Full text: 1956 (0084)

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Franz Fuchs war Invalide, hatte unter Tage 
ausgedient, wurde nur noch über Tage beschäf 
tigt, und war nebenbei beim Betriebsführer, dem 
alten Obersteiger, als Faktotum nach der Schicht 
beschäftigt, mähte einmal in der Woche Hof 
und Ställe sauber und verrichtete sonstige grö 
bere Arbeiten. So verdiente er sich nebenbei ein 
ganz schönes Taschengeld. Sonst war er überall 
dort anzutreffen, wo es etwas zu „erben“ gab, 
— er besaß das seltene Talent, an drei Stellen 
zu gleicher Zeit zu sein. Er wußte auch alles, 
alle Neuigkeiten aus der Ortshaft und den Nach- 
bargemeinden, wußte, wie man so sagt, was in 
der Hölle gekocht wird. 
So war er der Frau Obersteiger mit der Zeit 
unentbehrlich geworden. Jedesmal wußte er 
etwas Neues, Interessantes zu berichten. In sei 
nem Fuehsgesiht fand sah niemand zureht. 
Sonst hatte er auh die lobenswerte Eigenshaft, 
für alles, was nicht niet und nagelfest war, — 
was andere Leute so „liegen“ ließen, eine Ver 
wendung zu haben. Er war ein Meister im 
„Finden“. 
Sein sechzigster Geburtstag stand bevor, zu 
gleicher Zeit sein 35jähriges Hohzeitsjubiläum, 
und diese doppelte Familienfeier schien ihm 
schwere Kopfschmerzen zu bereiten. In tiefen 
Gedanken versunken konnte man ihn tagdang 
auf der Bank vor seinem Häuschen sitzen sehen. 
Nachdenklich zog er an seiner Tabakpfeife. Da, 
— eine Erleuchtung blitzte in seinem von tau 
send Falten und Fälthen zerknitterten Spitzbu- 
bengesiht auf. Er suchte ein kleines Fläschchen 
aus seiner Gerümpelkiste heraus und mähte sih 
auf den Weg zu seiner Stammkneipe. 
Am nächsten Tag hatte er wieder Dienst beim 
Obersteiger. Er kam diesmal sehr zeitig am 
Nachmittag, bevor der Obersteiger von der Grube 
nah Hause zurückgekehrt war. Er fegte den 
Hof, säuiberte den Hühnerstall, fütterte auh die 
Hühner, doch heute eigenartigerweise im Stall, 
nicht draußen auf dem Hofe. Mit liebevollem 
Blick betrachtete er die zahlreihe Hühnershar, 
vor allem den größten und fettesten der drei 
Hähne. 
Er hackte noch etwas Holz, füllte alle Kohlen- 
eiimer und -kästen, — nun war er fertig, ging hin 
auf in die Kühe zur Hausfrau, die shon voll 
Spannung auf die neuesten Nachrichten wartete: 
Dort erhielt er auh immer ein anständiges Ves 
perbrot und Kaffee. 
„Nun, was gibt es Neues, Franz?“ begrüßte 
ihn die Hausfrau. Franz setzte sein bekümmert- 
stes Gesiebt auf, legte es noch mehr in Falten. 
„Eijentlih nix guttes, Frau Obersteiger!“ — „Ja 
wieso denn?“ „Ja — gucke se mol, ich hann 
doch dahemm aah e paar Hühner“ —, er legte 
eine kleine Spannungspause ein — „un newe- 
dran im Birkenhof soll die Geflügelholera aus- 
gebroch sin. Wenn die erseht mol bei uns kummt, 
dann is es mit den Hinkele voabei. Dann hilft 
nix meh wie abshlahte! Un das ausgerechnet 
jetzt, wo sie anfange solle zu leje. Mir han doh 
shun voa paar Joohr das Gedings gehatt, — ich 
kenne das!“ — „Ist ja nicht gesagt, daß sie ge 
rade zu uns kommen sollte.“ — „San se das net, 
das geht schnell! In e paar Shtunne heischts 
donn dabba — 'dabba! Soball wie das ershte 
Hinkel anfängt ze wackele un ze torkele, heishts 
nix wie Kopp ab! Do muß ma uffpasse. Ih will 
ihne kä Angsht mähe, awa die schwarz Henne 
mit denne weiße Bän, die huckt so traurisch do, 
die gefallt mir garnitl Sie müsse mol öfters noh- 
gucke. No, ich muß jetzt hemmgehn, han de- 
bemm noch zu schaffe.“ 
Er mähte Anstalten, sih zu verabschieden. 
„Warten sie doh einen Augenblick, Franz. Jetzt 
haben Sie mir solche Angst gemäht, da muß ih 
doh mal selbst nah meinen Hühnern shauen.“ 
— „Noja, soviel Zeit han ih jo dann auh 
noch,“ beeilte sih Franz, bereitwillig zu ent 
gegnen. 
Sie gingen beide in den Hof hinunter, die 
Hausfrau Zählte .ihre Hühner. „Wo ist denn nur 
die shwarze Henn? Und der große weiße Hahn 
ist nicht zu sehen!“ — „Mir misse doh mol im 
Stall gucke.“ 
Dort bot sih ihnen ein seltsames Bild: Die 
schwarze Henne mit den weißen Beinen konnte 
sih offenbar nur mit Aufbietung aller Kräfte 
auf den Beinen halten, torkelte andauernd hin 
und her, sperrte den Schnabel Immerzu weit 
auf, als wolle sie nah Luft shnappen. Sie jam 
merte und stöhnte herzzerreißend. Und der große 
weiße Hahn machte die absonderlichsten Kaprio 
len, schlug mit den Flügeln, verdrehte den Kopf, 
Hals und Augen, hopste und sprang herum 
konnte sich aber offensichtlich ebenfalls niht
	        
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