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Der wunderbare grüne Felsen
Von W. Jakobi, Saarbrücken
E s war einmal eine arme Holzfällerfamilie.
Die hatte nur eine einzige Toditer. Weil der
Vater oft krank war, reichte das Geld, das er
von seiner Arbeit mit heimbrachte, nicht für
das Nötigste. Der größte Reichtum, den die
Familie hatte, war die schwarze Kuh. Von ihrer
Milch und ein paar Kartoffeln ernährten sie sich
den Winter über.
An einem heißen Sommertag geschah es nun,
daß die Kuh sehr krank wurde und starb. Dar
über war die arme Holzfällerfamilie der Ver
zweiflung nahe. Jetzt im Sommer konnten sie
sich ja noch von den Beeren und Pilzen im Wald
ernähren. Was aber sollte im Winter aus ihnen
werden?
An einem kühlen Herbsttag nun, als in der
ganzen Hütte nichts mehr zu essen zu finden
war, machten sich die drei auf in den tiefen
Wald. Dort setzten sie sich unter eine Tanne,
um einzuschlafen. Der liebe Gott würde sie viel
leicht zu sich nehmen, und alle Not hätte ein
Ende. Plötzlich hörten sie dicht neben sich die
Stimme, die sagte: „Ich kenne euren Kummer!
Geht heute abend zum grünen Felsen! Ihr kennt
ihn ja! Alle vier Jahre, eine Stunde vor Mitter
nacht, öffnet er sich für eine Stunde. Ihr werdet
dort Schätze im Überfluß finden, so daß Ihr nie
mehr in Not kommt. Aber seht zu, daß Ihr
rechtzeitig wieder draußen seid, sonst seid Ihr
für euer Lebtag gefangen!" Die Holzfällerfamilie
erschrak sehr über die Stimme. Dann aber
faßten die drei neuen Lebensmut und gingen
heim in ihre Hütte.
Spät am Abend machten sie sich auf zum
grünen Felsen. Unbeweglich stand er da wie
immer, über und über mit grünem Moos be
wachsen. Ob sie sich auch nicht getäuscht hatten?
Eben hörten sie vom fernen Kirchturm Glocken
schläge. Es war eine Stunde vor Mitternacht.
Wie gebannt sahen die drei auf den grünen
Felsen. Da — beim letzten Glockenschlag wurde
der mächtige Steinblock wie von unsichtbarer
Hand beiseite geschoben, und ein dunkler
Höhlengang wurde frei. Zögernd näherte sich
der Holzfäller dem Eingang, dann aber winkte
er in freudiger Überraschung zurück. Als sich
seine Augen ein wenig an das Dunkel gewöhnt
hatten, sah er, daß die Stimme sie nidit ge
täuscht hatte. Aus der Tiefe leuchtete es wie
Gold und Silber entgegen. Schnellen Schrittes
gingen die drei auf das Leuchten zu, und bald
befanden sie sich in einer weiten Halle. Ge
blendet schlossen sie die Augen. Alles in der
Höhle war aus Gold und Silber. An den Wänden
entlang standen auf langen Regalen goldene
Gefäße und Geschirre, überall standen silberne
Truhen, die bis obenhin mit Goldstücken ange
füllt waren. Von der Halle aus führten Gänge
zu anderen Hallen, in denen es ebenfalls von
Gold, Silber und auch Edelsteinen blitzte. —
„Schnell", sagte der Holzfäller zu seiner Frau,
„eine Stunde ist kurz, fülle alle Taschen, auch
deine Schürze. Ich werde auch alle Taschen
füllen!" — Und nun rafften Vater und Mutter
von den Schätzen zusammen, was sie nur tragen
konnten. Plötzlich hörten sie ganz in der Ferne
Glockenschläge. Die Stunde mußte gleich vor
über sein. Hastig wendeten sie sich dem Aus
gang zu. Wo aber war ihr Kind? — Uber all
den Schätzen hatten sie es vergessen. Voll
Schrecken riefen sie seinen Namen. Keine Ant
wort. Gleich mußte die Uhr den letzten Schlag
tun. Sie warfen alle Schätze von sich und liefen
dem Ausgang zu, und hofften, ihr Kind schon
draußen zu finden. Kaum standen sie schwer
atmend wieder bei dem grünen Felsen, als es
zwölf schlug und der Felsblock sich wieder vor
den Höhleneingang schob. Voller Entsetzen sahen
Vater und Mutter zu, denn ihr Kind war nir
gends zu sehen. Es mußte gefangen sein.
Nun kam eine traurige Zeit für den Holzfäller
und seine Frau. Am liebsten wären sie ge
storben, nur die Hoffnung, ihr Kind nach vier
Jahren wiederzusehen, hielt sie noch aufrecht.
Vier lange Jahre warteten sie auf den Tag,
an dem sich der grüne Felsen wieder öffnen
würde. Um die elfte Stunde fanden sie sich bei
ihm ein, und auf den Glockenschlag öffnete sich
wieder die Höhle. Vater und Mutter stürzten in
die funkelnde Halle, doch ihre Augen sahen die
Schätze dieses Mal nicht. Laut riefen sie den
Namen ihrer Tochter. Beim dritten Male stand
plötzlich ein alter Mann vor ihnen. Der sprach:
„Was stört Ihr unsere Ruhe! Eure Tochter ist
bei mir! Sie ist glücklich! Ihr geht es viel besser
bei mir, als es ihr bei euch gehen könnte.
Kommt selbst und seht!" Dann führte der Alte