebenden das alte Dorf verließen, um 
sich an der schon vorhandenen Schäferei der Her 
ren von Zandt unten im Tal einen neuen Heimat 
ort zu schaffen, für den sie selbstverständlich den 
alten Namen übernahmen, wobei es durchaus 
möglich erscheint, daß dieser Abwanderungspro 
zeß von der Höhe ins Tal sehr lange Zeit dauerte 
und die schon unten im Tal angesiedelten Be 
wohner das verfallene Altdorf auf der Höhe im 
Sprachgebrauch als „Urwahlen“ bezeiehneten, um 
eine Orientierung zu ermöglichen. Das würde 
auch erklären, daß man lange Zeit die Pfarrkirche 
in Urwahlen beließ, bis der Umsiedlungsvorgang 
etwa 1737 abgeschlossen war und man ernsthaft 
an die Erbauung einer neuen Pfarrkirche im 
neuen Wahlen ging. 
Riegelsberger 
-PILS 
aus hochfeinem Malz und edelstem Hopten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.