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„Habe ich dich erwischt, du Geizhals“, kicherte
das Mädchen, als es zur Tür draußen war. „Dieses
Geschäft mag dich teuer zu stehen kommen.“
Nicht lange dannach schellte es wieder beim
Bäcker. Eine arme Frau kam in den Laden. Die
trug um die Schultern ein großes Tuch, ging
sehr gebückt und stützte sich auf einen Stock.
„Was wollt Ihr, alte Hexe?“ schrie der Bäk-
ker die arme Frau an. „Ah, nur ein Stückdien
Brot. Bin so hungrig. Hab seit drei Tagen kein
Brot im Haus. Erbarmt Euh doch, lieber Mann.“
„Brot! Das könnt Euh so passen! — Das Brot
ist rar, — merkts Euh — und niht für die Bett
ler gewahsen. Marsh, schert Euh weg!“ Die
Frau hielt dem Bäcker einen Kreuzer hin, be
schwor ihn und bat, er solle ihr doh ein Stück
dien Brot dafür geben. Es sei ihr letzter Kreu
zer, aber sie wolle ihn gerne opfern. Der Hunger
werfe sie schier um, und dabei hielt sie sidi am
Ladentisch fest, jammerte zum Erbarmen und sah
den Bäcker mit flehenden Augen an.
Der aber hatte kein Mitleid, packte die Frau
beim Arm und wollte sie zur Türe hinauswerfen.
In diesem Augenblick aber richtete sih die
Frau aus ihrer gebückten Haltung empor, warf
ihr Umsdilagtuch ab, und da sah der Bäcker, daß
es die Fürstin war, die er so schmählich behandelt
hatte.
Er sank in die Knie, die Zähne klapperten ihm
vor Angst und Entsetzen, und er bat, ihre fürst
lichen Gnaden möchten doch einem armen Bäcker
verzeihen, der selbst kein Brot im Hause habe,
und gar übel geplagt werde von dem aufdring
lichen Bettelvolk.
Die Fürstin geriet in Zorn, weil sich der Bäcker
aufs Lügen verlegte und hieß ihn schweigen.
Sie habe nun selber gesehen, daß es wahr sei,
was die Leute sagen. Es sei eine Sünde und
Schande.
Sie machte die Tür auf und herein kam die
Jungfer mit dem teuren Gebäck und mit der
Torte aus Marzipan, und hinter ihr schritt ein
Grenadier, der nahm den Bäcker fest.
Die Jungfer lachte in hellen Tönen, als sie
sah, wie das Gesicht des geizigen Bäckers länger
und länger wurde, machte einen zierlichen Knicks,
hielt ihm die Torte unter die Nase und sagte:
„Darf ich sie Euch zur Henkersmahlzeit kredenzen?“
Da erschrak der Bäcker, und jetzt fiel ihm ein,
daß er seinen Schwur, er wolle keiner Seele et
was schenken, gebrochen habe, und daß ihn der
Böse jetzt strafe.
Er wurde zum Marktplatz geführt. Sein Kopf
w urde in den runden Ausschnitt eines mächtigen
Brettes gezwängt, und so mußte der Bäcker am
Pranger stehen zur Strafe für seinen Geiz. Der
Bäcker wurde einmal weiß und einmal rot. Die
Haare stiegen ihm zu Berg vor Entsetzen, und
als man ihn endlich losließ, taumelte er und
sank hin.
Kurze Zeit darauf ist er gestorben, aber keiner
hat ihn betrauert.
Doch ein Denkmal wurde ihm errichtet, aber
nicht ihm zur Ehre. Bei der alten Brücke ist es
noch heute zu sehen. Ein steinerner Kopf ist’s,
den der Fürst hat aushauen lassen. Die Augen
bücken stier, und der Mund ist weit aufge
rissen, denn er mußte einst alle schmutzigen
Wasser trinken, die von der Straße herunter
liefen.
HANS SCHNELL
Lederwaren - Fabrikation und Ledergroßhandlung
Neunkirchen-Saar, Hospitalstraße 32/36, Telefon 2485
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