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von Elisabeth Kirch, Saarbrücken
Der Pfifferjakob war ein schnurriger Geselle,
hatte den Kopf voller Späße und wenn er redete,
ging ihm der Mund wie ein Mühlrad.
Er liebte das Herumstreichen mehr als die
Arbeit, lag stundenlang unter den Bäumen und
hörte den Vögeln zu. Er kannte alle Sänger des
Waldes, lauschte ihnen die Lieder ab und ahmte
sie nach. Er fing sich auch manchen Vogel,
sperrte ihn ein und ergötzte sich an seinem Ge
sang.
Nun kam eines Tages ein Händler zu ihm, der
hatte einen Käfig voll der schönsten und seltensten
Vögel. Sie sangen und pfiffen so wundersam
schön, daß einem ganz eigen ums Herz wurde,
so froh und doch auch wieder so traurig,
daß man bald hätte lachen und bald wieder
weinen möge. Der Pfifferjakob sperrte Mund,
Augen und Ohren auf, denn so schöne Vögel
hatte er noch nie gesehen, die dazu noch so
wunderbar sangen, Triller, Schleifen, kurze und
lange Töne, tiefdunkle und helle, die ihnen wie
silberne Perlen aus den goldgelben Kehlen
tropften.
„Da staunt Ihr“, sagte der fremde Mann. „Solche
Vögel gibt es hier nicht. Die sind in fremden Län
dern gewachsen, wo jeden Tag blauer Himmel
und ewiger Sonnenschein ist.“
„Da kommen sie wohl geradewegs vom Pa
radies her?“ meinte der Pfifferjakob, spitzte die
Ohren und lauschte den seltsamen Vögeln die
Töne und Weisen ab.
„Das nicht“, sagte der Fremde. „Sie kommen
von einer Insel, in einem fernen Meere gelegen,
wo es so still ist, daß man seinen eigenen Atem
hört. Dort können die Vögel nach Herzenslust
ihre Stimmen probieren. Dem Pfifferjakob lachte
das Herz im Leibe, und er hätte um alles gern
einen der Vögel gehabt.
„Wieviel verlangt Ihr für einen Vogel?“ fragte
der Pfifferjakob. Der Händler nannte ein schönes
Sümmchen.
Da graulte der Pfifferjakob den Kopf, denn
fünf Gulden hatte er sein Lebtag nicht beisammen
gesehen.
So viel sei ein armseliger Vogel nicht wert,
meinte der Pfifferjakob. Hierzuland gäbe es auch
schöne Vögel unter den Sängern, und der Mann
solle sich fortscheren. Spradis, machte die Türe
auf und warf den Händler hinaus.
Kaum war der Mann draußen, da hub im
Hause des Pfifferjakob ein seltsames Pfeifen und
Singen an. Der Pfifferjakob versuchte die Stim
men der fremden Vögel nachzuahmen, und siehe,
es gelang ihm ganz prächtig, denn was der Pfif
ferjakob einmal gehört hatte, das saß ihm fest im
Kopf und lose auf der Zunge.
Er dachte, es sei doch recht schade, daß die
Sänger vom Stiftswald nidit so herrliche Farben
und Stimmen hätten wie jene fremden Vögel von
den gottseligen Inseln, und er fand, der Herrgott
hätte mit Farben und Tönen zu sehr gespart, als
er die Vögel im Land an der Saar erschaffen.
Und Tag für Tag sann er darüber nach, wie
er so seltene Vögel bekommen könnte, aber es
schien ihm kein einziges Stemlein der Hoffnung,
denn er war ein armer Teufel, der oft nicht das
Brot über Nacht daheim hatte. Nun gesdiah es,
daß aus dem Hause des Pfifferjakobs oft so selt
sam schönes Singen und Pfeifen kam, so daß die
Leute stehen blieben und fragten, was das für
Vögel wären, die so wunderschön sängen, und da
sagte der Pfifferjakob: „Die sind von weit her
übers Meer zugeflogen." Und da staunten die
Leute und konnten sich nidit genug wundern.
Einst fuhr der Fürst durdi das Tal, in dem
das Haus des Pfifferjakob gelegen war.
Er hielt den Kopf gesenkt, denn er dadite an
die mancherlei Sorgen, die das Regieren ihm
machte. Da hörte er mit einem Male ein wun
derschönes Pfeifen, Singen und Trillern, als ob die
Engel vom Himmel gekommen wären, um ihn
zu trösten mit ihrem Gesang. Als er sidi um-
sdiaute, sah er am Fenster des Pfifferjakob einen
großen Käfig sdiöner, seltsamer Vögel. Die waren
so herrlidi bunt, wie er noch keine gesehen hatte,
weder in Welschland noch an den blauen Ufern
der südlichen Meere. Er dachte, wenn er sidi täg-
lidi was Vorsingen ließe von so herrlichen Vö
geln, so würden ihm die Sorgen davonfliegen wie
dunkle Wolken, die der Wind verjagt.